27.12.2016

Musterbauordnung wird an BauPVO angepasst

Die Musterbauordnung wird an die Bauproduktenverordnung angepasst. Das kommt auf Architekten und Planer zu:

Musterbauordnung wird an BauPVO angepasst

Regelungen in der Musterbauordnung (MBO)

Nach den neu gefassten Regelungen in der Musterbauordnung (MBO)

  • dürfen Bauprodukte nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die bauliche Anlage die Anforderungen der Musterbauordnung erfüllt, und
  • darf ein Bauprodukt, das die CE-Kennzeichnung trägt, verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in der Musterbauordnung festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen.

Diese Regelungen berücksichtigen den (EU-konformen) Unterschied zwischen den erklärten Leistungen eines Bauprodukts einerseits und den spezifischen Anforderungen, die sich für einen bestimmten Verwendungszweck bauwerksseitig ergeben, andererseits. Denn die CE-Kennzeichnung belegt nicht (mehr) die Brauchbarkeit eines Bauprodukts oder seine Übereinstimmung mit der harmonisierten technischen Spezifikation, sondern (lediglich) die nach den Vorgaben der harmonisierten technischen Spezifikation festgestellte Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung.

Nach den bisherigen Regelungen in den Landesbauordnungen dürfen Bauprodukte nur verwendet werden, wenn sie (selbst) für den Verwendungszweck zulässig sind und ein Ü-Zeichen oder eine CE-Kennzeichnung tragen. Der Nachweis der Verwendbarkeit erfolgt für geregelte Bauprodukte über die Bauregelliste A, und für nicht geregelte Bauprodukte über eine abZ, ein abP oder eine Zustimmung im Einzelfall. Der Übereinstimmungsnachweis erfolgt durch Übereinstimmungserklärung des Herstellers oder Übereinstimmungszertifikat.

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Demgegenüber dürfen Bauprodukte nach den neu gefassten Regelungen in der Musterbauordnung nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die bauliche Anlage die bauaufsichtlichen Anforderungen erfüllt. Gegenüber den bisherigen Regelungen erfolgt also eine Verschiebung von der Verwendbarkeit des einzelnen Bauprodukts hin zu der Verwendbarkeit des Bauwerks insgesamt. Die Verantwortlichkeiten der am Bau Beteiligten bleiben dabei im Grunde unverändert.

Für die sichere Planung und Ausführung einer baulichen Anlage hauptverantwortlich ist und bleibt der Bauherr. Er wählt die geeigneten Bauprodukte anhand der generellen Beschreibungen in den künftigen Technischen Baubestimmungen am Markt aus, ihm obliegt die Darlegungslast für die Einhaltung der Anforderungen.

Entsprechendes gilt für den vom Bauherrn beauftragten Unternehmer. Dieser hat die zur Erfüllung der Anforderungen erforderlichen Nachweise und Unterlagen zu den verwendeten Bauprodukten zu erbringen bzw. bei CE-gekennzeichneten Produkten eine Leistungserklärung bereitzuhalten.

In der Regel bedient sich der Bauherr auch eines Entwurfsverfassers, der sich seinerseits für den ihn betreffenden Teilbereich – in erster Linie im Innenverhältnis zum Bauherrn – verantwortlich zeichnet.

Entsprechend der unverändert gebliebenen Regelungen ist der Entwurfsverfasser für die Brauchbarkeit seines Entwurfs verantwortlich; dieser muss den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. Bei seinen Ausschreibungen und vertraglichen Vereinbarungen kann und sollte sich der Architekt zunächst genau darauf beziehen, d.h. Vorgaben machen bzw. Zusatzanforderungen stellen, die nach den Landesbauordnungen für eine ordnungsgemäße Errichtung und Nutzung des Bauwerks erfüllt sein müssen. Auf welche Art und Weise diese erfüllt werden können, durch welche Bauprodukte also, ist hingegen Sache des Markts.

