16.06.2016

Prozessumgebung: Das fordert die ISO 9001:2015

Im Abschnitt 7.1.4 fordert die neue ISO 9001:2015, dass eine Organisation die Umgebung bestimmt, bereitstellt und aufrechterhält, die für die Durchführung ihrer Prozesse und zum Erreichen der Konformität von Produkten und Dienstleistungen benötigt wird. Gegenüber der Norm in der alten Fassung wurden die Anforderungen konkretisiert und enger gefasst. Hier erfahren Sie, wie Sie die neuen Anforderungen umsetzen und was Sie dabei beachten sollten.

Getränkeabfüllung

Um welche Faktoren geht es?

Gemäß der Anmerkung in der ISO 9001:2015 bezieht sich die Prozessumgebung auf soziale, psychologische und physikalische Faktoren sowie auf eine Kombination davon. Wichtig ist, dass es hier nicht primär um die Belange von Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit geht, sondern um die Sicherstellung der Konformität Ihrer Produkte und Dienstleistungen.

Gemeint sind also die Bedingungen der Prozesse während der Produktrealisierung und Lieferung bis zur Eigentumsübergabe an Ihre Kunden.

Analysieren Sie Ihre Prozessumgebung

Zunächst ermitteln Sie, wie empfindlich Ihre Produkte und Dienstleistungen auf die Umgebungsbedingungen reagieren.

Bei welchen Faktoren sind die Auswirkungen am größten und am geringsten, bzw. welche Faktoren haben Auswirkungen auf die Produkt- und Dienstleistungsrealisierung?

Beginnen Sie mit den physischen Umgebungsfaktoren: Dazu gehören nicht nur die Lichtverhältnisse und Lärmimmissionen, z.B. durch Maschinen, sondern auch Staub, Schmutz, Vibrationen, elektromagnetische Strahlung und das Raumklima (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftzug). Hier sollten Sie prüfen, bei welchen Faktoren bestimmte Schwellenwerte oder Toleranzbereiche zu beachten sind. Bedenken Sie, dass physische Faktoren nicht nur Materialeigenschaften sowie Fertigungsmaschinen und -verfahren, sondern auch die mentale Konzentration Ihrer Mitarbeiter negativ beeinflussen können.

Ermitteln Sie belastende Arbeitsbedingungen

Mindestens genauso wichtig für Sie ist die Offenlegung jener psychologischen und sozialen Faktoren, die die Arbeitsbedingungen bei Ihren Führungskräften und Mitarbeitern erschweren. Derartige Elemente sind insbesondere Stress, eine hohe Arbeitsverdichtung, Schichtarbeit bzw. maschinenbestimmte Arbeitszeiten, monotone Arbeit, Zeitdruck, häufige Arbeitsunterbrechungen sowie komplexe Informationsverarbeitung.

Identifizieren Sie soziale Belastungsfaktoren

Bedeutende soziale Belastungsfaktoren entstehen insbesondere bei einer unzureichenden Kommunikation, beim Auftreten von Konflikten sowie bei diskriminierenden und ausgrenzenden Verhaltensweisen von Mitarbeitern. Um Faktoren zu erfassen, die auf belastende Arbeitsbedingungen hindeuten, z.B. eine zurückgehende Arbeitszufriedenheit und Motivation bei den Mitarbeitern, sollten Sie Arbeitssituationsanalysen erstellen. Instrumente dazu sind Beobachtungen oder Mitarbeiterbefragungen, bei denen Ihre Beschäftigten problematische oder belastende Aspekte der Arbeitssituation direkt benennen und subjektiv gewichten können.

Auf Sauberkeit und Ordnung achten

Die Bereitstellung einer geforderten Prozessumgebung beginnt mit Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz.

Dazu gehört nicht nur die regelmäßige Reinigung, sondern auch die Einhaltung von Hygienevorschriften. Außerdem werden in einigen Branchen, z.B. in der Elektroindustrie, hohe Anforderungen an Stoffreinheitsgrade gestellt. Auch Unordnung aufgrund einer mangelnden Arbeitsorganisation kann die Produkt- und Dienstleistungskonformität beeinträchtigen, beispielsweise lange Wartezeiten, die durch eine ständige Suche nach Gegenständen und durch blockierte Arbeitsbereiche bzw. Wege verursacht werden. Daher sollten Sie Ihre Mitarbeiter immer zu Sauberkeit und Ordnung an ihren Arbeitsplätzen anhalten.

