USA fordern weltweiten Chip-China-Boykott
Die USA nehmen verstärkt China ins Sanktionsvisier – und fordern gleiches von anderen Ländern. Sie sollen nichts mehr nach China liefern, was zur Herstellung von Halbleitern dienen könnte. Auch umgekehrt erfasst der Boykott chinesische Chipinvestments im Ausland.

Biden-Chip-Boykott schärfer als Trump-Vorschriften
Die US-Regierung Biden verschärft in Sachen China die Vorschriften des Vorgängers Donald Trump. Danach dürfen laut Medienberichten, die sich auf die High-Tech-Nachrichtenplattform Bloomberg berufen, US-Unternehmen:
- keine Halbleiter und für die Halbleiterproduktion notwendigen Geräte aus US-Herstellung in die Volksrepublik China verkaufen.
- US-Bürger bei der Produktion und Entwicklung chinesischer Halbleiter nicht mitwirken.
- Bei Zuwiderhandlung droht Entzug der US-Staatsangehörigkeit.
Betroffen sind leistungsstarke Chips, die für künstliche Intelligenz (KI) verwendet werden, ebenso wie alles, was zur Herstellung dieser Chips benötigt wird: Halbleiter, Maschinen, Software. Zudem dürfen US-Spezialisten chinesische Unternehmen nicht mehr bei der Chipherstellung unterstützen. Die USA möchten mit dieser Maßnahme verhindern, dass China fortgeschrittene KI und Supercomputer im Militär einsetzen kann.
- Strategische Planung, Logistik
- Autonomes Radar, Signalabhörung und -störung
- Design und Testing moderner Raketensysteme
Zudem setze China KI zur Überwachung der Bevölkerung ein und verletze damit teilweise Menschenrechte. Obwohl kein explizites Ziel der Maßnahme der US-Behörde, könnte der Bann Chinas Wirtschaft beeinflussen. KI kommt in vielen zukunftsträchtigen Anwendungen zum Einsatz, zum Beispiel bei:
- Websuche,
- Bild- und Videoerkennung,
- Übersetzungen,
- Produktempfehlungen
- autonomen Autos.
Die US-Regierung hatte im Sommer dafür den „Chips-Act“ erlassen. Dieses Gesetz umfasst ein 280 Milliarden US-Dollar schweres Investitionspaket, mit dem die Regierung die US-Halbleiter-Produktion in den USA ankurbeln will, um Arbeitsplätze zu schaffen und das Land unabhängiger vom internationalen Chip-Markt zu machen. Die offizielle Begründung für die verschärften Exportvorschriften ist laut US-Regierung die Befürchtung, fortschrittliche Chips könnten in Ausrüstung des chinesischen Militärs oder Überwachungssystemen zum Einsatz kommen.
USA will Verbündete in China-Boykott einbinden
Damit nicht genug, will die US-Regierung ausländische Firmen dazu verpflichten, die verschärften Exportkontrollen der USA nach China mitzutragen. Sie sollen kein Know-how, das zur Herstellung von Halbleitern dient, nach China exportieren. Darunter fallen Chiphersteller wie
- ASML, Niederlande
- Tokyo Electron Limited (TEL), Japan
- Nikon, Japan
- Canon, Japan
Bloomberg beruft sich auf Anwesende eines Treffens von US-Halbleiter-Ausrüstern mit der US-Handelssekretärin Gina Raimondo. In einem CNBC-Interview hatte Raimondo forderte dabei die Verbündeten der USA auf, ähnliche Beschränkungen zu erlassen. Sie habe sich auf die nationale Sicherheit berufen. Sie rechne mit bis zu neun Monaten, um entsprechende Abkommen mit alliierten Ländern zu schließen. US-Unternehmen wie Applied Materials, KLA und Lam Reserach müssen bereits Lizenzen erwerben, um Halbleiter-Equipment nach China zu verkaufen.
Die US-Ausrüster hätten sich beklagt, einseitig USA treffende Sanktionen würden zu einem massiven Umsatzverlust führen. Unternehmen aus anderen Ländern wie Niederlande, Japan, Deutschland und Südkorea, die den Sanktionen nicht folgen, könnten ihren Marktanteil übernehmen. Taiwan hat, wie Reuters meldet, bereits signalisiert, dass seine Chipfirmen den US-Regeln für China folgen werden. Taiwan, ein bedeutender Chiphersteller, ist die Heimat von Taiwan Semiconductor Manufacturing Co, weltweit größter Auftragschiphersteller und wichtiger Lieferanten für Unternehmen wie Apple Inc. Die Vereinigten Staaten sind Taiwans wichtigster internationaler Unterstützer und Waffenlieferant, obwohl es keine formellen diplomatischen Beziehungen gibt. Taiwan hat eigene Bedenkengegenüber China, insbesondere die Bemühungen chinesischer Unternehmen, Chip-Talente und technisches Know-how abzuwerben. Die Regierung schränkt taiwanesische Chip-Investitionen in China, dem größten Handelspartner der Insel, streng ein.
Von US-China-Boykott betroffene deutsche Chip-Firmen
In Deutschland wären laut „Technik-Einkauf“ folgende Unternehmen der Halbleiterindustrie als Chip- oder Wafer-Fertiger oder Ausrüster betroffen:
- Infineon: 1999 aus dem Siemenskonzern ausgegliedert, börsennotiert, Halbleiter-Produktion, Systemlösungen Energieeffizienz und Mobilität.
- Robert Bosch: Automobilzulieferer, seit mehr als 60 Jahren Halbleiterproduktion in Reutlingen und Dresden (Siliziumkarbid-Leistungshalbleiter) vor allem für die Automobilbranche und Consumer-Produkte.
- Siltronic: produziert in USA (Portland), Singapur und Deutschland. Fokus Siliziumwafer.
- Semikron: stellt in Nürnberg Leistungsmodule, Chips, Stacks und intelligente Leistungsmodule her, vor allem Halbleiter 2 kW bis 10 MW zur Steuerung des Energieverbrauchs.
- Carl Zeiss Semiconductor Manufacturing Technology SMT: Tochter der Carl Zeiss AG, Ausrüster für Chiphersteller, seit 2016 mit 25 Prozent Beteiligung der niederländische Halbleiterausrüster ASML, Schwerpunkt Fotolithographie, eine Methode zur Produktion von integrierten Schaltkreisen
- Aixtron: Hersteller von CVD-Anlagen (Chemical Vapour Deposition, chemische Gasphasenabscheidung) für Beschichtungsverfahren, u.a. zur Herstellung von mikroelektronischen Bauelementen
- Trumpf: CO₂-Laser zur Chip-Herstellung und extrem ultraviolettes Licht (EUV) für die Belichtung von Halbleitern mit Strukturgrößen kleiner als sieben Nanometern, enge Kooperation mit ASML
- Süss Microtec: Sitz Bayern, fertigt hochpräzise Anlagen für die Herstellung von Halbleitern u.a. für Backend-Lithographie, Wafer Bonding und Fotomasken-Reinigung.
- Gasehersteller wie Linde, BASF oder Merck: beliefern die Halbleiterindustrie mit Gasen wie Stickstoff, Sauerstoff, Argon oder Wasserstoff.
Deutschland stoppt China-Einstieg bei Chip-Herstellern
Unterdessen setzt die Bundesregierung ihre wirtschaftspolitische Agenda gegenüber China um. Das Kabinett untersagte:
- den Verkauf der Chipfabrik Elmos in Dortmund an einen chinesischen Investor untersagt,
- den chinesischen Einstieg bei ERS Electronic GmbH im bayerischen Germering, in den Siebzigerjahren gegründet und auf Technologie für Wafer-Tests spezialisiert. Die ERS-Produkte werden gebraucht, um die Qualität in Wafer-Fabriken wie der von Elmos sicherzustellen. Laut Bundesanzeiger zählt das Unternehmen rund 50 Beschäftigte und hat in den vergangenen beiden Jahren Verluste ausgewiesen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will das Außenwirtschaftsrecht schärfen, um deutsche Interessen besser zu schützen. Investitionen aus dem Ausland seien willkommen, Deutschland sei eine offene Marktwirtschaft. „Aber eine offene Marktwirtschaft ist keine naive Marktwirtschaft“, so der Minister. China hat sich zum Ziel gesetzt, eigene technologische Lücken durch Zukäufe im Ausland zu schließen. Präzedenzfall ist der Augsburger Roboterhersteller Kuka, den 2016 mehrheitlich der chinesische Midea-Konzern übernommen hat. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf ein Veto verzichtet. Zu den China-Aktivitäten lesen Sie bitte auch unseren Beitrag „Belt-and-Road-Initiative: BME soll in Westchina helfen“.
