01.07.2014

Löschung von intimen Aufnahmen nach Beziehungsende

In ihrer gemeinsamen Beziehung fertigte der Partner, seines Zeichens Fotograf, zahlreiche intime Fotos und Videos seiner Partnerin an. Diese Aufnahmen zeigten sie unbekleidet, teilweise bekleidet sowie vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr. Nach dem Ende der Beziehung leitete der Ex-Partner einige der Aufnahmen an den Ehemann seiner Ex-Partnerin per E-Mail weiter. Dagegen wandte sich der Ehemann, während die Ex-Partnerin und Ehefrau zugleich die Löschung aller sie darstellenden Aufnahmen verlangte – damit hatte sie nur teilweise Erfolg vor dem Oberlandesgericht Koblenz.

Löschung von intimen Aufnahmen nach Beziehungsende

In seinem Urteil vom  20. Mai 2014 musste das Oberlandesgericht Koblenz (OLG Koblenz, Az. 3 U 1288/13) als Berufungsinstanz die Frage beantworten, ob und in welchem Umfang nach dem Ende einer Liebesbeziehung ein Löschungsanspruch zugunsten der Ex-Partnerin bzgl. der während der Beziehung entstandenen Fotos und Videoaufnahmen besteht.

Einvernehmliche Foto- und Filmaufnahmen

Während der Liebesbeziehungen entstanden zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen der Partnerin. Neben intimen Fotos entstanden dabei auch Aufnahmen der Partnerin bei alltäglichen Handlungen ohne jeden intimen Bezug. Auch die Partnerin selbst erstellte teilweise intime Fotos, die sie ihrem damaligen Partner in digitaler Form überließ.

Weiterleitung von intimen Aufnahmen an den Ehemann

Nach dem Ende der Beziehung leitete der Ex-Partner und Fotograf verschiedene ihm von der Ex-Partnerin überlassene E-Mails an die Firmenadresse des Ehemanns per E-Mail weiter. Dadurch erhielten Mitarbeiter die Möglichkeit, diese E-Mails einzusehen.

Sperre gegen E-Mails des Ex-Partners

Gegen die Übersendung richtete der Ehemann zunächst eine technische Sperre dergestalt ein, dass E-Mails vom Ex-Partner blockiert wurden. Der Ex-Partner aber umging diese Blockade, indem er neue E-Mail-Adressen anlegte und über diese E-Mail-Accounts entsprechende E-Mails versandte.

Einstweilige Verfügung gegen Übersendung an Ehemann

Um sich gegen die weitere Übersendung solche E-Mails zur Wehr zu setzen, beantragte der Ehemann eine einstweilige Verfügung vor dem Amtsgericht Frankfurt, die es dem Ex-Partner untersagte, an den Ehemann weiterhin E-Mails zu senden.

Ex-Partnerin verlangt u.a. Unterlassung

Die Ex-Partnerin verlangte daraufhin vor Gericht u.a. die Unterlassung der Zugänglichmachung der während der Beziehung gefertigten bzw. von ihr – per E-Mail, Textnachrichten, Skype oder SMS – überlassenen Texte, Foto- und Filmaufnahmen gegenüber Dritten sowie allgemein gegenüber der Öffentlichkeit ohne ihre Einwilligung.

Teileinigung vor Landgericht

Im entsprechenden Verfahren vor dem Landgericht einigten sich die Ex-Partner in der mündlichen Verhandlung auf einen Teilvergleich. Der Ex-Partner und Fotograf erkannte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch an, während die Ex-Partnerin ihre weitergehenden Anträge zurücknahm.

Streitpunkt: Löschungsanspruch

Keine Einigung erzielten die Ex-Partner im Hinblick auf den von der Ex-Partnerin geltend gemachten Löschungsanspruch. In diesem verlangte die Ex-Partnerin, dass alle im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Ex-Partners befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke der Foto- und Filmaufnahmen von diesem vollständig zu löschen seien. Der Ex-Partner sah indessen dafür keine Grundlage und beantragte, den Löschungsanspruch abzuweisen.

Entscheidung vor dem Landgericht

Das zur Entscheidung angerufene Landgericht folgte dem Antrag der Ex-Partnerin nur teilweise. Es seien nämlich nicht sämtliche Foto- und Filmaufnahmen zu löschen, sondern nur jene, auf denen die Ex-Partnerin

  • in unbekleidetem Zustand,
  • in teilweise unbekleidetem Zustand, soweit der Intimbereich der Klägerin (Brust und/oder Geschlechtsteil) zu sehen sei,
  • lediglich ganz oder teilweise nur mit Unterwäsche bekleidet,
  • vor/während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr,

abgebildet sei.

Begründung für die Entscheidung des Landgerichts

Als Begründung führte das Landgericht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an. Zwar seien die Aufnahmen zunächst mit dem Einverständnis der Ex-Partnerin entstanden, so dass kein rechtswidriger Eingriff in das Recht am eigenen Bild vorliege. Denn ein Einverständnis in die Herstellung solcher Aufnahmen umfasse auch die Einwilligung, dass ein anderer die erlaubterweise hergestellten Aufnahmen in Besitz habe und über sie verfügen dürfe.

