02.05.2022

Diskriminierung verboten! Aber befolgt Ihr Betrieb das AGG auch?

Gesetze sind nur so viel wert wie ihre Anwendung. Das ist beim "AGG" zur Gleichbehandlung nicht anders. Wie weit klaffen Anspruch und Wirklichkeit im Bezug auf Diskriminierung in Ihrem Unternehmen auseinander? Prüfen Sie sich selbst!

Diskriminierung verboten

Ein Gesetz zur Gleichbehandlung? Was hat es damit auf sich?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt es bereits seit zwölf Jahren. Eigentlich sollten damit Diskriminierungen in den Betrieben Geschichte sein – auch in Ihrem! Besser, Sie schauen einmal bei sich nach. Die Erfahrung zeigt: die Realität sieht leider anders aus, als das Gesetz es vorschreibt. Zumal Sie als Unternehmer und/oder Personalverantwortlicher sollten die betrieblichen Abläufe immer mal wieder auf den Prüfstand stellen: diskriminieren sie noch – oder behandeln sie schon gleich?

Was bezweckt das AGG?

Es soll Benachteiligungen in den Unternehmen verhindern, egal ob aus Gründen von:

  • Rasse,
  • ethnischer Herkunft,
  • Geschlecht,
  • Religion,
  • Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter,
  • sexueller Ausrichtung.

Dies sind die Diskriminierungsmerkmale nach § 1 AGG. Es soll verhindern, dass Sie als Arbeitgeber Mitarbeiter, aber auch Ihre Mitarbeiter unter einander sich oder Dritte diskriminieren, also etwa Kunden oder Lieferanten. Sie als Arbeitgeber tragen dafür Verantwortung, dass man die Bestimmungen des Gesetzes in Ihrem Unternehmen einhält. Sie sind verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen.

Im ganzen Unternehmen?

Ja, natürlich, im ganzen Unternehmen. Es gibt aber Bereiche, in denen es erfahrungsgemäß besonders viel zu Diskriminierungen kommt. Die meisten Entschädigungsklagen, mit denen sich die Arbeitsgerichte zu beschäftigen haben, beruhen auf AGG-Verstößen im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren. Sie sollten als Personalverantwortlicher oder Arbeitgeber besonders die Abläufe bei der Personalsuche im Auge haben. Sie sollten Einstellungen von neuen Mitarbeitern systematisch und nach objektiven Kriterien vornehmen.

Wie können Sie als Personaler diskriminierungsfrei Personal suchen?

Ganz wichtig hierbei: arbeiten Sie zunächst ein ausführliches Anforderungsprofil aus.  Das ist die Grundlage für alles weitere. Ein solches Anforderungsprofil sollte enthalten:

  • die konkreten Arbeitsinhalte der zu besetzenden Stelle,
  • die für die Stelle erforderlichen Fachkenntnisse und Qualifikationen,
  • die notwendigen persönlichen Eigenschaften sowie
  • sonstige wünschenswerte Fähigkeiten oder Besonderheiten.

Damit haben Sie schon mal eine Grundlage. Dann achten Sie sorgfältig darauf, dass Sie keine unzulässigen Fragen stellen, weder in dieser Liste noch in Stellenanzeigen noch im Vorstellungsgespräch. Immer noch finden sich in Stellenanzeigen Formulierungen, die zu Entschädigungsklagen förmlich einladen. Dazu zählen insbesondere Altersvorgaben, Vorgaben zur ethnischen Herkunft wie z. B. „Deutsch als Muttersprache“ oder fehlende Geschlechtsneutralität etwa in „Mitarbeiter m/w“.

Wer hier auf Nummer sicher gehen will, schreibt die zu besetzende Stelle mit dem Zusatz „d“ für divers aus wie z. B. „Mitarbeiter m/w/d“ oder setzt das Gendersternchen z.B. in „Mitarbeiter*“. Auch in diesem Zusammenhang ist dringend zu empfehlen, im Unternehmen üblicherweise verwendete Stellenanzeigen dahingehend zu überprüfen, ob sie den Maßstäben der aktuellen Rechtsprechung standhalten.

Was wären solche unzulässigen Fragen?

Dem Gesetz entsprechend z.B. Fragen wie:

  • Wie alt ist ein Mitarbeiter?
  • Ist eine Mitarbeiterin schwanger oder steht dergleichen zu erwarten?
  • Ist jemand verheiratet, ledig oder sonst wie in einer Partnerschaft lebend, dies planend oder nicht?
  • Fragen nach einer Kinder-/Angehörigenbetreuung, nach einer eventuellen Behinderung, nach Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit, nach Religionszugehörigkeit oder sexueller Identität.

Wie weisen Sie als Arbeitgeber Diskriminierungsfreiheit nach?

Sie sollten auf jeden Fall alles genau und sorgfältig dokumentieren. Bedenken Sie: wenn sich beispielsweise ein von Ihnen abgelehnter Stellenbewerber diskriminiert fühlt und womöglich mit einer Entschädigungsklage gegen Sie vor Gericht zieht, wäre es keine schlechte Idee, wenn Sie als Arbeitgeber lückenlos und nachvollziehbar belegen können, dass seine Ablehnung diskriminierungsfrei erfolgt ist. Hilfreich ist hier am besten bei jedem Bewerber wieder die Abarbeitung einer systematischen Liste. Prüfen Sie anhand des Anforderungsprofils zunächst:

  • erfüllt der Bewerber sämtliche Ausschreibungsanforderungen oder welche fehlen,
  • genügt seine Bewerbung professionellen Standards, also ist sie:
    • vollständig,
    • ordentlich,
    • aussagekräftig,
  • welche Abschlussnote seiner Ausbildung kann der Bewerber vorweisen,
  • bringt er Zusatzqualifikationen mit, wenn ja, welche,
  • verfügt er über einschlägige Berufserfahrung.

