09.05.2023

Auch für DSB wichtig: Berücksichtigung des „dritten Geschlechts“

Das „dritte Geschlecht“ ist auch für Datenschutzbeauftragte (m/w/d/keine Angabe) von Bedeutung. Denn die korrekte Unterscheidung der Geschlechter muss sich in Online-Formularen und Kundendatenbanken widerspiegeln.

Das dritte Geschlecht ist im Datenschutz z.B. bei Formularen relevant

Darum geht es beim „dritten Geschlecht“

Es gibt Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Umgangssprachlich formuliert gehören sie zum „dritten Geschlecht“. Sie dürfen weder direkt noch indirekt gezwungen sein, sich als „weiblich“ oder „männlich“ einzuordnen.

Genau das ist aber der Fall, wenn ein Online-Formular von ihnen verlangt, entweder die Anrede „Frau“ oder „Herr“ auszuwählen. Sie sind dann zu einer objektiv falschen Angabe gezwungen. Damit verbunden ist der Zwang, einen Teil der eigenen Identität zu verleugnen.

Deshalb zögern manche Unternehmen

Hinter Online-Formularen liegen Kundendatenbanken. Um das „dritte Geschlecht“ als Möglichkeit vorzusehen, ist es notwendig, in die Struktur dieser Kundendatenbanken einzugreifen. Die Scheu vor dem damit verbundenen Aufwand erklärt, warum sich manche Unternehmen dem Thema eher zögerlich nähern.

Deshalb kam die Datenschutzaufsicht ins Spiel

Wer bei einem bestimmten Energieversorgungsunternehmen in Hamburg online einen Vertrag abschließen wollte, musste im Online-Formular zwingend entweder die Anrede „Herr“ oder „Frau“ auswählen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.

Die Datenschutzaufsicht Hamburg bemerkte das eher zufällig. Das geschah im Zusammenhang mit einer Beschwerde, bei der es um eine Auskunftsforderung einer betroffenen Person ging. Die Datenschutzaufsicht griff die Angelegenheit von sich aus auf.

Sie handelte also, wie es im Juristendeutsch heißt, von Amts wegen. Das geschieht wesentlich häufiger, als viele glauben. Die Datenschutzaufsicht kann auch tätig werden, ohne dass eine Beschwerde vorliegt. Anlass hierfür sind in der Praxis häufig Presseberichte oder – so wie hier – „Zufallsfunde“ bei der Bearbeitung eines Falles.

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Das hat die Datenschutzaufsicht veranlasst

Die Datenschutzaufsicht Hamburg machte das Energieversorgungsunternehmen darauf aufmerksam, dass die Gestaltung des Online-Formulars gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt. Denn personenbezogene Daten, die ein Unternehmen verarbeitet, müssen sachlich richtig sein. Dieser „Grundsatz der Richtigkeit“ ist in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO ausdrücklich verankert.

Die bisherige Gestaltung des Online-Formulars zwingt Menschen, die dem „dritten Geschlecht“ angehören, sich unzutreffend als „weiblich“ oder „männlich“ einzuordnen. Das verletzt den Grundsatz der Richtigkeit von personenbezogenen Daten.

Darum lohnt Kooperationsbereitschaft gegenüber der Aufsichtsbehörde

Mehr als ein Hinweis der Datenschutzaufsicht war im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Das Energieversorgungsunternehmen war sofort bereit, das Online-Formular zu überarbeiten. Damit verbunden war die entsprechende Anpassung der Kundendatenbank, die hinter dem Formular liegt.

Zu einer förmlichen Anordnung bestand kein Anlass. Denn das Energieversorgungsunternehmen war von sich aus bereit, das Notwendige zu tun. Seine Bereitschaft zur Kooperation machte weitere Schritte der Datenschutzaufsicht überflüssig.

Darauf ist bei Online-Formularen in bezug auf das „dritte Geschlecht“ zu achten

Das Personenstandsgesetz sieht in seinem § 22 Abs. 3 vier Möglichkeiten dafür vor, wie Standesämter das Geschlecht einer Person beurkunden:

  • weiblich,
  • männlich,
  • divers oder
  • keine Angabe.

Diese Möglichkeiten müssen sich in Online-Formularen wiederfinden.

Zwar gilt das Personenstandsgesetz direkt nur für Standesämter. Über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kommen seine Vorgaben allerdings auch im Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden ins Spiel. Denn es benachteiligt Personen des „dritten Geschlechts“ gegenüber weiblichen und männlichen Personen, wenn Personen des „dritten Geschlechts“ ihre geschlechtliche Identität verleugnen müssen.

Wegen des Grundsatzes der Richtigkeit von personenbezogenen Daten handelt es sich zugleich auch um eine Frage des Datenschutzes.

Das ist die Quelle für unseren Fall

Quelle: Datenschutzaufsicht Hamburg, Tätigkeitsbericht Datenschutz 2022, Seiten 64/65. Der Bericht trägt das Datum 27. März 2023. Er ist abrufbar unter https://www.zaftda.de/tb-bundeslaender/hamburg.

Autor*in: Dr. Eugen Ehmann (Dr. Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und ist seit Jahren im Datenschutz aktiv.)