  • Bauprodukte, für die es künftig Technische Baubestimmungen gibt und die mit diesen übereinstimmen oder von diesen nicht wesentlich abweichen, müssen die Technischen Baubestimmungen beachten; außerdem bedürfen sie einer Übereinstimmungsbestätigung (früher: Übereinstimmungsnachweis).
  • CE-gekennzeichnete Bauprodukte dürfen unter den o.g. Voraussetzungen verwendet werden.
  • Bauprodukte, für die es keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt, sowie Bauprodukte, die von einer Technischen Baubestimmung wesentlich abweichen, bedürfen jeweils eines Verwendungsnachweises.
  • Hingegen dürfen Bauprodukte, für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt, die aber nicht als Technische Baubestimmung bekanntgegeben worden sind, ohne Verwendungsnachweis und ohne Übereinstimmungsbestätigung verwendet werden, unabhängig davon, ob sie diesen Regeln entsprechen oder von ihnen abweichen (früher: „sonstige“ Bauprodukte).
  • Dasselbe gilt für Bauprodukte, für die es zwar keine Technische Baubestimmung oder allgemein anerkannte Regel der Technik gibt, die aber nicht für die Erfüllung der generellen Anforderungen an die Bauwerkssicherheit bedeutsam sind, also lediglich eine untergeordnete Bedeutung aufweisen.

Es bleibt damit gemeinsame Sache des Bauherrn, seines Entwurfsverfassers und des Unternehmers, zu gewährleisten, dass die für ein Bauprodukt vom Hersteller erklärten Leistungen hinreichend sind, um die Anforderungen zu erfüllen, die sich für die Bauprodukte bauwerksseitig ergeben. Sofern es hier Defizite gibt,

  • die erklärten Leistungen also nicht bzw. nicht vollständig das Anforderungsniveau erfüllen,
  • die Randbedingungen, unter denen die Bauprodukte verwendet werden, von den in der harmonisierten technischen Spezifikation vorgesehenen Randbedingungen abweichen, oder
  • zu bestimmten Merkmalen, die sich auf die Erfüllung der konkreten Anforderungen auswirken, keine Leistungen ausgewiesen sind,

müssen die o.g. Verantwortlichen – wie eigentlich schon immer – entscheiden, ob die Defizite so gering sind, dass von der Erfüllung der Bauwerksanforderungen gleichwohl ausgegangen werden kann.

Seitens des Herstellers eines Bauprodukts, das in den Anwendungsbereich einer hEN fällt, kann im Übrigen eine Europäische Technische Bewertung (ETB/dokumentierte Bewertung der Leistung eines Bauprodukts in Bezug auf seine wesentlichen Merkmale im Einklang mit dem betreffenden europäischen Bewertungsdokument) beantragt werden, wenn die hEN es ihm nicht ermöglicht, die Leistungen so zu erklären, dass beurteilt werden kann, ob sie den bauwerksseitigen Anforderungen entsprechen. Der Architekt sollte dementsprechend stets darauf bedacht sein, dass für die vom Bauherrn beabsichtigten Bauprodukte eine ausreichende Leistungserklärung vorliegt. Anhand derer obliegt ihm die Einschätzung der Verwendbarkeit des Bauprodukts für den Verbau im Bauwerk und dessen Übereinstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Landesbauordnungen.

Das einzige, indes wesentliche Problem für den Architekten kann – wie beschrieben – jedoch darin bestehen, dass es nach der BauPVO für eine Leistungserklärung ausreicht, für mindestens (nur) ein wesentliches Merkmal eine Erklärung abzugeben, und es sich dabei im konkreten Fall, d.h. für das betreffende Bauwerk nicht um das entscheidende Kriterium handelt.

Dies wirkt sich insoweit auf die am Bau Verantwortlichen aus, als

  • das Gebot produktneutraler Ausschreibungen zu beachten ist,
  • sowohl die Leistungsbeschreibungen als auch die Prüfung der Angebote umfangreicher werden,
  • die Fachplaner (z.B. für Standsicherheit) vorab umfangreicher zuarbeiten müssen,
  • sich die Dokumentationspflichten ausweiten.

Darüber hinaus stellen sich u.a. die Fragen,

  • wem im Rahmen der Bauüberwachung in welcher Leistungsphase die Prüfung der Leistungserklärungen obliegt, und
  • zu welchem Zeitpunkt die Leistungserklärung vorzulegen ist (mit Abgabe des Angebots, vor der Verwendung des Bauprodukts, zur Abnahme?).

Letzten Endes entscheiden die Bauaufsichtsbehörden bei entsprechender Kenntnis im Rahmen ihres Ermessens, ob die Verwendung eines defizitären Bauprodukts ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegenüber dem Bauherrn bzw. der Bauausführung rechtfertigt.

Um auf der ganz sicheren Seite zu sein, empfiehlt sich für den Entwurfsverfasser deshalb möglicherweise, auszuschreiben und zu vereinbaren, dass bei dem geplanten Bauvorhaben ausschließlich solche Bauprodukte zum Einsatz gelangen sollen, die (nur) ein Ü-Zeichen des Herstellers ausweisen. Entsprechendes hätten die bauausführenden Fachfirmen nach Abschluss der Bauarbeiten dem Bauherrn – und bei Bedarf der Bauaufsichtsbehörde – gegenüber zu bescheinigen. Der Architekt kann und muss sich auf den Hersteller des Bauprodukts sowie den Unternehmer verlassen. Dem Hersteller obliegt die Ü-Kennzeichnung. Allerdings: Dies betrifft nur die Konstellationen, die von dem EuGH-Urteil und den hEN nicht erfasst sind.

In jedem Fall ging der Entwurfsverfasser ein haftungsrechtliches Risiko ein, wenn er quasi sehenden Auges Bauprodukte zum Bestandteil seiner verantwortlichen Planung machte, die weder ein Ü-Zeichen noch eine CE-Kennzeichnung aufweisen

Übergangsweise Lösungen

Wegen des gesetzlich vorgeschriebenen Notifizierungsverfahrens bei der Europäischen Kommission wird sich das Inkrafttreten der VV TB verzögern. Bis dahin bleibt die Bauregelliste B Teil 1 mit Ausnahme der Pflichten, allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen zum Nachweis von Produktleistungen vorzulegen und Übereinstimmungsnachweise zu erbringen, in Kraft.

Ebenso erhalten bleiben die materiellen Anforderungen an Bauwerke. Insbesondere konkretisieren die Bauregelliste B Teil 1 sowie die Technischen Baubestimmungen bis zu ihrer vollständigen Aufhebung weiterhin die bauordnungsrechtlichen Anforderungen der Landesbauordnungen sowie die darauf beruhenden Regelwerke für ihre Verwendung. Die geänderte Vollzugspraxis entbindet Bauherren, Entwurfsverfasser und beauftragte Unternehmer also nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die öffentlich-rechtliche Vorschriften an bauliche Anlagen stellen.

Zur Darlegung des bauaufsichtlichen Anforderungsniveaus können Leistungserklärungen auf Basis von hEN bzw. ETB sowie abZ oder abP während ihrer Geltungsdauer herangezogen werden.

Bei abZ und abP ist in der Regel auch weiterhin vom Nachweis der bauwerksseitig gestellten Anforderungen auszugehen, wenn fest steht, dass etwaige Nebenbestimmungen nach wie vor erfüllt sind.

Außerdem ist es grundsätzlich möglich, dass Bauherren, Entwurfsverfasser oder beauftragte Unternehmer zum Nachweis der bauaufsichtlichen Anforderungen Produktleistungen durch freiwillige Herstellerangaben darlegen. Mit Blick auf den bauaufsichtlichen Vollzug, beispielsweise die Prüfung von Standsicherheits- oder Brandschutznachweisen, ist Folgendes zu beachten:

Die Darlegung freiwilliger Herstellerangaben sollte in Form einer prüffähigen technischen Dokumentation erfolgen. Hierzu können je nach Produkt, Einbausituation und Verwendungszweck Angaben darüber erforderlich sein, welche technische Regel der Prüfung zugrunde liegt und ob sowie welche Stellen für die Qualitätssicherung eingeschaltet wurden.