Widerruf unter besonderen Umständen möglich

Allerdings könne die Ex-Partnerin auf Grundlage ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Einwilligung zur Veröffentlichung widerrufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die weitere Geltung der Einwilligung in Widerspruch zu den geschützten Belangen des Abgebildeten stehe. In diesem Fall könne zwar die Anfertigung nicht rückwirkend rechtswidrig sein. Jedoch habe ein Widerruf die Wirkung, dass nunmehr die Befugnis des Ex-Partners entfalle, über die Aufnahmen weiterhin zu verfügen.

Widerruf für intime Aufnahmen angezeigt

Im konkreten Fall räumte das Landgericht der Ex-Partnerin das Recht ein, einen Widerruf hinsichtlich der intimen Aufnahmen zu erklären. Denn diese Aufnahmen beträfen den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, für den ein besonderer Schutz notwendig sei. Gerade die intimen Aufnahmen seien nämlich geeignet, das Ansehen der Ex-Partnerin gegenüber Dritten in erheblicher Weise zu beeinträchtigen. Dabei folge allein aus der Existenz solcher Aufnahmen die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Aufnahmen auch ohne (gewolltes) Zutun des Ex-Partners in falsche Hände gelangten – z.B. durch Entwendung des Rechners oder entsprechender Speichermedien.

Vertrauen in sorgfältige Verwahrung nicht ausreichend

Dies spreche im Ergebnis dafür, der Ex-Partnerin das Recht einzuräumen, nach Beendigung der Beziehung über das Schicksal der sie in intimen Situationen zeigenden Aufnahmen zu entscheiden. Andernfalls bliebe ihr nur die Möglichkeit, auf die sichere Verwahrung durch den Ex-Partner zu vertrauen, was ihr angesichts der Brisanz der Aufnahmen aber nicht zuzumuten sei.

Ex-Partner zeigt Sorglosigkeit

Dies gelte nicht zuletzt auch deswegen, weil der Ex-Partner bereits wiederholt vertrauliche E-Mails mit intimen Inhalten an den Firmen-E-Mail-Account des Ehemanns geschickt und dadurch selbst dazu beigetragen hatte, dass Dritte von den Aufnahmen Kenntnis nehmen können. Auch wenn der Ex-Partner dies nicht beabsichtigt hatte, zeige dies doch eine gewisse Sorglosigkeit mit den Aufnahmen.

Grundlage für Fortgeltung der Einwilligung entfallen

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Grundlage für die während der Beziehung entstandenen Aufnahmen mit dem Ende der Beziehung entfallen sei. Dabei stünden auch überwiegende Interessen des Ex-Partners nicht entgegen. Dieser habe kein Entgelt für die Fotos und Filme geleistet; auch ein etwaiges künstlerisches Interesse inkl. Erinnerungswert seien im Verhältnis zum Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Ex-Partnerin nur von ungeordnetem Gewicht. Zudem seien von der Löschung nicht solche Aufnahmen umfasst, die in Alltags- und Urlaubssituationen entstanden seien.

Der Streit geht in die Berufungsinstanz

Gegen die Entscheidung des Landgerichts gingen beide Ex-Partner vor dem Oberlandesgericht Koblenz an: Die Ex-Partnerin verlangte nach wie vor die vollständige Löschung aller Foto- und Filmaufnahmen, während sich der Ex-Partner auch gegen die nur teilweise Löschung der intimen Aufnahmen wandte.

Berufungsbegründung des Ex-Partners

Der Ex-Partner begründete seine Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts insbesondere damit, dass sein eigenes Persönlichkeitsrecht nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, insbesondere im Lichte der Kunstfreiheit und des Kunsturhebergesetzes. Gerade als Fotograf stehe es ihm zu, weiterhin über die ursprünglich einvernehmlich entstandenen Aufnahmen zu verfügen. Dabei stelle die Verurteilung zur Löschung einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie dar, es handle sich um eine enteignende Maßnahme. Unberücksichtigt bleibe dabei auch, dass die Ex-Partnerin entsprechende intime Aufnahmen selbst angefertigt und ihm geschenkt habe.

Berufungsbegründung der Ex-Partnerin

Nach Einschätzung der Ex-Partnerin habe das Landgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – bei der Begrenzung des Löschungsanspruchs auf intime Aufnahmen – nicht ausreichend beachtet. Darüber hinaus hätte das Landgericht auch die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) übersehen.

Die Entscheidung des OLG Koblenz

Im Ergebnis bestätigt das OLG Koblenz inhaltlich die Entscheidung der Vorinstanz in vollem Umfang und erteilt beiden Berufungen eine Absage. Das Landgericht habe der Ex-Partnerin zu Recht einen Löschungsanspruch der sich im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Beklagten befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke im bezeichneten Umfang zugesprochen.