Bereiten Sie außerdem Vorstellungsgespräche gut vor, um:

  • möglichst viel über Ihren Stellenbewerber zu erfahren,
  • versehentliche Fragen zu vermeiden, die unzulässig sind und Diskriminierungsvorwürfe nach sich ziehen können.

Zu diesem Zweck empfiehlt sich die Ausarbeitung eines ausführlichen Fragenkatalogs. Nehmen außer Ihnen auf Ihrer Seite noch andere Personen am Vorstellungsgespräch teil, sollten Sie sie zuvor alle für absolute Diskriminierung sensibilisieren.

Tipp der Redaktion

Dieser Beitrag stammt aus unserem Beratungsbrief Personaltipp AKTUELL (Ausgabe 03/2019)

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Wie steht es mit Bewerbungsunterlagen?

Ganz wichtige Frage: Aus dem Aussehen eines Bewerbers leiten manche Personaler Rückschlüsse auf dessen Herkunft ab. Um hier sicher zu gehen, verzichten manche Arbeitgeber darauf, sich in den Bewerbungsunterlagen auch ein Foto zuschicken zu lassen. Denn wenn auf dem Lichtbild bestimmte Merkmale erkennbar sind, wegen derer eine Benachteiligung verboten ist (z. B. Kopftuch – Religionszugehörigkeit, Hautfarbe – Rasse), stehen schnell Diskriminierungsvorwürfe im Raum. Doch auch ohne Foto besteht bei jeder Personalsuche die Gefahr, dass sich sogenannte AGG-Hopper auf die ausgeschriebene Stelle bewerben, um später im Falle einer Absage Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Anhaltspunkte für eine nicht ernst gemeinte Bewerbung eines AGG-Hoppers sind Hinweise auf eine Schwerbehinderung, die Religionszugehörigkeit, die sexuelle Orientierung, eine deutliche Überqualifizierung für die ausgeschriebene Stelle, eine offensichtliche Ungeeignetheit oder eine unvollständige bzw. sehr kurz gehaltene Bewerbung. In diesen Fällen sollten Sie als Arbeitgeber die Dokumentation der Auswahlentscheidung besonders gründlich vornehmen.

Müssen Sie Daten abgelehnter Bewerber sofort löschen?

Nein, aus Bewerbungsverfahren gewonnene Daten abgelehnter Bewerber müssen Sie nicht sofort löschen. Das ist unter Juristen auch unter dem neuen Datenschutzrecht anerkannt. Gemäß § 15 AGG muss ein abgelehnter Bewerber seinen Entschädigungsanspruch innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung geltend machen und innerhalb weiterer drei Monate einklagen. Bei einer Entschädigungsklage müssen Sie sich als beklagter Arbeitgeber ja rechtssicher verteidigen können. Sie dürfen deshalb Daten und Unterlagen von Bewerbern bis zu sechs Monate aufbewahren, schon aus Rücksicht auf eventuelle Postlaufzeiten.

Spielt das AGG nur bei der Stellenbesetzung eine Rolle?

Nein, auch im betrieblichen Alltag treten Diskriminierungen mehr oder weniger offen oder versteckt auf. Beispiele wären:

  • sexuelle Belästigungen,
  • Erzählen von rassistischen oder geschlechterfeindlichen Witzen,
  • Übertragung von schweren körperlichen Arbeiten an einen Schwerbehinderten etc.

Oder nehmen Sie Bonusregelungen: Hier sollten Sie aufpassen, dass Sie in Ihrem Unternehmen dafür keine Kriterien für die Bewertung von Mitarbeitern zugrunde legen, die eine Benachteiligung nach dem AGG bedeuten würden. Wollen Sie beispielsweise damit die Bereitschaft zur Ableistung von Nachtarbeit besonders honorieren, läge darin eine mittelbare Diskriminierung werdender oder stillender Mütter; sie dürfen nach dem Mutterschutzgesetz nämlich keine Nachtarbeit leisten.

Müssen Sie nur begangene Diskriminierungen abstellen?

Nein, selbstverständlich müssen Sie auch für die Zukunft vorbeugen. Ihre Pflichten als Arbeitgeber nach dem AGG beschränken sich nicht nur darauf, bei Diskriminierungen den Betroffenen, z. B. durch Umsetzung, Abmahnung oder gar Kündigung, zu schützen. Als Arbeitgeber sind Sie grundsätzlich auch in der Pflicht, Diskriminierungen vorzubeugen. Hierzu kann es erforderlich sein, Führungskräfte und Vorgesetzte nicht nur zu sensibilisieren, sondern gegebenenfalls auch Schulungen durchzuführen. Außerdem sollten Sie alle Mitarbeiter durch ausdrückliche Verhaltensregeln auf die Einhaltung des AGG hinweisen.

Autor*in: Franz Höllriegel