04.05.2022

Erfolgsfaktor betriebliche Mitbestimmung

Vor rund 102 Jahren, am 04.02.1920, fiel mit dem Inkrafttreten des Betriebsrätegesetzes – dem Vorläufer des Betriebsverfassungsgesetzes – der Startschuss für die einzigartige Erfolgsgeschichte der deutschen Mitbestimmungskultur. Was den Erfolg der betrieblichen Mitbestimmung ausmacht und worauf er sich gründet, erfahren Sie hier.

Erfolg im Betriesrat

Betriebe mit Betriebsrat sind besser aufgestellt

Die Vorteile, die ein gewählter Betriebsrat der Belegschaft und dem gesamten Unternehmen bringt, sind ausführlich dokumentiert. Etliche Studien haben belegt, dass sich Betriebsratsgremien insgesamt positiv auf die Performance (das Leistungsvermögen) von Unternehmen auswirken (vgl. auch Internettipp). Mit Betriebsrat

  • sind die Arbeitsplätze sicherer,
  • ist die Bezahlung besser,
  • ist die Fluktuation geringer,
  • ist die Arbeit gesünder,
  • ist die Arbeit familienfreundlicher,
  • ist der Betrieb produktiver,
  • ist der Betrieb innovativer,
  • wird mehr in die Zukunft investiert.

Als Sprachrohr der Beschäftigten und Bindeglied zwischen Belegschaft und Geschäftsführung kann ein engagierter Betriebsrat für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmerschaft und Management sorgen.

So positiv wirkt sich die betriebliche Mitbestimmung aus

Die durch den Betriebsrat repräsentierte betriebliche Mitbestimmung bietet einen vielfältigen gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen. Sie sorgt für einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen, verhindert unproduktive Konflikte und trägt dazu bei, den sozialen Frieden zu sichern. Darüber hinaus liegt die Bruttowertschöpfung von Unternehmen mit Betriebsrat höher als von Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung.

Beteiligungstatbestände: Faustpfand des Betriebsrats im Kampf für Arbeitnehmerinteressen

Die dem Betriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Beteiligungsrechte berechtigen ihn zur Mitwirkung und Mitbestimmung bei Entscheidungen des Arbeitgebers in sozialen (§ 87 BetrVG), personellen (§§ 92-105 BetrVG) und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106-113 BetrVG) sowie beim Thema Arbeits- und Umweltschutz einschließlich der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§§ 89-91 BetrVG). Die in der betrieblichen Praxis erfahrungsgemäß relevantesten Mitbestimmungs- und Mitwirkungstatbestände sind:

  • 87 BetrVG (Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten)
  • 99 BetrVG (Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen)
  • 102 BetrVG (Mitbestimmung bei Kündigungen)
  • § 96 ff. BetrVG (Mitwirkung bei der Berufsbildung)
  • 91 BetrVG (Mitwirkung bei der Personalplanung)
  • 111 BetrVG (Mitwirkung bei Betriebsänderungen)
  • 80 Abs. 2 BetrVG (Informationsrecht zur sachgerechten Ausübung der allgemeinen Aufgaben)
  • 87 BetrVG verschafft Betriebsrat „echtes“ Mitbestimmungsrecht

Von besonderer Bedeutung für die Betriebsratsarbeit ist das Mitbestimmungsrecht aus § 87 BetrVG. Die herausragende Stellung dieser Vorschrift rührt daher, dass der Betriebsrat auf ihrer Grundlage wesentliche betriebliche Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber, d. h. gleichberechtigt, mitgestalten kann. Diese stärkste Form der Beteiligung des Betriebsrats bei Maßnahmen des Arbeitgebers wird auch als „echte“ Mitbestimmung bezeichnet. Sie ist dadurch charakterisiert, dass keine Seite wirksam ohne die andere handeln kann.

Mit anderen Worten darf der Arbeitgeber eine von ihm geplante Maßnahme nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Gäbe es bei den Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz eine Rangfolge, würde § 87 BetrVG wohl die Spitzenposition einnehmen. Bereits aus dem umfangreichen Katalog der Vorschrift (14 Mitbestimmungstatbestände) wird die Bedeutung dieser zentralen Vorschrift deutlich.

Betriebsräte sollten Rechtsweg nicht scheuen

Die genaue Kenntnis der wesentlichen Beteiligungstatbestände ist für eine erfolgreiche Betriebsratsarbeit unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund sollte jedes Betriebsratsmitglied zumindest den Inhalt, den Anwendungsbereich sowie die Voraussetzungen der oben genannten Beteiligungstatbestände kennen. Eine erfolgreiche Betriebsratstätigkeit erfordert jedoch nicht nur die Kenntnis der eigenen Rechte, sondern auch den Willen, diese im Konfliktfall über die Einigungsstelle und ggf. auch auf dem Rechtsweg konsequent durchzusetzen.

Die Mitbestimmungstatbestände in § 87 Abs. 1 BetrVG verschaffen dem Betriebsrat in den dort beschriebenen Angelegenheiten ein erzwingbares Initiativrecht. Dieses Recht ermöglicht es dem Gremium, unabhängig von den Vorstellungen und Absichten des Arbeitgebers eigene Regelungen zu erarbeiten, vorzuschlagen und durchzusetzen.

Übersicht: Positive Aspekte der betrieblichen Mitbestimmung

Betriebliche Mitbestimmung …

  • begrenzt und kontrolliert wirtschaftliche Macht und Willkür
  • fördert die Sozialverträglichkeit unternehmerischen Handelns
  • fördert den Betriebsfrieden
  • unterstützt gute Unternehmensführung durch höhere Akzeptanz von Managemententscheidungen in der Belegschaft
  • senkt Transaktionskosten durch die Bündelung von Verhandlungen mit dem Betriebsrat
  • unterstützt den Strukturwandel
  • sichert einen kooperativen Unternehmenspfad und verbessert das Betriebsklima als wichtige Voraussetzung für Innovation
  • wirkt als vertrauensbildende Maßnahme und gewährleistet, dass sich die Innovation nicht gegen die Beschäftigten auswirkt.
Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)