BDSG nicht anwendbar

Das OLG Koblenz stellt entgegen der Auffassung der Ex-Partnerin fest, dass das Bundesdatenschutzgesetz im konkreten Fall keine Anwendung fände, da es sich im Streitfalle um einen rein privaten Sachverhalt handle. Dies folge aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 27 BDSG, wonach für  „ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ anfallende Daten das BDSG nicht anwendbar ist.

Kein umfassender Löschungsanspruch

Einen umfassenden Löschungsanspruch, der über die intimen Aufnahmen hinausgeht, lehnt das OLG Koblenz ebenfalls ab. Denn solche Aufnahmen, die die Klägerin in bekleidetem Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigen, tangierten das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einem geringeren Maße und seien daher weniger geeignet, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten zu beeinträchtigen. Es sei vielmehr allgemein üblich, dass bei bspw. bei Feiern, Festen und in Urlauben Fotos von Personen in deren Einverständnis gemacht werden und mit diesem Einverständnis zugleich das Recht eingeräumt werde, diese Fotos auf Dauer besitzen und nutzen zu dürfen.

Kunstfreiheit steht nicht entgegen

Auch der Einwand des Ex-Partners im Hinblick auf die Kunstfreiheit verfängt beim OLG Koblenz nicht. Denn die streitgegenständlichen Aufnahmen werden nicht etwa dadurch öffentlich, dass sich der Beklagte auf die Kunstfreiheit beruft und diese „auf kommunikative Sinnvermittlung nach außen gerichtet ist“. Zwar hätten die Aufnahmen (auch) einen künstlerischen Stellenwert. Allerdings seien die Aufnahmen unstreitig ausschließlich zu persönlichen bzw. privaten Zwecken gefertigt worden und gerade nicht für Dritte vorgesehen worden. Insofern entfalle auch ein Schutz unter Berücksichtigung des künstlerischen Wirkbereiches, zumal der Ex-Partner ja bereits durch die Teileinigung selbst anerkannt hatte, die Aufnahmen nicht ohne Einwilligung der Ex-Partnerin Dritten zugänglich zu machen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Kunstfreiheit (entgegen dem Wortlaut aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz) nicht schrankenlos gewährleistet werde.

Widerruf muss möglich sein

Im Ergebnis bestätigt das OLG Koblenz auch die Möglichkeit eines Widerrufs. Auch wenn der Widerruf und die Rechtsnatur der Einwilligung im Einzelnen umstritten sei, müsse bei wesentlich veränderten Umständen, die auf einer gewandelten inneren Einstellung beruhen ein Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung möglich sein. Daher sei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten Vorrang vor dem Umstand zu gewähren, dass er der Anfertigung der Lichtbilder zu irgendeinem Zeitpunkt einmal zugestimmt habe. Dies gelte gerade für solche Lebenssachverhalte, in denen der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts – so wie vorliegend bei intimen Aufnahmen der Fall – betroffen sei.

Grundrechte des Ex-Partners treten zurück

Angesichts der hohen Bedeutung des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts und der Gefahr erheblicher Beeinträchtigungen des Ansehens der Ex-Partnerin würden auch die betroffenen Grundrechte des Ex-Partners zurücktreten. Weder unter dem Gesichtspunkt der Kunstfreiheit, der Eigentumsgarantie bzw. im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit sei eine weitere Verfügungsmöglichkeit über die intimen Aufnahmen zu rechtfertigen. Im Übrigen sei die grundgesetzlich gewährleistete Berufsausübung als Fotograf überhaupt nicht tangiert.

Zweckbestimmte Einwilligung

Nach Auffassung des OLG Koblenz ist die Einwilligung in die Erstellung und die damit verbundene Nutzung der intimen Aufnahmen im Ergebnis zeitlich auf die Dauer der zwischen den Parteien bestehenden Beziehung beschränkt. Es handele sich damit um eine nur zweckbestimmte Einwilligung.

Fazit: Entscheidung überzeugt

Die Entscheidung des OLG Koblenz überzeugt im Ergebnis: Es kann nicht sein, dass eine einmal erteilte Einwilligung in die Herstellung von intimen Aufnahmen im privaten Kontext nicht mehr aus der Welt zu bekommen ist. Denn eine Einwilligung ist ihrerseits in einen bestimmten Kontext eingebettet. Wenn sich dieser aber grundlegend verändert, d.h. insbesondere die Beziehung als Basis und „Vertrauenswährung“ für solche Aufnahmen nicht mehr besteht, so muss nicht nur eine Handhabe gegen die erteilte Einwilligung möglich, sondern auch ein sicherer Schutz gegen eine weitere – auch unfreiwillige – Verbreitung gewährleistet sein.

Das Urteil des OLG Koblenz vom 20.05.2014 (Az.: 3 U 1288/13) ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/7qe/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&doc.id=KORE213342014&doc.part=L

Autor*in: Peer Lambertz (Peer Lambertz ist Rechtsanwalt und Datenschutz-Experte.)