26.06.2018

Wie haften Hersteller für ihre Produkte?

Kaum haben die meisten Betroffenen die Produzentenhaftung nach dem gut ein Jahrhundert alten § 823 Abs. 1 BGB verinnerlicht, hat der Gesetzgeber die Haftungsvorschriften schon wieder verschärft und die bisher liberalere B2B-Haftung in Richtung der strengeren B2C-Haftung angenähert. Das hat Konsequenzen hauptsächlich für den Maschinen- und Anlagenbau und hier vor allem für Montage und Reparatur. Aus diesem Anlass wollen wir einen Überblick über die wesentlichen Haftungsvorschriften für die gesamte Lieferkette geben.

Rechtsprechung

Im Hinblick auf die neue Rechtslage entstehen den Herstellern Mehraufwendungen bei Produkt- und Qualitätsmanagement, weil sie – gefühlt – noch mehr Sorgfalt nicht nur auf die Produktsicherheit, sondern auch auf die Mangelfreiheit aufwenden müssen, um Regressansprüche zu vermeiden. Zuerst müssen die Geschäftsführer der Herstellerunternehmen darüber Bescheid wissen, weil sie die Organisationsverantwortung tragen.

Welche Mitarbeiter müssen informiert sein?

Dann aber müssen folgende Mitarbeiter über die Haftungsverschärfung informiert sein, weil sie ihre Prozesse mithilfe von Verfahrensanweisungen oder (und) Werknormen ggf. neu strukturieren müssen:

  • Produktmanager, CE-Koordinator
  • Entwickler, Konstrukteur
  • Technik-Redakteur
  • Qualitäter

Vertragliche Mängel- und Produkthaftung

Gesetzlicher Hintergrund: Unterschiede zwischen vertraglicher Delikts- und Produkthaftung

Mit dem Begriff Produkthaftung ist eine Haftung für Schäden gemeint, die durch die Benutzung fehlerhafter Produkte bestehen. Schäden können dabei sowohl an der Sache selbst als auch an anderen Sachen oder an Personen entstehen, z.B., weil eine Person durch ein fehlerhaftes Produkt verletzt oder getötet wird.

Eine Produkthaftung kann sich aus folgenden Rechtsgrundlagen ergeben:

  • Vertrag (§§ 280 ff. BGB, §§ 434 ff. BGB und §§ 633 ff. BGB)
  • Delikt (§§ 823 ff. BGB)
  • Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Die vorstehenden Rechtsgrundlagen und deren Unterschiede sollen in dieser Artikelserie näher auch anhand von Praxisbeispielen erläutert werden.

Dieses Kapitel befasst sich mit dem Thema vertragliche Produkthaftung. Die vertragliche Produkthaftung setzt das Bestehen einer Vertragsbeziehung voraus, z.B. eines Kauf- oder Werkvertrags.

Bei der deliktischen Produkthaftung und bei der Produkthaftung nach dem ProdHaftG kann jeder unabhängig vom Bestehen einer Vertragsbeziehung Ansprüche gegen den Hersteller wegen eines fehlerhaften Produkts geltend machen. Bei der vertraglichen Produkthaftung dagegen kann dies nur der jeweilige Käufer oder Auftraggeber gegenüber dem jeweiligen Verkäufer oder Auftragnehmer.

Darüber hinaus betrifft die vertragliche Mängelhaftung die Gebrauchs-, Funktionsfähigkeit und den Wert der Sache, also das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Vertragspartners daran, dass die Sache keine Mängel aufweist, die im Hinblick auf die Gegenleistung ihren Wert oder die vertraglich vorgesehene Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigen. Die Produkthaftung schützt hingegen das Integritätsinteresse, d.h., sie betrifft die Sicherheit des Produkts, wie sie die Allgemeinheit erwarten darf.

Des Weiteren setzen die Vertrags- und Deliktshaftung für Schadensersatzansprüche ein Verschulden des Verkäufers/Herstellers voraus, d.h., der Schaden muss durch ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Verkäufers verursacht sein, während für die sogenannte verschuldensunabhängige Produkthaftung ein Verschulden keine Voraussetzung für die Haftung ist.

Anspruchskonkurrenz

Die Ansprüche aus Vertragsrecht, Deliktsrecht und Produkthaftungsrecht können nebeneinander geltend gemacht werden (Anspruchskonkurrenz) und unterliegen jeweils ihren eigenen Voraussetzungen. Letzteres betrifft insbesondere die Verjährungsfristen.

