Wesentliche Veränderung – gibt es die überhaupt noch?
Keine der bisherigen Fassungen der EU-Maschinenrichtlinie hat den Begriff wesentliche Veränderung jemals enthalten. – Aber woher kommt dieser Begriff dann, der die Gemüter bis heute erregt?

Dieser Begriff kommt aus inzwischen aufgehobenen deutschen Umsetzungen der Europäischen Produktsicherheitsrichtlinie in Verbindung mit der Definition des Begriffs Inverkehrbringung:
- dem ”Gesetz über technische Arbeitsmittel (GSG) in § 2 Abs. 3
- und dessen Nachfolger, dem ”Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)“ in § 2 Abs. 8.
Der aktuelle Nachfolger, das ”Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)“, enthält den Begriff wesentliche Veränderung in § 2 Nr. 15 nicht mehr.
Warum ist die wesentliche Veränderung dann immer noch relevant? Kurz gesagt: Weil der Gesetzgeber das immer noch so will. Der Gesetzgeber erläutert in seiner Begründung zu § 2 Nr. 15 ProdSG ausführlich, dass wesentlich veränderte Produkte nach wie vor als neue Produkte anzusehen sind:
Der Begriff Inverkehrbringen wurde aus dem bisherigen GPSG übernommen und inhaltlich an die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 angepasst. Nachdem im bisherigen GPSG mit Inverkehrbringen noch jedes Überlassen eines Produkts an einen anderen gemeint war, wird der Begriff im ProdSG auf die erstmalige Bereitstellung eines Produkts beschränkt. Inhaltlich tritt an die Stelle des bisherigen Begriffs Inverkehrbringen der neue Begriff Bereitstellung auf dem Markt.
Ein gebrauchtes Produkt, das gegenüber seinem ursprünglichen Zustand wesentlich verändert wird, wird auch zukünftig als neues Produkt angesehen.
Wenn eine Maschine wesentlich verändert wird, stellt sie CE-technisch eine neue Maschine dar und muss alle relevanten CE-Anforderungen erfüllen. Dies gilt natürlich auch für Betreiber, die ihre eigenen Maschinen verändern.
Wesentliche Veränderung: technische Dokumentation
Just in dem Moment, in dem eine Maschine verändert werden soll, muss der für die Veränderung Verantwortliche sich fragen: ”Stellt diese Veränderung, die ich vorhabe, eine wesentliche Veränderung im Sinne der Maschinenrichtlinie dar?“
Und just mit dieser Frage beginnt dann auch die Fortführung der internen technischen Dokumentation nach Anhang VII der Maschinenrichtlinie (CE-Dokumentation) für diese Maschine.
Wie gehen Sie vor?
Vorgegeben ist nur die Methode, nämlich eine Risikobeurteilung nach EN ISO 12100. Wie Sie diese Risikobeurteilung in Ihre bestehende CE-Dokumentation einbinden, bleibt Ihnen überlassen. Wichtig ist, dass Ihre – gesetzlich vorgeschriebene – CE-Dokumentation auf dem aktuellsten Stand ist. – Und dass Sie in einem Schadensfall den Nachweis erbringen können, dass Sie die Veränderung der Maschine sicherheitstechnisch sorgfältig bedacht haben.
Was ist, wenn die Risikobeurteilung ergibt, dass es sich nicht um eine wesentliche Veränderung handelt?
- Wenn Sie der Inverkehrbringer der veränderten Maschine sind:
- Müssen Sie das Risiko der erkannten Gefährdungen ausreichend mindern.
- Müssen Sie die getroffenen Maßnahmen zur Risikominderung im Rahmen der Risikobeurteilung beurteilen und dokumentieren.
- Müssen Sie eine neue EG-Konformitätserklärung für diese Maschine ausstellen.
- Müssen Sie Ihre CE-Dokumentation um alle Änderungen ergänzen (z.B. Zeichnungen, Pläne, Betriebsanleitung, Prüfberichte, EG-Konformitätserklärungen, Herstellererklärungen usw.).
- Wenn Sie der Betreiber der veränderten Maschine sind:
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- Müssen Sie alle geplanten Änderungen in Ihrer Funktion als Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsschutzes, d.h. der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), betrachten.
- Müssen Sie die Gefährdungsbeurteilung der Maschine nach der BetrSichV aktualisieren.
- Müssen Sie Ihre Maschinendokumentation ggf. ergänzen (z.B. Pläne, Betriebsanleitung, Betriebsanweisung).