06.08.2021

Projekt CISPR 37 – Grenzwerte und Methoden für In-situ-Messungen und für Messungen von „großen“ Betriebsmitteln

Die CISPR 37 ist als Ergänzung bzw. Erweiterung der Norm CISPR 11 zu verstehen: Die Norm hat zum Gegenstand, Grenzwerte und Methoden für In-situ-Messungen und für Messungen von „großen“ Betriebsmitteln zu erarbeiten, die nicht auf Freimessplätzen oder in Absorberhallen durchgeführt werden können.

Betriebsanleitung

Einleitung

Strahlungsgeführte EMV-Messungen wurden in ihren Anfangszeiten auf Freifeldmessplätzen durchgeführt. Solche Freifeldmessplätze stellten damit eine Messbedingung dar, wie sie letztlich in der Realität auch vorliegt: eine ungehinderte Ausbreitung elektromagnetischer Störungen, modifiziert durch die Wirkung eines reflektierenden Bodens. Das Thema der Störfestigkeit spielte für die weitaus meisten Produkte noch keine Rolle, ausgenommen wenige Spezialbereiche, beispielsweise im militärischen Bereich, und es bestand noch keine Notwendigkeit, Messungen und Prüfungen in geschirmten Einrichtungen durchzuführen.

Zumindest in dichter besiedelten Gegenden und aufgrund der zunehmenden Anzahl von Strahlungs-/Störquellen, stellten sich solche Messplätze zunehmend als problematisch heraus, da aufgrund des ständig größer werdenden Umgebungspegels ein Nachweis der Einhaltung von Grenzwerten immer aufwendiger wurde, zumindest in den Frequenzbereichen, in denen typischerweise Sendeeinrichtungen arbeiten.

Als Konsequenz wurden mehr und mehr geschirmte Messeinrichtungen, Absorberhallen, errichtet, die eine Trennung von den Verhältnissen in der elektromagnetischen Umgebung erlaubten und so den Nachweis auch niedrigerer Grenzwerte relativ einfach ermöglichten. Randbedingungen waren die Verkleidung der Wände mit Absorbern, um Reflexionen von den Wänden möglichst zu vermeiden und damit nahezu Freifeldbedingungen zu erreichen. Zusätzlich aber hatten solche geschirmten Messeinrichtungen auch den Vorteil, die Durchführung von Störfestigkeitsprüfungen zu erlauben, die auf einem Freifeldmessplatz schlechterdings nicht möglich sind. Gerade solche Störfestigkeitsprüfungen wurden vor etwa 30 Jahren mit dem Inkrafttreten der ersten EMV-Richtlinie zum Nachweis der Einhaltung der darin formulierten Schutzziele notwendig.

Beispiele für Prüflinge

Die Praxis der Messung in Absorberhallen funktioniert für nahezu alle Prüflinge; aber gerade in jüngerer Vergangenheit wurden Prüflinge, sprich elektrische und/oder elektronische Betriebsmittel, so groß, dass sie von ihren physikalischen Dimensionen nicht mehr sinnvoll in einer Absorberhalle vermessen werden können, einerseits, weil ihre geometrische Größe ein validiertes Prüfvolumen überschreitet oder andererseits – ein noch einleuchtenderes Argument – sie aufgrund ihrer Größe nicht mehr in eine Absorberhalle transportiert oder dort aufgestellt werden können.

Beispiele hierfür sind Windkraftanlagen, Computertomografen oder Werkzeugmaschinen, die in Stückzahlen zu Tausenden in Verkehr gebracht werden, und damit beispielsweise im EU-Raum die Schutzanforderungen der EMV-Richtlinie, wie sie für Geräte gelten, einhalten müssen. Gefragt sind daher Verfahren, auch für solche Betriebsmittel Typprüfungen zu erlauben, wenn auch vermutlich nicht mehr auf einem derzeit normativ definierten Messplatz. Anzumerken sei noch, dass als „große Geräte“ auch solche zu verstehen sind, die aus anderen Gründen als ihren geometrischen Abmaßen nicht auf einem standardisierten Messplatz geprüft werden können, beispielsweise solche, bei denen sehr hohe elektrische Leistungen umgesetzt werden oder solche, die aufgrund von Sicherheitsanforderungen (z.B. Röntgeneinrichtungen) einen Betrieb an bestimmten Orten erfordern.

Das Projekt CISPR 37

Exakt dieser Herausforderung stellt sich ein neues Projekt in der Standardisierung, die Norm CISPR 37, die zum Gegenstand hat „Grenzwerte und Messverfahren für In-situ-Messungen und für Messungen von räumlichen großen/hochenergetischen Geräten“ (die sinnvollerweise nicht mehr auf einem standardisierten Messplatz geprüft werden können) zu erarbeiten. Sie ist im Prinzip als Ergänzung oder Erweiterung der Norm CISPR 11 zu verstehen, da Grenzwerte aus Letzterer auch in dem neuen Projekt Anwendung finden sollen – es wäre ja auch kaum zu verstehen, wenn die gleichen Typen von Betriebsmitteln unterschiedliche Anforderungen besäßen, je nachdem, ob sie in einer 10-m-Absorberhalle oder auf beispielsweise einem Fabrikgelände geprüft würden.

Anwendungsbereich

Eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Beschreibung des Anwendungsbereichs der Norm CISPR 37 wird die Abgrenzung zu demjenigen der seit Langem etablierten Norm CISPR 11 sein. Die von beiden Normen abgedeckten Geräte fallen grundsätzlich in die Kategorie der industriellen, medizinischen und wissenschaftlichen Betriebsmittel (weitere Details hierzu sind im Anhang A von CISPR 11 aufgeführt). CISPR 11 spezifiziert die Messungen auf standardisierten Messplätzen, die die Vorgaben der EMV-Grundnormen aus der Reihe CISPR 16 erfüllen. Diese Norm wird „klassischerweise“ für die Typprüfung von Betriebsmitteln herangezogen, und so soll es für die Mehrzahl der Betriebsmittel auch bleiben, mit lediglich einigen Ausnahmen, die von CISPR 37 behandelt werden sollen.

Solche Ausnahmen betreffen zwei Situationen:

  • Messungen in situ
  • Messungen außerhalb von standardisierten Prüfplätzen auf sogenannten „definierten“ Messplätzen

Durchführung von In-situ-Messungen

Die derzeitige Ausgabe 6.2 der Norm CISPR 11 enthält bereits einige Anforderungen zu In-situ-Messungen, also zu Messungen eines Betriebsmittels nach der Installation und Inbetriebnahme am endgültigen Aufstellungsort. Aus dieser Beschreibung geht bereits eindeutig hervor, wofür die dabei ermittelten Messergebnisse stehen: lediglich für das konkret betrachtete Betriebsmittel am konkreten Aufstellungsort.

Hauptziel solcher Messungen ist der Nachweis, dass ein Betriebsmittel auch nach Installation die gewünschten Grenzwerte einhält. Da sich die Durchführung von Messungen an solchen Aufstellungsorten zwar an den Vorgaben von CISPR 16 orientiert, diese aber nicht vollständig umgesetzt werden können, müssen weitergehende Informationen in einer Norm bereitgestellt werden, beispielsweise wie die Grenzwerte bei Referenzentfernungen, wenn an diesen keine Messungen möglich sind, auf tatsächliche Entfernungen unter Berücksichtigung der betrachteten Frequenzen umgerechnet werden können. Ein weiteres Beispiel wäre eine Festlegung, wie mit dem Umgebungsrauschen umzugehen ist, wenn dieses nicht signifikant unter dem angesetzten Grenzwert liegt. Solche Informationen sollen nunmehr in CISPR 37 aufgenommen werden, und mittelfristig ist geplant, diese Thematik aus der Norm CISPR 11 zu entfernen.

Ausblick

Das Projekt CISPR 37 wurde mit einem „New Work Item Proposal“ (B/720/NP) in 2019 gestartet und erfuhr in 2020 bereits eine erste umfangreiche Runde an Kommentaren, die derzeit immer noch in der Arbeitsgruppe diskutiert werden. Ein erster Entwurf (CD = Committee Draft) soll in der zweiten Jahreshälfte 2021 an die Nationalen Komitees zur Stellungnahme verteilt werden.

Erfahren Sie mehr zum Thema „CISPR 37“ in unserem Praxismodul „Elektromagnetische Verträglichkeit“.

Autor*in: Bernd Jäkel (Dr. Bernd Jäkel ist als Technischer Leiter des EMV-Zentrums der Siemens AG, Digital Factory, tätig.)