Im Rahmen der vertraglichen Produkthaftung bei Kauf- und Werkverträgen ist zu unterscheiden zwischen

  • dem Gewährleistungsrechts, das ab Gefahrübergang, d.h. ab dem Zeitpunkt der Lieferung oder Abnahme vorrangig Anwendung findet, und das das allgemeine Leistungsstörungsrecht verdrängt, sowie
  • dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht gemäß §§ 280 ff. BGB, das vor dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs Anwendung findet. In der Praxis spielt das Gewährleistungsrecht die größte Rolle (siehe 2.1.3).

Möglichkeit, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelungen zu vereinbaren

Zunächst sollen die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts erläutert werden, insbesondere ob und inwieweit in Individualverträgen oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden können.

Anhand des folgenden Beispiels werden die Möglichkeiten und Grenzen vertraglicher Haftungsbeschränkungen deutlich:

Beispiel

Der Verkäufer wünscht, seine Haftung auf Schäden an der Maschine selbst zu beschränken und sämtliche indirekten und Mangelfolgeschäden einschließlich von Schäden, die sich aus Maschinenstillstandzeiten und etwa zwischen dem Käufer und seinen Kunden vereinbarten Vertragsstrafen ergeben, auszuschließen. Eine entsprechende Haftungsbeschränkungsklausel wird in den Vertrag aufgenommen.

Es stellt sich die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der vorgenommenen Haftungsbeschränkung.

Es ist zunächst zu klären, ob es sich vorliegend um eine Individualvereinbarung oder aber um AGB handelt. AGB liegen vor, wenn es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei) vorformulierte Klausel des Verkäufers handeln würde. Dabei ist die Rechtsprechung sehr streng und nimmt bei jedem ausgedruckten Vertrag an, dass dieser für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden soll. Keine AGB liegen vor, wenn eine Klausel individuell zwischen den Parteien ausgehandelt wurde. Auch hier hat die Rechtsprechung hohe Hürden gesetzt und verlangt ein ernsthaftes Zur-Disposition-Stellen.

Individualverträge

Bei Individualverträgen darf die Haftung für eigenen Vorsatz gemäß § 276 Abs. 3 BGB nicht ausgeschlossen werden und die Verjährung darf gemäß § 202 Abs. 1 BGB nicht verkürzt werden. Andere Haftungsbeschränkungen können bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit frei vereinbart werden.

Sofern es sich vorliegend um eine Individualklausel handeln würde, wäre diese rechtlich zulässig. In der Praxis scheitern derartige Klauseln jedoch daran, dass die Gerichte sie in der Regel als AGB-Klausel klassifizieren. Sie unterstellen nämlich, dass der jeweilige Verwender diese Klausel nicht nur einmalig, sondern für eine Vielzahl von Fällen verwenden möchte.

AGB

Haftungsbeschränkungsklauseln in AGB unterliegen den engen Grenzen der §§ 307 ff. BGB, die unmittelbar nur im B2C-Bereich gelten, jedoch von der Rechtsprechung überwiegend auch auf den B2B-Bereich angewendet werden. Faktisch besteht in Deutschland ein sehr strenges AGB-Recht auch im B2B-Bereich, was zuletzt durch die aktuelle Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung zum 01.01.2018 bestätigt wurde. Aufgrund einer sich ständig ändernden Rechtsprechung in diesem Bereich lassen sich die Grenzen bei der Gestaltung von AGB-Haftungsklauseln im B2B-Bereich nachfolgend nur kursorisch skizzieren:

  • Grundsätzlich ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, wenn sie mit dem wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes unvereinbar ist.
  • Die Haftung für Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit darf gar nicht beschränkt werden.
  • Hinsichtlich sonstiger Schäden darf zumindest die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht beschränkt werden.
  • Weiterhin darf ein Unternehmer seine Haftung bei Verletzung von Kardinalpflichten selbst für leichte Fahrlässigkeit nicht beschränken.

Den gesamten Beitrag sowie alle relevanten Informationen zur Produkthaftung der Hersteller finden Sie in unserem Produkt „Technische Dokumentation“.

Autor*innen: Dipl.-Ing. Wolfram W. Pichler (Von der IHK oeffentlich bestellter und vereidigter Sachverstaendiger für Technische Dokumentation), Dr. Anke Thiedemann (Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz)