25.01.2021

Das neue Produktsicherheitsgesetz (Entwurf)

Es tut sich einiges im deutschen Produktsicherheitsrecht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 24.09.2020 einen Referentenentwurf zum „Gesetz zur Anpassung des Produktsicherheitsgesetzes und zur Neuordnung des Rechts der überwachungsbedürftigen Anlagen“ veröffentlicht.

Rechtsprechung

Neues Produktsicherheitsgesetz in den Startlöchern: weitreichende Änderungen auch für überwachungsbedürftige Anlagen

Laut Ministerium zwingt die zum 16.07.2021 unmittelbar geltende europäische Marktüberwachungsverordnung (VO. 2019/1020) zu einer Überarbeitung des ProdSG. Mit der Ausgliederung der überwachungsbedürftigen Anlagen aus dem 9. Abschnitt ProdSG werde das ProdSG zu einem reinen Gesetz über die Anforderungen der Bereitstellung von Produkten auf dem Markt.

Mit dem neuen Anpassungsgesetz soll u.a. auch die Betriebssicherheitsverordnung redaktionell angepasst werden. Laut BMAS versursacht das neue Gesetz keinerlei Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft. Die Änderungen bereinigten das bisherige ProdSG lediglich im Hinblick auf die künftig unmittelbar geltenden Marktüberwachungsregelungen der Verordnung (EU) 2019/1020. Auch das neue Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) verursache keine zusätzlichen Belastung für die Unternehmen, es biete (anstelle des bisherigen 9. Abschnitts ProdSG) lediglich den gesetzlichen Rahmen für die inhaltlich unverändert weiter geltende BetrSichV und stelle keine neuen Anforderungen an den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen.

Vermarktungsverbote sollen erleichtert werden

Das deutsche ProdSG regelt nach Angaben des Ministeriums bisher lediglich die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (positiv), es enthält aber keine Vermarktungsverbote (negativ). Mit dem neuen Gesetz soll künftig die Möglichkeit geschaffen werden, die Vermarktung bestimmter Produkte mittels Verbotsverordnungen bundeseinheitlich zu verbieten oder zu beschränken.

Praxistipp: Außerdem sollen die Regeln für die Zuerkennung des (deutschen) GS-Zeichens im Lichte von Erfahrungen aus dem Behördenvollzug überarbeitet und konkretisiert werden.

Auswirkungen auf überwachungsbedürftige Anlagen

Zur Veröffentlichung des Referentenentwurfs wird einleitend betont, dass das bisherige ProdSG vor allem eine durch europäisch harmonisiertes Binnenmarktrecht geprägte Rechtsvorschrift für das Bereitstellen von Produkten auf dem Markt sei. Allerdings müssten die dort traditionell verankerten und inzwischen veralteten und überarbeitungsbedürftigen Betriebsvorschriften zu den überwachungsbedürftigen Anlagen als gesetzessystematisch wesensfremd und regelungstechnisch anachronistisch angesehen werden. Deshalb sollten die Anforderungen in ein eigenständiges Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) überführt und dabei überarbeitet und modernisiert werden.

Dieses ÜAnlG soll neben den schon bisher auf den Bund ausgestellten Verordnungsermächtigungen auch grundlegende Anforderungen und Pflichten (Gefährdungsbeurteilung, grundlegende schutzzielorientierte Schutzmaßnahmen, Instandhaltungs- und Prüfpflichten, Betriebsverbote bei gefährlichen Mängeln) enthalten. Der derzeit noch im ProdSG enthaltene Katalog der überwachungsbedürftigen Anlagen werde nicht in das ÜAnlG übernommen, sondern im Wege von Verordnungen geregelt.

Durch die Auslagerung der Regelungen zu überwachungsbedürftigen Anlagen wird das ProdSG somit zu einem reinen Gesetz über die Produktsicherheit. Es wird aber auch deutlich, dass beim Bereitstellen auf dem Markt auch für überwachungsbedürftige Anlagen die produktrechtlichen Anforderungen gelten (z.B. Maschinenrichtlinie, Druckgeräterichtlinie und die Niederspannungsrichtlinie).

Weitere Änderungen bei der BetrSichV gefordert

Die vorgeschlagenen redaktionellen Änderungen der BetrSichV können nach Ansicht von Fachleuten allerdings nur ein erster Schritt sein. Sie dienen lediglich der durch das neue ÜAnlG notwendigen „Loslösung“ der BetrSichV vom Produktsicherheitsgesetz. Notwendig wäre allerdings viel mehr, um die mit dem Anpassungsgesetz künftig verbundenen Doppelregelungen zwischen dem ÜAnlG und der BetrSichV zu eliminieren. Unseres Erachtens ist es unverzichtbar, die Vorgaben zu überwachungsbedürftigen Anlagen vollkommen aus der BetrSichV zu eliminieren und über entsprechende, eigenständige Verordnungen zum ÜAnlG zu regeln.

Marktüberwachungsbehörden erhalten weitere Befugnisse

Mit dem Anpassungsgesetz werden die behördlichen Befugnisse deutlich erweitert. Dazu gehört z.B. die Befugnis,

  • Produkte unter falscher Identität zu erwerben,
  • Reverse-Engineering durchzuführen,
  • den Zugang zu Online-Plattformen einzuschränken,
  • Unternehmen zur Aufnahme von Warnhinweisen zu verpflichten und
  • Anordnungen zur Rücknahme und zum Rückruf zu erlassen.

Neu sind auch die Befugnisse gemäß Art. 14 der europäischen VO 2019/1020, Online-Plattformen bei Strafandrohung anzuweisen, bestimmte Inhalte zu Produkten auf den Plattformen zu entfernen. Betroffen sind dabei alle Online-Plattformen („Online-Schnittstellen“ i.S.d. VO 2019/10209). Eine Online-Schnittstelle wird dort definiert als „Software, einschließlich einer Website, Teilen einer Website oder einer Anwendung, die von einem Wirtschaftsakteur oder in dessen Auftrag betrieben wird und dazu dient, Endnutzern die Produkte des Wirtschaftsakteurs zugänglich zu machen“.

Weitere Informationen zu diesem spannenden Thema finden Sie in unserem Produkt „Niederspannungsrichtlinie“.

Autor*in: Ernst Schneider