Das Bundeskabinett hatte den seit einem Jahr geplanten Verkauf der Chip-Sparte des Dortmunder IT-Unternehmens Elmos an ein schwedisches Unternehmen untersagt. Elmos hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, die Fertigung sogenannter Wafer in Dortmund für insgesamt rund 85 Millionen Euro an den schwedischen Wettbewerber Silex verkaufen zu wollen. Silex ist ein Tochterunternehmen des chinesischen Sai-Konzerns. Elmos entwickelt, produziert und vertreibt seit über 30 Jahren Halbleiter vornehmlich für den Einsatz im Auto.
Kritik von Dortmunder OB an Kabinetts-Beschluss
An der Entscheidung übte Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) laut dem Lokalportal „Nordstadtblogger“ massive Kritik an der Entscheidung aus dem Bundeswirtschaftsministerium als „billigen Aktionismus“ und „Symbolpolitik“. Sie gefährde 225 Arbeitsplätze. „Ich halte das für einen Fehler. Ich glaube nicht, dass man sich ausreichend kundig gemacht hat“, so Westphal. Im Zuge der allgemeinen Diskussion um Russland und China habe man jetzt ein Exempel statuiert.
„Ich habe den Verdacht, dass nicht wirtschaftspolitisch, sondern symbolistisch entschieden wurde“, so Westphal.Wirtschaftsminister Habeck habe sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gebeugt. Dabei handele es sich bei der besagten Produktion der Chips in Dortmund um eine ältere Technologie.
Elmos habe diese Technologie vor 20 Jahren entwickelt, verfolge aber seit zehn Jahren eine andere Strategie. Bemühungen, eine neue Produktion mit Infinion und Bosch in Deutschland aufzulegen, hätten nicht funktioniert. Daher kaufe Elmos die Chips für seine eigenen Produkte auf dem Weltmarkt ein. „Elmos war einer der Pioniere. Damals war das Spitze, aber die Zeit, als die Atari-Konsole entwickelt wurde“, so der frühere städtische Wirtschaftsförderer. Er verglich die Dortmunder Chips mit „Trabbi-Motoren“. Wer den Verkauf verhindere, argumentiere, als wenn China mit dem Kauf sämtlicher Trabbi-Motoren die deutsche Automobil-Industrie übernehme und gefährde. „Es ist eine Technologie, die Elmos für seine Produktlinie nicht mehr nutze. Daher kaufen sie dafür weltweit Chips ein“, verdeutlichte der Dortmunder OB. Allerdings habe der schwedische Kaufinteressent noch Bedarf und Interesse in der Nutzung für Medizinprodukte. Ohne den schwedischen Investor stünden die Dortmunder Jobs in der Fertigung auf der Kippe.
Vor kurzem hatte das Kabinett gegen den Widerstand mehrerer Ressorts und auf Drängen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) beschlossen, dass der chinesische Konzern Cosco eine Beteiligung von 24,9 Prozent an einem Terminal im Hamburger Hafen übernehmen kann – statt wie geplant 35 Prozent. Mehrere Minister, darunter Habeck, wollten die Beteiligung komplett verbieten. Der Kanzler betonte, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe, sondern „lediglich“ um die Beteiligung an einem einzelnen Terminal. Siehe unseren Beitrag „China darf bei Hamburger Containerterminal einsteigen“.