17.06.2015

Mindestlohn auch bei Krankheit und an Feiertagen

Der Mindestlohn sorgt weiterhin für Zündstoff. Immer mehr Fälle landen vor den Arbeitsgerichten, weil die Frage, in welchen Konstellationen der Arbeitgeber Mindestlohn zahlen muss, zunehmend für Streit in den Betrieben führt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt ein Urteil mit Signalwirkung gefällt, indem es der Praxis einiger Arbeitgeber einen Riegel vorschob, den Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen. Mit anderen Worten gibt es den Mindestlohn auch für Krankzeiten und an Feiertagen. (BAG, Urteil vom 13.05.2015, Az.: 10 AZR 191/14)

Mindestlohn

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Eine Arbeitnehmerin war bei einem Ausbildungsträger als pädagogische Mitarbeiterin beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis kam der „Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal (TVMindestlohnPäda 2)“. Danach belief sich der Mindestlohn in diesem Bereich auf 12,60 € brutto pro Stunde. Der Arbeitgeber zahlte diesen Mindestlohn zwar für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Urlaubszeiten, nicht jedoch für krankheitsbedingte Ausfallzeiten und Feiertage. Auch die Urlaubsabgeltung vergütete er gemäß dem niedrigeren vertraglich vereinbarten Tarif. Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen diese Vorgehensweise. Sie zog vor Gericht und forderte den Arbeitgeber auf, ihr für krankheitsbedingte Fehlzeiten, Feiertage und Urlaubsabgeltung einen Betrag von rund 1.000 € nachzuzahlen. Dabei berief sie sich auf den „TVMindestlohnPäda 2“.

Das sagt das Gericht

Das BAG gab ihr Recht. Arbeitnehmer haben laut Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für Arbeitszeiten, die wegen Krankheit oder Feiertag ausfallen, Anspruch auf diejenige Vergütung, die sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten (sogenanntes Entgeltausfallprinzip). Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäß dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen. Das gilt auch für die Fälle, in denen sich die Höhe der Vergütung nach einer Mindestlohnregelung richtet, die keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. In diesen Fällen darf der Arbeitgeber nicht auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung zurückgreifen.

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Egal, ob MiLoG oder TVMindestlohn-Päda 2 – als Betriebsrat haben Sie darüber zu wachen, dass Ihr Arbeitgeber alle in Ihrem Betrieb zugunsten Ihrer Kolleginnen und Kollegen geltenden gesetzlichen und tariflichen Regelungen einhält. Haben Sie den begründeten Verdacht, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung von Beschäftigten gekommen ist, können Sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG Einblick in die Bruttolohn- und Gehaltslisten nehmen. Sollte sich danach bestätigen, dass Ihr Arbeitgeber falsch eingruppiert bzw. bezahlt hat, müssen Sie ihn zur Korrektur und Bezahlung in richtiger Höhe auffordern.

Wichtiger Hinweis

Die Entscheidung des BAG kann nach Meinung von Arbeitsrechtsexperten auch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) übertragen werden, weil auch das MiLoG die Frage nicht regelt, ob der gesetzliche Mindestlohn für Fehlzeiten wegen Krankheit und/oder Urlaub gelten soll. Diese Gesetzeslücke ist nach Meinung der Bundesrichter unerheblich, weil der Mindestlohnanspruch in solchen Fällen nicht aus dem MiLoG, sondern aus dem EFZG bzw. BUrlG folgt.

Nicht alle haben Anspruch auf Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 18. Damit Sie als Betriebsrat Ihre Kontrollfunktion gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sachgerecht erfüllen können, ist es wichtig zu wissen, welche Personengruppen keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben.

Übersicht: Ausnahmen vom Mindestlohn

  • Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG)
  • ehrenamtlich tätige Personen
  • Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung
  • Selbstständige
  • in Werkstätten beschäftigte Menschen mit Behinderung
  • Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
  • Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum nach Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung leisten
  • Praktikanten, die ein Orientierungspraktikum von bis zu drei Monaten vor Berufsausbildung oder Studium leisten
  • Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten (ab dem vierten Monat besteht Anspruch auf Mindestlohn)
  • Berufseinstiegs- und Vorbereitungsqualifizierungen
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung
  • Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten
Autor*in: Redaktion Mitbestimmung