27.09.2016

BAG: Kein Recht auf einen Anwalt bei Einsicht in Personalakte

„Vier Augen sehen mehr als zwei“, denken sich viele Beschäftigte und ziehen deshalb ein Betriebsratsmitglied hinzu, wenn es darum geht, die Personalakte einzusehen. Einem Rechtsanwalt muss der Arbeitgeber hingegen keinen Blick in die Personalakte gewähren – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen nicht. BAG, Urteil vom 12.07.2016, Az.: 9 AZR 791/14

Einsicht Personalakte Anwalt

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein Lagerist hatte eine Ermahnung erhalten. In der Folge verlangte er von seinem Arbeitgeber, einer von ihm beauftragten Rechtsanwältin Einsicht in die Personalakte zu gewähren. Der Arbeitgeber lehnte das unter Berufung auf sein Hausrecht und den Datenschutz ab. Als Reaktion auf die Ablehnung forderte die Anwältin den Arbeitgeber auf, ihr gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Einsicht in dessen Akte zu gewähren. Wieder stellte sich der Arbeitgeber quer und bot dem Arbeitnehmer stattdessen an, die Personalakte auszugsweise zu kopieren. Zudem könne dieser ja auch ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen, meinte der Arbeitgeber. Der Lagerarbeiter war mit dem Vorschlag jedoch nicht einverstanden. Er zog vor Gericht und wollte festgestellt wissen, dass der Arbeitgeber ihm und seiner Anwältin Einsicht in die Personalakte gewähren muss.

Das sagt das Gericht

Die Erfurter Bundesrichter waren anderer Meinung und wiesen die Klage ab. Der Arbeitnehmer habe gemäß § 83 Abs. 1 BetrVG das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen und könne zu diesem Zweck ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Er habe jedoch keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Anwesenheit eines Rechtsanwalts. Dürfe der Arbeitnehmer wie im Streitfall Kopien anfertigen, lasse sich ein solcher Anspruch weder aus der Rücksichtspflicht des Arbeitgebers noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ableiten. Der Arbeitnehmer habe ausreichend Gelegenheit, anhand der Kopien den Inhalt der Akte mit einem Rechtsanwalt zu erörtern. BAG, Urteil vom 12.07.2016, Az.: 9 AZR 791/14

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Viele Arbeitnehmer wissen gar nicht, dass sie nach § 83 Abs. 1 BetrVG einen Anspruch darauf haben, ein Betriebsratsmitglied zur Einsichtnahme in die Personalakte mitzunehmen. Es kann deshalb nicht schaden, Ihre Kolleginnen und Kollegen von Zeit zu Zeit über dieses Recht zu informieren (z. B. durch einen Aushang am Schwarzen Brett) und Ihre Hilfe beim Durchsehen der Personalakte anzubieten. Verbinden Sie die Information mit einem Hinweis auf die Entscheidung des BAG im Eingangsfall, wonach kein Recht auf einen Anwalt besteht.

Definition: Personalakte

Als Personalakte wird jede Sammlung von Unterlagen über einen Beschäftigten bezeichnet. Dazu zählen sämtliche Aufzeichnungen, die Bezug zum Arbeitsverhältnis haben und damit in einem inneren Zusammenhang stehen (z. B. Bewerbungsunterlagen, Zeugnisse, Abmahnungen, Arbeitsvertrag, Angaben zu Entgeltveränderungen etc.).

Über die Modalitäten des Einsehens entscheidet der Betriebsrat mit

Geht es darum, die Voraussetzungen für die Einsichtnahme festzulegen, steht dem Betriebsrat ein (Initiativ-)Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Verfügung. D. h. das Gremium kann von sich aus aktiv werden und dem Arbeitgeber eigene Vorschläge z. B. über folgende Aspekte unterbreiten:

  • Ort der Einsichtnahme
  • Zeit der Einsichtnahme
  • Häufigkeit der Einsichtnahme
  • Anmeldefrist
  • Erteilung einer Bescheinigung über die erfolgte Einsichtnahme

Hinweis: Stillschweigen bewahren

Wird ein Betriebsratsmitglied von einem Beschäftigten zur Einsichtnahme in die Personalakte hinzugezogen, ist es verpflichtet, über den Inhalt der Personalakte Stillschweigen zu bewahren – sofern es nicht vom Arbeitnehmer von der Pflicht entbunden wird.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung