Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung
Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit haben Männer und Frauen einen Anspruch auf gleiches Entgelt. Wenn eine Arbeitnehmerin auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit klagt, begründet dies regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Hintergrund ist der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ausfällt als das eines männlichen Kollegen, der eine gleichwertige Arbeit verrichtet. Wenn der Arbeitgeber bei einem solchen Paarvergleich die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen kann, so ist er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das der Höhe des Entgelts des zum Vergleich herangezogenen Kollegen entspricht. Dies gibt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor.
Zuletzt aktualisiert am: 14. November 2025

Rückwirkende Forderung einer finanziellen Gleichstellung mit männlichen Kollegen
In einem aktuellen Fall fordert die Klägerin von ihrem beklagten Arbeitgeber hinsichtlich mehrerer Entgeltbestandteile rückwirkend die finanzielle Gleichstellung mit bestimmten männlichen Kollegen bzw. Vergleichspersonen. Ihre Ansprüche begründet sie u.a. mit Angaben des Arbeitgebers in einem sogenannten Dashboard, das im Intranet der Erteilung von Auskünften im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes dient. Das Einkommen der Kollegen liegt über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer. Der Beklagte Arbeitgeber hat geltend gemacht, dass die zum Vergleich herangezogenen Kollegen nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Klägerin verrichten. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe auf Leistungsmängeln der Klägerin. Aus diesem Grund werde die Klägerin auch unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe vergütet.
Keine geschlechtsbedingte Benachteiligung
Das Landesarbeitsgericht hat die Hauptanträge abgewiesen, die auf einen Ausgleich der Entgeltdifferenz zu den benannten Vergleichspersonen gerichtet sind. Die Richter waren der Ansicht, dass die Klägerin sich für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen könne. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung und damit kein Indiz i.S.v. § 22 AGG. Die Klägerin habe aber hinsichtlich einzelner Vergütungsbestandteile einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe.
Neue Verhandlung und Entscheidung stehen noch aus
Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf die Revision der Klägerin und die beschränkte Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Über die auf einen Paarvergleich gestützten Hauptanträge kann noch nicht abschließend entschieden werden. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts bedarf es bei einer Entgeltgleichheitsklage keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Ein solches Erfordernis wäre mit den Vorgaben des primären Unionsrechts unvereinbar.
Für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts ist es ausreichend, dass die klagende Arbeitnehmerin darlegt und beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt zahlt. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen ist für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Belang.
Die Klägerin hat hinsichtlich einer Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung voraussetzen lassen. Das Landesarbeitsgericht wird im fortgesetzten Berufungsverfahren prüfen müssen, ob der beklagte Arbeitgeber diese Vermutung – ungeachtet der Intransparenz seines Entgeltsystems – widerlegt hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Oktober 2025 – 8 AZR 300/24 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Oktober 2024 – 2 Sa 14/24).