23.03.2023

Gelegentliches Überschreiten der 520-Euro-Grenze wird toleriert!

520 Euro – kein Cent mehr. Bislang ist das die eiserne Grenze für Minijobber, über die hinaus sie monatlich keinen Lohn erhalten durften, wollten sie nicht versicherungspflichtig sein. Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht: ein Überschreiten dann und wann ist akzeptabel.

Überschreiten der 520-Euro-Grenze

Worum handelt es sich bei dieser „eisernen Grenze“ von 520 Euro?

Mini- und Midijobs sind für zahlreiche Menschen eine willkommene Aufstockung der Rente oder überhaupt die Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen. Bisher bestanden strenge Grenzen, innerhalb derer die Beschäftigung erfolgen konnte. Seit Oktober 2022 sind mit dem „Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ Änderungen in Kraft getreten:

  • zum Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde und auf 520 Euro monatlich
  • für geringfügige Beschäftigungen
  • für Beschäftigungen im Übergangsbereich
  • für Mini- und Midijobber
  • Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen

Was geschieht bei unvorhersehbarem Überschreiten der Entgeltgrenze?

Damit besteht die Möglichkeit eines unvorhersehbaren Überschreitens der Entgeltgrenze. Um Missbrauch zu vermeiden, unterliegt diese Regelung einer starken Einschränkung. So wird die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben, beginnend bei der Untergrenze von 520,01 Euro. Arbeitnehmer, die bereits vor dem und am 30. September 2022 als Midijobber mit einem Arbeitsentgelt bis zu 520 Euro im Monat beschäftigt waren, bleiben auf Basis von Bestandschutzregelungen längstens bis 31. Dezember 2023 unter den alten Midijob-Bedingungen versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Sie können allerdings die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen. In der Rentenversicherung gilt das nur für Beschäftigungen in Privathaushalten.

Was konkret bezweckt der Gesetzgebung mit seinen Regelungen?

Sie sollen

  • sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit geringem Arbeitsentgelt im Übergangsbereich stärker entlasten, als es die frühere Midijob-Regelung ermöglichte,
  • den Übergang vom Minijob zum Midijob erleichtern und
  • den Anreiz für Minijobber erhöhen, ihre Arbeitszeit über die Minijob-Grenze hinaus auszuweiten.

Auf der anderen Seite erfahren Sie als Arbeitgeber eine zunächst stärkere Belastung als früher. Ihr Arbeitgeberbeitrag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze wird zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 Prozent angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen. Dieser gleitenden Berechnung des Zeitjahres sollten sie als Arbeitgeber besondere Aufmerksamkeit widmen! Rechnen Sie zurück, beginnend mit dem Kalendermonat, für den die aktuelle Beurteilung des Versicherungsstatus erfolgt!

Was hat der Gesetzgeber an der Geringfügigkeit geändert?

  • die Formel zur Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahme, nach der sich der Gesamtbeitrag für jeden Versicherungszweig bemisst, angepasst und
  • eine neue Formel allein zur Berechnung der Arbeitnehmeranteile eingeführt.

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Als monatliche Geringfügigkeitsgrenze hat der Gesetzgeber 520 Euro bestimmt. Sie kommt auch dann zur Anwendung, wenn eine Beschäftigung nicht über einen ganzen Monat andauert. Entscheidend ist bei der Beurteilung ist zweierlei: die Beschäftigung ist regelmäßig

  • nicht nur gelegentlich
  • nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung für den Beschäftigten.

Was bedeutet der Begriff „regelmäßig“ in diesem Zusammenhang?

Eine vorausschauende Betrachtung. Man unterstellt auf Grundlage einer realistischen prognostischen Beurteilung damit, dass die Beschäftigung nicht nur bisher so beschaffen war, sondern auch fürderhin es sein wird. Kommt es entgegen der realistischen prognostischen Beurteilung zu einer Überschreitung der 520-Euro-Grenze, so tritt vom Tage des Überschreitens an die Versicherungspflicht ein in der:

  • gesetzlichen Kranken-,
  • Pflege-,
  • Renten- und
  • Arbeitslosenversicherung.

Für die zurückliegende Zeit verbleibt es bei der Versicherungsfreiheit. Zu den seit diesem Jahr 2023 geltenden neuen Rechengrößen der Sozialversicherung lesen Sie unseren Beitrag „Sozialversicherung: Die neuen Rechengrößen 2023“. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung hat Hinweise bezüglich der Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze veröffentlicht. Für die tägliche Praxis sind diese Hinweise notwendig, um richtig beurteilen zu können, ob ein Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig oder versicherungsfrei ist.

Nachfolgend gehen wir auszugsweise auf die wichtigsten Änderungen ein. Die gegen Arbeitsentgelt mehr als geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer unterliegen demnach grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Der Gesetzgeber hat den Kreis der Versicherungspflichtigen in der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits danach abgegrenzt, welcher Personenkreis für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist, und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen.

Was wird als Arbeitsentgelt definiert?

Zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt gehören alle Einnahmen, die Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung darstellen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mindestens einmal jährlich gezahlt werden. Neben dem laufenden Arbeitsentgelt sind also auch regelmäßig gewährte Sonderzuwendungen bzw. Einmalzahlungen bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgelts zu berücksichtigen, wenn sie mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich erwartet werden können. Ferner sind Vergütungen für vertraglich vorgesehene Bereitschaftsdienste in die Berechnung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts miteinzubeziehen (BSG, Urteile vom 09.12.1981, Az.: 12 RK 19/81 und 12 RK 20/81).

Was, wenn der Lohn mal so und mal so ausfällt?

Hier spricht man von einer unregelmäßigen Betrachtungsweise, die von einem Abweichen des Lohnes von Monat zu Monat ausgeht. In diesem Fall kommt man nicht um eine gewissenhafte Schätzung herum.

Und was, wenn der Lohn nur manchmal höher ausfällt?

Überschreitet der monatliche Lohn nicht regelmäßig, sondern nur ausnahmsweise und unvorhersehbar in einigen Kalendermonaten die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro, ohne dass das dauerhaft beabsichtigt ist, hat das unter bestimmten Voraussetzungen keine Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Minijobs.

Was genau hat man hier geändert?

Neu geregelt ist, dass ein darüber hinausgehendes Überschreiten des Grenzbetrags unter Umständen hinnehmbar ist. Bedingung ist: Der betreffende Monatslohn

  • ist höchstens doppelt so hoch wie der Grenzbetrag der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro, also höchstens 1.040 Euro,
  • nur gelegentlich,
  • nicht vorhersehbar.

Überschreitungen der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro in einzelnen Kalendermonaten stellen kein Problem dar, solange das Jahresentgelt bei der Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts nicht 6.240 Euro (zwölf Kalendermonate mal 520 Euro) nicht überschreitet.

Was heißt „gelegentlich“?

Der Gesetzgeber stuft hier einen Zeitraum von bis zu zwei Kalendermonaten, also zwei Entgeltabrechnungszeiträume innerhalb eines Zeitjahrs als akzeptabel ein. Den Jahreszeitraum erhalten Sie, indem Sie vom letzten Tag des zu beurteilenden Beschäftigungsmonats ein Jahr zurückrechnen. Bei der Beurteilung des Sachverhalts brauchen Sie die Monate, in denen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze vorhersehbar überschritten wurde, nicht zu berücksichtigen, etwa wenn ein Minijobber in einem Monat saisonale Mehrarbeit geleistet hätte.

Was heißt „unvorhersehbar“?

Als unvorhersehbar gilt die Zahlung eines Arbeitsentgelts, das Sie als Arbeitgeber bei Ihrer vorausschauenden Jahresbetrachtung zur Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts nicht mit hinreichender Sicherheit berücksichtigen konnten, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war. Darunter fallen beispielsweise:

  • Mehrarbeit aus unvorhersehbarem Anlass z.B. bei Krankheitsvertretung oder bei plötzlichem Todesfall eines Kollegen
  • Einmalzahlungen, die dem Grunde und der Höhe nach vom Geschäftsergebnis oder von einer individuellen Arbeitsleistung des Vorjahrs abhängen.

Angenommen, Sie haben einen Gastro-Betrieb. Als Arbeitgeber beschäftigen Sie einen Kellner auf Minijob-Basis in Ihrer Gaststätte. Er erhält für seine Arbeit einen monatlichen Lohn von 520 Euro. Im Januar und Februar fällt ein Kollege von ihm krankheitsbedingt aus. Er vertritt ihn in diesen beiden Monaten. Für die Vertretung erhält er in den beiden Monaten zusätzlich jeweils 520 Euro Lohn. Dann ist der Krankheitsausfall ist unvorhergesehen. Es verbleibt beim Minijob, weil der Lohn nur in den Monaten Januar und Februar überschritten wurde. Hier bringen Sie in der Personalakte des Aushilfskellners tunlich einen Hinweis an, wen er vertreten hat.

Ist Urlaubnehmen ein unvorhersehbares Ereignis in diesem Zusammenhang?

Nein, geht ein anderer Arbeitnehmer in den Urlaub und wird eine Vertretung dafür benötigt, gilt das nicht als unvorhergesehen, weil Urlaub planbar ist. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Urlaub. Endet sein Arbeitsverhältnis mit Ihnen als Arbeitgeber und er konnte seinen Urlaub nicht mehr nehmen, entgelten Sie ihm entgangenen Urlaub mit Geld. Noch nach seinem Tode. Wann der Anspruch auf Urlaubsentgeltung entsteht, ob Ihr Arbeitnehmer auf seinen Anspruch auf Urlaubsentgelt verzichten kann und ob Sie als Arbeitgeber das Urlaubsentgelt kürzen können, erfahren Sie in unserem Beitrag „Wann erfolgt eine Urlaubsabgeltung?“. Nach welcher Formel Sie das Urlaubsentgelt berechnen, lesen Sie in dem Beitrag „Wie berechnet man den Mindesturlaub bei Minijobbern?“. Hier und in dem Beitrag „Urlaub: Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen“ finden Sie auch ein interessantes Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Frage, ob der Anspruch auf Jahresurlaub erlöschen kann.

Autor*in: Franz Höllriegel