04.01.2023

Betriebsaufspaltung: Änderung in der Rechtsprechung!

Keine Betriebsaufspaltung ohne personelle Verflechtung, So viel ist klar. Auseinander gehen die Meinungen über die Frage, ob dies bei einer nur mittelbar beherrschenden Beteiligung an einer Besitzgesellschaft auch gilt. Sie muss es, sagt ein BFH-Senat, andere Senate sagen, nein.

Betriebsaufspaltung Rechtsprechung

Was versteht man unter einer Betriebsaufspaltung?

Von einer solchen spricht man unter drei wichtige Voraussetzungen:

  • Überlassung wesentlicher Grundlagen für seinen Betrieb durch ein Besitzunternehmen an ein Betriebsunternehmen
  • Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswillen in beiden Unternehmen
  • personelle Verflechtung: Die hinter den beiden Unternehmen stehenden und sie beherrschenden Personen oder Gruppen sind in der Lage, in beiden ihren Willen durchzusetzen.

Ein häufig anzutreffendes Beispiel ist die Vermietung eines Grundstücks, das im Eigentum des Besitzunternehmens steht, an eine Betriebs-GmbH, die auf diesem Grundstück ihr Unternehmen betreibt. Wenn die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht gegeben sind, unterliegen die Mieteinkünfte bei dem Besitzunternehmen nicht der Gewerbesteuer.

Was hat die Betriebsaufspaltung für rechtliche Folgen?

Primär die Umqualifizierung des Besitzunternehmens:

  • Es vermietet nicht mehr: Einkünfte aus Grundstücksvermietung sind gewerbesteuerfrei.
  • Es verwaltet auch kein Vermögen, sondern
  • ist gewerblich tätig und
  • unterliegt damit der Gewerbesteuer.

Ist die Betriebsaufspaltung gesetzlich geregelt?

Nein, kein Steuergesetz regelt sie – und doch spielt sie für die Steuer eine große Rolle. Bewusst eingerichtet oder versehentlich aufgelöst: extreme Steuerrisiken lauern bei ihr immer und überall. Deren Bandbreite ist groß. Einen Guide durch ihren Dschungel finden Sie in unserem Beitrag „Betriebsaufspaltung – so geht Steuern sparen heute“. Die fortlaufende Rechtsprechung soll den Mangel an Gesetzgebung richten. Allerdings bestehen hier stets latente Unsicherheiten. Bislang war eine nur mittelbare Beteiligung an einer Besitzgesellschaft unschädlich. Das hat der Bundesfinanzhof nun tiefgreifend geändert mit seinem Urteil vom 16.09.2021 (BFH, IV-R-7/18).

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Worum ging es in dem Streit?

Es ging um eine GmbH & Co. KG als Klägerin. Sie vermietete eine ehemalige Produktionshalle, Büroräume und Nebenräume an die M-GmbH, die später zur M-GmbH & Co. KG (M-KG) mutierte. Über die H-GmbH waren beide miteinander verbunden. Die M-KG nutzte die vermietete Immobilie neben weiteren Grundstücken betrieblich. Das Mietverhältnis mit der M-KG bestand in den Streitjahren 2010 bis 2012 fort.

An der Klägerin waren im Jahr 2010 beteiligt:

  • bis zu seinem Tod der A als Kommanditist zu 50,7 Prozent
  • als Kommanditist zu jeweils zehn Prozent der B, der Y und der D
  • als Kommanditist der C zu 19,3 Prozent,
  • als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung die BV-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ebenfalls der A war.

A und B waren gleichzeitig zu 90 Prozent bzw. zehn Prozent Anteilseigner der H-GmbH, die alleiniger Kommanditist der M-KG war. Komplementär der M-KG war die V-GmbH, deren Anteilseigner zu 100 Prozent die H-GmbH war.

Nach dem Tod von A waren aufgrund eines mit Rückwirkung auf 2010 geschlossenen Auseinandersetzungsvertrags an der Klägerin beteiligt als Kommanditisten:

  • B zu 50,42 Prozent,
  • C zu 29,44 Prozent
  • D zu 20,14 Prozent;

als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung weiterhin die BV-GmbH, an der an Stelle von A jetzt B zu 60 Prozent sowie C und D zu jeweils 20 Prozent beteiligt waren. Anteilseigner der H-GmbH, die weiterhin alleinige Kommanditist der M-KG war, waren B zu 64 Prozent sowie C und D zu jeweils 18 Prozent. Komplementär der M-KG war weiterhin die V-GmbH, an der die H-GmbH unverändert zu 100 Prozent beteiligt war.

