30.09.2022

Instandhaltung & Co. – was kommt nach der Gewährleistung?

Mängelhaftung (früher „Gewährleistung“) und Garantie abgelaufen – was nun? Die Anfänge der Debatte um ein „Recht auf Reparatur“ sind in den USA zu finden und bezogen sich zunächst auf landwirtschaftliche Maschinen. Dort wurde auf den Reparaturanspruch der Eigentümer von den Herstellern vor Gericht erwidert, dass den Käufern durch den Kaufvertrag lediglich ein Nutzungsrecht an der Sache eingeräumt wurde. Eine Selbstreparatur vom Hersteller war nicht mehr vorgesehen, weil landwirtschaftliche Maschinen wie alle anderen Geräte vor wenigen Jahrzehnten selbstverständlich reparierbar waren.

Gesetz Paragraph

Kürzlich hat die US-amerikanische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission (FTC) eine neue Richtlinie verabschiedet, um ein Recht auf Reparatur durch Verbraucher selbst zu unterstützen. Die FTC folgt damit einer Durchführungsverordnung, in der US-Präsident Joe Biden die FTC aufgefordert hatte, ein Regelwerk zu erarbeiten, das ein Recht auf Selbstreparatur verschiedener Produkte vom Mobiltelefon bis zur Landmaschine garantieren soll.

Das „Recht auf Reparatur“

Fachleute wenden ein, dass „Recht auf Reparatur“ eigentlich der falsche Begriff ist. Zu kurz gegriffen angesichts der Tatsache, dass viele Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit Reparatur überhaupt stattfinden kann. Ein Recht zu haben, heißt eben noch lange nicht, dass man dieses Recht auch ausüben kann.

Instandhaltung – mehr als schlichte Reparatur

Ein Blick in die europäische Norm DIN EN 13306:2018-02 „Instandhaltung“ lässt schnell erahnen, dass sich hinter dem Begriff „Instandhaltung“ weit mehr verbirgt als nur schlichte Reparatur:

„Instandhaltung ist die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklus eines Objekts, die dem Erhalt oder der Wiederherstellung seines funktionsfähigen Zustands dient, sodass es die geforderte Funktion erfüllen kann.

Technische Instandhaltungsmaßnahmen umfassen die Beobachtung und Analyse des Zustands eines Objekts (z.B. Inspektion, Überwachung, Prüfung, Diagnose, Prognose usw.) sowie aktive Instandhaltungsmaßnahmen (z.B. Instandsetzung, Aufarbeitung).“

Präventive und korrektive Instandhaltung also, die weit mehr erfordert als nur das Vorhandensein von Ersatzteilen.

Aufgepasst bei Mängelhaftung und Garantie

Der Unternehmer muss dem Besteller eine sach- und rechtsmängelfreie Sache übergeben.

Bei Mängeln kann der Besteller gegenüber dem Unternehmer Ansprüche geltend machen. Diese Ansprüche ergeben sich aus

  • der gesetzlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung des Unternehmers,
  • der Garantie, einer freiwilligen Haftung des Unternehmers.

Die gesetzliche Mängelhaftungsrecht gilt nur für Schäden, die bereits vor der Lieferung bzw. der Übergabe vorhanden waren – also nicht für Schäden, die erst durch unerlaubte und/oder unsachgemäße Handlungen des Bestellers entstanden sind.

Im Bereich der Industrieprodukte kann sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ggf. eine vertragliche Nebenpflicht der Hersteller oder Händler zur Bereitstellung ausreichender Ersatzteile für die Dauer der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ergeben. Dies gilt insbesondere für Produkte, die natürlichem Verschleiß unterliegen.

Hersteller sollten sehr genau prüfen, wie sie sich in Sachen „Recht auf Reparatur“ positionieren, um entsprechenden Mängelansprüchen von Kunden entgegenzuwirken.

Die Pflicht des Herstellers

Die Maschinenrichtlinie verpflichtet Hersteller zur Durchführung einer Risikobeurteilung. Im Rahmen der Risikobeurteilung müssen Hersteller u.a. alle Tätigkeiten betrachten, welche über die Verwendungsdauer der Maschine oder Anlage hinweg durchgeführt müssen, um die sichere Funktion herzustellen oder zu erhalten.

Wenn der Hersteller im Rahmen der Risikobeurteilung zu dem Ergebnis kommt, dass bestimmte Tätigkeiten für den Kunden ein zu hohes Risiko darstellen würden, ist der Hersteller verpflichtet, diese Tätigkeiten in der Betriebsanleitung zu verbieten. In der Praxis kommt der Hersteller dieser Verpflichtung nach, indem er nur die für den Betreiber zulässigen Tätigkeiten in der Betriebsanleitung dokumentiert und alle nicht erlaubten Tätigkeiten ausschließt.

DIN EN ISO 20607 „Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze“, eine unter der Maschinenrichtlinie harmonisierte Typ-B-Norm, regelt in Abschnitt 5.2.9 „Inspektion, Prüfung und Instandhaltung“ u.a.:

„Die Betriebsanleitung muss allgemeine Anleitungen für die Instandhaltung und sicherheitsrelevante Informationen enthalten, wie:
(…)
– alle Einschränkungen bezüglich Instandhaltungsmaßnahmen, die aus Sicherheitsgründen nur vom Hersteller durchgeführt werden dürfen.“

Die Pflicht des Kunden

Der Kunde hingegen ist verpflichtet, sich an die Herstellervorgaben in der Betriebsanleitung zu halten.

Tut er dies nicht, kann dies

  • zivilrechtlich negative Folgen für die Sachmängelhaftung
  • und bei Personenschaden auch strafrechtliche Folgen

haben.

Herausforderung: Verfügbarkeit von Verschleiß- und Ersatzteilen

Und wieder die spannende Frage: Gewährleistung und Garantie abgelaufen – was nun?

Fehlende Ersatzteile reduzieren die Verfügbarkeit einer Maschine oder Anlage – mit allen bekannten Konsequenzen. Disposition und Lagerhaltung von Ersatzteilen stellen für den Hersteller einen erheblichen Aufwand dar. Dem gegenüber steht das Interesse des Betreibers an einer hohen Verfügbarkeit und einer langen Nutzung seiner Maschine oder Anlage – er benötigt insbesondere sicherheits- und funktionskritische Verschleiß- und Ersatzteile noch viele Jahre über die Gewährleistung hinaus.

Häufig wird der Hersteller aus vielfältigen Gründen dennoch ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben, den Abnehmer auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfristen mit Verschleiß- und Ersatzteilen zu beliefern.

Folgende Fragen stellen sich:

  • Sind Hersteller grundsätzlich dazu verpflichtet, austauschbare Ersatzteile zu bevorraten – und für welchen Zeitraum?
  • Darf der Hersteller bestimmen, dass nur von ihm spezifizierte Ersatzteile verbaut werden dürfen?

Anlagenhersteller sind nicht verpflichtet, auf unbegrenzte Zeit eine ausreichende Anzahl an Verschleiß- und Ersatzteilen zur Verfügung zu stellen. Ungeplante Produktabkündigungen, die zum Auslaufen der Ersatzteilverfügbarkeit führen, müssen deshalb wirksam verhindert werden. Langfristige Garantien sollten möglichst bereits beim Kauf einer Maschine oder Anlage vertraglich vereinbart werden. Ansonsten gilt es, für den Fall einer Produktabkündigung die notwendigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie z.B. Aufkauf von Restbeständen, Ausweichen auf Alternativlieferanten oder technische Umbauten.

Den kompletten Fachbeitrag sowie weiterführende Informationen zum Thema „Instandhaltung & Co.“ finden Sie in unserem Praxismodul „Maschinenverordnung“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)