Lärm: Geräuschimmissionen in Grenzen halten

Insbesondere in Industrieunternehmen sind hohe Lärmimmissionen oftmals ein Problem. Ansätze zur Verringerung bestehen für Sie nicht nur in der Anschaffung von lärmarmen Arbeitsmitteln wie Maschinen und Werkzeugen.

Auch bauliche Maßnahmen können Ihnen helfen, die Lärmbelastung zu verringern. Dazu gehören die Isolierung und die Verwendung von schallschluckenden Materialien bei Fußböden, Decken und Wänden ebenso wie eine räumliche Trennung von Arbeitsplätzen und Lärmquellen sowie eine schalldämpfende Ausführung von Aufstellflächen und Unterlagen. Weitere Möglichkeiten sind Schallschutzhauben und die Verpflichtung Ihrer Mitarbeiter zur Verwendung von Gehörschutzvorrichtungen bei lärmintensiven Arbeiten.

Monotone Arbeiten vermeiden

Eine wesentliche Gefahrenquelle für eine Konzentrationsabnahme am Arbeitsplatz sind monotone Arbeitsgänge, also einfache Arbeiten, die sich ständig wiederholen. Im Rahmen einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung sollten Sie darauf hinwirken, dass diese auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dazu können Sie insbesondere folgende Maßnahmen der Arbeitsstrukturierung und -organisation nutzen:

Dazu können Sie insbesondere folgende Maßnahmen der Arbeitsstrukturierung und -organisation nutzen:

  • Zeitliche Begrenzung von Arbeiten in engen Räumen bzw. in ungünstigen Arbeitssituationen,
  • Arbeitsplatzwechsel (Job-Rotation), z.B. durch wechselnde Tätigkeiten in einer Fertigungs- oder Montageinsel, aber auch im Büro,
  • Arbeitserweiterung (Job-Enlargement), die zu einem Belastungswechsel führt und es Ihren Mitarbeitern ermöglicht, Aufgaben vollständig zu erledigen,
  • Arbeitsanreicherung (Job-Enrichment), die mit einer größeren Anforderungsvielfalt und der Möglichkeit
  • für Ihre Mitarbeiter einhergeht, autonome Entscheidungen zu treffen und
  • Gruppenarbeit in Verbindung mit der Einführung von kreativen Arbeitsmethoden.

Burnout frühzeitig erkennen …

Bei immer mehr Beschäftigten ist heute das Burnout-Syndrom zu beobachten. Burnout entsteht durch chronischen Stress über einen längeren Zeitraum, eine ineffiziente Stressverarbeitung und aufgrund nicht ausreichender Regenerationsphasen. Gefährdet sind insbesondere Menschen mit Mehrfachbelastungen, einer hohen Leistungsbereitschaft, einem intensiven Sozialbezug und einem hohen Grad an Pflichtbewusstsein.

Oftmals betrifft dies Führungskräfte, die vor immer neuen und komplexeren Anforderungen stehen. Wichtig ist daher zunächst, dass Sie die Burnout-Symptome erkennen.

Vermehrtes, dann nachlassendes Engagement Erst:

  • Hyperaktivität, blinder Aktionismus, Verzetteln in Details
  • Freiwilliger Verzicht auf Freizeit/Urlaub

Dann:

  • Erschöpfung auch ohne körperliche Arbeit
  • Dienst nach Vorschrift, innere Kündigung
Gehetztheit
  • Nicht mehr zu verbergende Nervosität
  • Chronische Anspannung, subjektiv empfundener ewiger Zeitdruck
Leistungsabfälle
  • Zunehmende Konzentrationsstörungen
  • Eskalierende Flüchtigkeitsfehler, die nicht mehr vertuscht werden können
  • Häufiges Verlegen von Gegenständen
  • Lange Arbeitszeiten, denen kein entsprechender Output gegenübersteht
Sozialer Rückzug
  • Meiden informeller und beruflicher Kontakte
  • Schwierigkeiten beim Zuhören
Geschwächte Emotionskontrolle
  • Reizbarkeit oder/und
  • Tränenausbrüche oder/und Pokerface-Mimik
Krankheitsanfälligkeit
  • Fehlzeiten, zum Beispiel wegen Infektionskrankheiten, Ohrgeräuschen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden

 … und präventiv handeln

Eine effektive Burnout-Prävention beginnt mit einer Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Anerkennung beruht und in der die Themen „Burnout“ und „psychische Belastungen“ kein Tabu sind. Geben Sie Ihren Führungskräften und Mitarbeitern eine Orientierung. Schaffen Sie klare Zielvorgaben und sorgen Sie für eine transparente Informationspolitik in Ihrem Unternehmen. Vermindern Sie Stressoren, indem Sie z.B. die vielen überflüssigen CCs in Mails abschaffen und auf die Erreichbarkeit Ihrer Mitarbeiter in der Freizeit verzichten. Achten Sie darauf, dass Ihre Führungskräfte konsequent Aufgaben delegieren und sich so entlasten.

Ernennen Sie in Ihrem Unternehmen eine Vertrauensperson als Ansprechpartner für Burnout gefährdete Mitarbeiter. Bieten Sie Ihren Mitarbeitern eine arbeitspsychologische Beratung – am besten auf anonymer Basis – an.

Mobbing verhindern

Auch die Ausgrenzung bzw. das Mobbing von Mitarbeitern kann zu erheblichen Störungen in den betrieblichen Prozessen führen. Mobbing entsteht meist durch ungelöste Konflikte, die eskalieren, sich personenspezifisch im Unternehmen ausdehnen und auf den Ausschluss eines oder mehrerer Mitarbeiter aus dem Unternehmen gerichtet sind. Verhindern können Sie dies, indem Sie Konflikte frühzeitig erkennen.

Dazu führen Sie zunächst Konfliktanalysegespräche mit den Konfliktparteien, um die Konfliktursachen zu erkennen. Wichtige Ansatzpunkte zur Entschärfung von Konflikten sind z.B. die räumliche Trennung der am Konflikt Beteiligten, eine Neuverteilung der Aufgaben, die Versetzung, Abmahnung oder Kündigung von Aggressoren, die Schaffung von verbindlichen Regeln und Umgangsformen sowie die Überwachung der Einhaltung dieser Regeln im Unternehmen.

Prozessumgebung dauerhaft aufrechterhalten

Um die Prozessumgebung in Ihrem Unternehmen aufrechtzuerhalten, ist eine laufende Überwachung der relevanten Umgebungsfaktoren unumgänglich.

Diese nehmen Sie bei den physischen Faktoren mithilfe von technischen Einrichtungen und Messgeräten, z.B. Thermometer, Hygrometer, Strahlen- und Leuchtdichtemessgeräten, Partikelzähler und Aerosolgeneratoren vor. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Anforderungen an die psychologischen und sozialen Umgebungsfaktoren sind z.B. permanente Störungs- und Fehleranalysen, die auf Veränderungen in den Umgebungsbedingungen hindeuten. Dazu gehört auch eine regelmäßige Mitarbeiterkommunikation, um Veränderungen bei den Belastungsfaktoren frühzeitig zu erkennen. Insbesondere hinsichtlich der physischen Faktoren besteht eine weitere präventive Maßnahme in der kontinuierlichen Suche nach möglichen Störungsquellen und deren Beseitigung.

Nicht wenige der Prozessumgebungsfaktoren sind von einer konstanten Stromversorgung abhängig. Daher sollten Sie für einen möglichen Stromausfall mit einer Notstromversorgung vorbeugen. Wichtige Planungsgrößen sind hier der Standort der Notstromaggregate, die Dauer der Aufrechterhaltung der Notstromversorgung und die entsprechende Kraftstoffbevorratung

Autor*in: Jens Harmeier