Wie waren die Stimmverhältnisse geregelt?

Die jeweiligen Satzungen der genannten GmbH enthielten auch in den Streitjahren die Regelung, dass für Gesellschafterbeschlüsse, die den Gesellschaftsvertrag oder die Auflösung der Gesellschaft betreffen, 75 Prozent aller vorhandenen Stimmen erforderlich waren. Dies galt ebenfalls für Geschäfte, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Im Übrigen reichte die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Gesellschaftsverträge der Klägerin und der M-KG sahen keine besonderen Regelungen für Gesellschafterbeschlüsse vor.

Die Beteiligungen der Kommanditisten der Klägerin an der H-GmbH wurden als deren Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin behandelt.. Die Beteiligten behandelten die Klägerin als gewerblich geprägte Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der damaligen Fassung (EStG), In den Streitjahren erzielte die Klägerin ausschließlich Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks an die M-KG.

Woran entzündete sich der Streit?

An den Gewerbesteuererklärungen der Klägerin. Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 vom 08.06.2011, für 2011 vom 18.07.2012 und für 2012 vom 06.05.2013 ergingen erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). In ihren Erklärungen machte die Klägerin zunächst nur Kürzungen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in der damals geltenden Fassung (GewStG) geltend.

In der Zeit vom 19.12.2013 bis zum 25.02.2014 fand bei ihr eine Außenprüfung statt. In deren Verlauf beantragte die Klägerin die erweiterte Kürzung gemäß Satz 2 dieser Vorschrift. Doch das interessierte den Prüfer offenbar nicht; er traf jedenfalls zur Gewerbesteuer keine Feststellungen. Nach der Außenprüfung hob das Finanzamt die in den Gewerbesteuermessbescheiden 2010 bis 2012 enthaltenen Vorbehalte der Nachprüfung durch Bescheide vom 26.06.2014 auf.

Ließ sich die Klägerin das gefallen?

Nein, sie legte gegen die Entscheide des Finanzamts Einspruch ein. Ohne Erfolg. Daraufhin erhob sie Klage. Und die hatte Erfolg. In seinem Urteil vom 24.01.2018 führte das Hessische Finanzgericht (FG 8 K 2233/15) aus, die Voraussetzungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 AO für die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in den jeweiligen Gewerbesteuermessbescheiden nach einer Außenprüfung seien nicht gegeben, dafür aber die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in den Streitjahren.

Die erweiterte Kürzung sei nicht nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen. Zudem liege keine der erweiterten Kürzung entgegenstehende mitunternehmerische Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der M-KG vor. Zwar sei im Streitfall infolge der Überlassung eines von der M-KG zu betrieblichen Zwecken genutzten Grundstücks von einer sachlichen Verflechtung auszugehen. Dem FG fehlte es an der erforderlichen personellen Verflechtung.

Die Kommanditisten der Klägerin seien zwar mit entsprechenden Mehrheitsverhältnissen an der H-GmbH beteiligt. Diese sei jedoch lediglich als Kommanditistin an der M-KG beteiligt. Damit sei sie nach § 164 des Handelsgesetzbuchs (HGB) von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die 100-prozentige Beteiligung der H-GmbH am Komplementär der M-KG, der V-GmbH, genüge nicht,

  • die Gesellschaftsanteile der V-GmbH gehörten nicht zum Sonder-Betriebsvermögen der M-KG oder deren Gesellschaftern.
  • ein Durchgriff durch eine weitere Kapitalgesellschaft sei nicht zulässig.

Dieses Durchgriffsverbot stehe überdies der Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens entgegen, soweit die an der H-GmbH und der M-KG beteiligten Personen zugleich an der Klägerin als potentieller Besitzgesellschaft beteiligt seien,

  • unmittelbar als Kommanditisten
  • mittelbar über deren Komplementär BV-GmbH.

Bei der Klägerin könne der geschäftliche Betätigungswille nur von der BV-GmbH ausgeübt werden. Darüber hinaus bestünden keine Anhaltspunkte für eine faktische Beherrschung der M-KG.

Ließ das Finanzamt das gelten?

Nein. Es hielt dem FG vor, zu Unrecht eine personelle Verflechtung und damit eine (mitunternehmerische) Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der M-KG verneint zu haben, die die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließe. Eine personelle Verflechtung liege vor, weil ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille in Besitz- und Betriebsunternehmen durchzusetzen sei. Zwar habe das FG eine Beherrschungsidentität verneint, weil die Personen um B an der Klägerin nur als Kommanditisten beteiligt gewesen seien und deren mittelbare Beteiligung an der M-KG über die H-GmbH nur eine kommanditistische Beteiligung vermittele.

Zudem sei das FG davon ausgegangen, dass die nämliche Personengruppe auch die jeweils zur Geschäftsführung berufenen Komplementär-GmbH (BV-GmbH bzw. V-GmbH) beherrsche, bei Kapitalgesellschaften aber das Durchgriffsverbot der Annahme einer Beherrschungsidentität entgegenstehe. Maßgeblich sei jedoch, wer die Auflösung des Pachtverhältnisses über wesentliche Betriebsgrundlagen bestimmen könne, die zu den Geschäften gehöre, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgeschäfts hinausgehen.

Was galt bisher?

In der bisherigen Praxis entsteht eine Betriebsaufspaltung nicht, wenn die Gesellschafter einer Betriebs-GmbH über eine weitere Kapitalgesellschaft mittelbar an der Besitz-Gesellschaft beteiligt sind. Die Beteiligungs-GmbH entfaltet in diesen Fällen eine Abschirmwirkung, die einen Durchgriff auf die Gesellschafter verhindert. Bei entsprechender Gestaltung konnten Sie als Unternehmen daher die unerwünschte Umqualifizierung in eine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit vermeiden.

Was gilt nun?

Mit seinem Urteil hat der IV. Senat des BGH die Unsicherheiten rund um die Betriebsaufspaltung vergrößert. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hat der Hof entschieden:

  • Die Beteiligung an einer lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft bestehende Besitz-Personengesellschaft kann zu einer personellen Verflechtung führen.
  • Damit sei die Umqualifizierung der Vermietungstätigkeit der Besitz-Gesellschaft möglich.
  • Diese Änderung der bestehenden Rechtsprechung erhöht zugleich die Komplexität der Betriebsaufspaltung.

Die weiteren Senate des BFH beurteilen diese Sache anders. Das macht es für die Praxis noch ein Stück weit schwieriger.

Was bedeutet das Urteil für Ihre Praxis als GmbH?

  • Sie schauen noch genauer hin und prüfen, bevor Sie sich für eine Trennung von Besitz und Betrieb entscheiden.
  • Sie bewerten bestehende Konstellationen neu.
  • Sie klopfen sie auf Risiken ab. Den Risiken einer Betriebsaufspaltung können Sie mit verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten begegnet. Entweder Sie lassen eine Betriebsaufspaltung erst gar nicht entstehen. Oder Sie vermeiden eine ungewollte Beendigung der Betriebsaufspaltung bzw. beenden die Betriebsaufspaltung, ohne stille Reserven aufzudecken.

Wählen Sie bei neuen Sachverhalten von vornherein Gestaltungen, die das Risiko einer nicht gewollten Gewerblichkeit weitgehend ausschließen. Sie haben im Übrigen als GmbH kein Wahlrecht für oder gegen. Hier gilt: Sie erfüllen die Bedingungen dafür oder nicht. Was Sie können: sich informieren, wann das eine zutrifft und wann das andere, und das vorzugsweise in unserem Beitrag „Begründung und Beendigung der Betriebsaufspaltung“.

Was bedeutet das Urteil für die Praxis der laufenden Rechtsprechung?

Wegen der Uneinigkeit der Senate beim BFH wird eine Entscheidung des Großen Senats des BFH erwartet in der Hoffnung, sie werde die Rechtsunsicherheit beseitigen.

Autor*in: Franz Höllriegel