03.02.2021

CE-Kosten für Maschinen richtig einschätzen

Wie viel sind die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit eines Menschen wert, der an und mit Ihrer Maschine oder Maschinenanlage arbeitet? Und wie viel darf es kosten, dass Sie (Worst Case) den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit erfolgreich abwehren können?

CE-Eisberg

Was darf’s denn grundsätzlich kosten?

Als Hersteller einer Maschine oder Maschinenanlage sind Sie verpflichtet, Maschinen und Anlagen zu konstruieren und zu bauen, die alle gesetzlichen Mindestanforderungen an die Sicherheit erfüllen. Wenn Sie dieser Verpflichtung nicht oder nicht regelkonform nachkommen, riskieren Sie u.a. Personenschäden und den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

Info: Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 277 BGB: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde, also dann, wenn schon ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Palandt/Heinrichs, Rn. 277 Rn. 2).

Was also darf eine Maschine oder Maschinenanlage kosten, die nicht nur gut funktioniert, sondern auch sicher ist? Gar nicht so einfach, nicht wahr? Klar, grundsätzlich findet man Sicherheit natürlich gut. Aber wenn es dann an die Kosten geht? Da relativiert sich im Einzelfall dann doch so manches!

Lassen Sie uns zunächst die Anforderungen kurz skizzieren. Was genau verlangt der Gesetzgeber eigentlich von Ihnen?

Hier kommen zwei Begriffe ins Spiel, die Sie kennen sollten: der „Stand der Technik“ und der „Stand der Wissenschaft und Technik“.

Was ist der Unterschied? Und welche Rolle spielen wirtschaftliche Erwägungen dabei?

„Stand der Technik“

Nach Maschinenrichtlinie ist – wie auch bei fast allen anderen CE-Vorschriften – ein Produkt dann konform, wenn es alle darin enthaltenen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die auf das Produkt zutreffen, erfüllt. Eine grundlegende Rolle spielt dabei der „Stand der Technik“. Aber auch technische und wirtschaftliche Erfordernisse können im Einzelfall eine Rolle spielen:

„Erwägungsgrund 14 Es sollte den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen genügt werden, damit gewährleistet ist, dass die Maschinen sicher sind; es sollte jedoch eine differenzierte Anwendung dieser Anforderungen erfolgen, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konstruktion sowie technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen.“

Der Leitfaden Maschinenrichtlinie, Auflage 2.2 kommentiert:

„§ 16 ‚Stand der Technik‘ Erwägungsgrund 14 führt den Begriff des ‚Standes der Technik‘ ein, der bei der Anwendung der in Anhang I beschriebenen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu berücksichtigen ist. Dieser Begriff ist insoweit sehr wichtig, als er bedeutet, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen keine absoluten Anforderungen sind, ohne die wirtschaftlichen Kosten und die für Hersteller auf dem Markt angebotenen technischen Lösungsmöglichkeiten zu berücksichtigen – siehe § 161 und § 162: Anmerkungen zum allgemeinen Grundsatz 3, Anhang I.“

Info: Der „Stand der Technik“ spielt im CE-Recht eine grundlegende Rolle. Eine Definition für diesen Begriff enthält das CE-Recht nicht. Die Begriffsdefinition laut dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit des Bundesministeriums der Justiz lautet: „Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der nach herrschender Auffassung führender Fachleute das Erreichen des gesetzlich vorgegebenen Zieles gesichert erscheinen lässt. Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen oder vergleichbare Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen müssen sich in der Praxis bewährt haben oder sollten – wenn dies noch nicht der Fall ist – möglichst im Betrieb mit Erfolg erprobt worden sein.“

„Stand der Wissenschaft und Technik“

Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) legt bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts in § 1 Abs. 2 Nr. 5 den Stand der Wissenschaft und Technik zugrunde:

„(2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn

(…)

5. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.“

Info: Das Produkthaftungsrecht fordert den „Stand der Wissenschaft und Technik“. Eine Definition für diesen Begriff enthält das Produkthaftungsrecht nicht. Die Begriffsdefinition laut dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit des Bundesministeriums der Justiz lautet: „Stand von Wissenschaft und Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlich vertretbarer Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden und das Erreichen dieses Ziels gesichert erscheinen lassen.“

Wirtschaftliche Erwägungen

Inwieweit sind nun wirtschaftliche Erwägungen zulasten der Sicherheit zulässig?

Der Bundesgerichtshof nennt im Airbag-Urteil wegweisende Grundsätze:

  • Hersteller müssen bereits bei Konzeption und Planung von Produkten alle Maßnahmen treffen, die zur Vermeidung von Gefahren erforderlich und zumutbar sind.
  • Dies erfordert eine sorgfältige und nachvollziehbare Analyse und Abwägung der Kosten für die Sicherheitsmaßnahme und den Nutzen des zu konstruierenden Produkts.
  • Selbst wenn sich der Aufwand aus wirtschaftlichen Gründen als unzumutbar herausstellen sollte, ist dies noch kein Freibrief für das Weglassen von technisch möglichen Sicherheitsmaßnahmen.
  • In diesem Fall muss der Hersteller erneut alle Risiken des Produkts und den Nutzen des Produkts abwägen, um dann entscheiden zu können, ob dieses Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht werden darf.

Fazit

Grundlegend gilt: CE-Konformität ist nur eine von vielen rechtlichen Anforderungen, die in Zusammenhang mit der Inverkehrbringung einer Maschine oder Maschinenanlage wirksam werden.

CE-Konformität ist nur die halbe Miete – auch wenn Maschinenbauer dies gefühlt oftmals anders wahrnehmen. Unter anderem will auch das Produkthaftungsrecht berücksichtigt werden. Der darin geforderte Stand von Wissenschaft und Technik geht über die Anforderungen des CE-Rechts hinaus. Dies kann naturgemäß auch über den Stand der Technik hinausgehende Möglichkeiten bei der Sicherheit betreffen.

Was will der Gesetzgeber von Ihnen und wie sieht es mit den Herstellerpflichten generell aus? Dazu erfahren Sie mehr in unserem Praxismodul „Maschinenrichtlinie“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)