Als freiwilliger Nachweis können insofern beispielsweise eine abZ oder ein abP zugrunde gelegt werden, deren Nebenbestimmungen nicht mehr eingehalten werden oder deren Befristung abgelaufen ist. Die Bauaufsichtsbehörden entscheiden dann nach pflichtgemäßem Ermessen.

Freiwillige Leistungsangaben in Form einer technischen Dokumentation sind regelmäßig anerkennungsfähig, wenn

  • die unabhängige Bewertung von einer anerkannten Prüfstelle (Drittstelle) nach Art. 43 BauPVO oder einer vergleichbar qualifizierten Stelle nach einer allgemein anerkannten, bekannt gemachten bzw. durch Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regel durchgeführt wurde, in der das Prüfverfahren zur Ermittlung der erforderlichen Produktleistung vollständig beschrieben ist – und zwar mit demselben System für die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit, das in der hEN für das Bauprodukt festgelegt ist und nach dem auch die anderen Leistungsmerkmale überprüft wurden, oder
  • soweit es keine allgemein anerkannte, bekannt gemachte bzw. durch Technische Baubestimmung eingeführte technische Regel gibt – die unabhängige Bewertung von einer Prüfstelle (Drittstelle) durchgeführt wurde, die den Anforderungen einer Technischen Bewertungsstelle nach Art. 30 BauPVO genügt oder eine vergleichbare Qualifikation aufweist, und die eine prüffähige Bescheinigung über die Einhaltung der Bauwerksanforderungen hinsichtlich der jeweiligen Leistungsangabe aufweist.

Ausblick

Die zur Umsetzung der europäischen Vorgaben notwendigen Novellierungen der Landesbauordnungen haben in einzelnen Bundesländern bereits begonnen.

So arbeiten etwa die Obersten Bauaufsichtsbehörden in Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt mit Nachdruck an einer entsprechenden Modifizierung ihrer Landesbauordnungen. In Bayern wird die BayBO-Novelle für das Frühjahr 2017 erwartet, in Brandenburg ist die nächste BbgBO-Novelle voraussichtlich für den Herbst 2017 avisiert, in Sachsen-Anhalt gab es bereits im Mai 2016 einen entsprechenden Gesetzesentwurf.

Die Umstellung der Musterbauordnung soll stufenweise erfolgen:

  • Obwohl bauaufsichtliche Zulassungen seit 16.10.2016 nicht mehr erteilt werden dürfen, sollte es weiterhin möglich sein, vorhandene Zulassungen als Grundlage für die Nachweisführung von Bauprodukten bauaufsichtlich anzuerkennen, soweit sich die Herstellung der Bauprodukte seit Erteilung der Zulassung nicht geändert hat.
  • Nach Ablauf des EU-Notifizierungsverfahrens soll die VV TB schnellstmöglich in allen Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt, d.h. in eine deckungsgleiche Technische Baubestimmung und Bauregelliste „übersetzt“ werden.
  • Die neuen Regelungen können erst nach vollständiger Umsetzung von Musterbauordnung und VV TB in allen Landesbauordnungen gelten. Die Fachkommission Bautechnik und das Deutsche Institut für Bautechnik als die deutsche Technische Bewertungsstelle im Sinne der BauPVO beabsichtigen, zu gegebener Zeit Handlungsleitfäden zu erstellen und den Kammern sowie Verbänden der Planer beratend zur Seite zu stehen.

In jedem Fall werden sich Bauherren, Planer, Ingenieure, Prüfingenieure und alle anderen an der sog. Wertschöpfungskette Bau Beteiligten, wie Baustoffhersteller, Baugewerbe und Bauindustrie auf neue Vorgehensweisen bei der Verwendung von Bauprodukten einstellen müssen, insbesondere bei Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung und Ü-Zeichen, um die Bauwerkseigenschaften sicherzustellen.

Autor*in: René Schütze (René Schütze, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), M.A., Stadtverwaltungsrat, ist Leiter des Bauaufsichtsamts der Stadt Brandenburg an der Havel und seit mehr als 15 Jahren mit Fragen des öffentlichen Baurechts befasst. Er lehrt u.a. öffentliches Bauordnungs- und Bauplanungsrecht an der Brandenburgischen Kommunalakademie Potsdam.)