USA errichten Inflationsschutzmauer
„Überbietungswettbewerb an WTO-inkompatiblen Subventionen“ – das wirft der Chef Außenwirtschaft des DIHK den USA vor. Gemeint ist der amerikanische „Inflation Reduction Act" (IRA). Mit ihm will die Regierung Biden in den USA produzierende Unternehmen steuerlich begünstigen.

Weltweit noch mehr Protektionismus
Mit den diskriminierenden Bestandteilen des IRA drohe weltweit noch mehr Protektionismus, so Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), gegenüber der „Rheinischen Post“. Für die deutsche Wirtschaft seien die angekündigten IRA-Nachbesserungen zwar „ein kleiner Hoffnungsschimmer“, die Gesamtsituation bleibe aber weiter kritisch: „In der Energiekrise hat die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa massiv gelitten und damit auch die der international eng vernetzten deutschen Wirtschaft“, so Treier.
Handelskonflikt nicht im US-Interesse
Nach seiner Einschätzung könnten die USA angesichts der geopolitischen Gesamtsituation kein Interesse an einem Handelskonflikt mit der EU haben. „Sie sollten daher EU-Unternehmen genauso wie die aus Kanada und Mexiko von Lokalisierungspflichten ausnehmen“, rät Treier den USA. Damit könne man transatlantisch die Lieferketten stärken.
Den EU empfiehlt der Wirtschaftsfachmann, hier geschlossen und entschlossen – „notfalls auch robust“ – die Wirtschaftsinteressen zu verteidigen. Am besten gelinge dies seiner Ansicht nach aus einer Position der Stärke. Bei der Entwicklung eigener industriepolitischer Maßnahmen in Europa komme es darauf an, den europäischen Standort attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen.
Gesetz nur zweitrangig gegen Inflation
Das Gesetz will die amerikanische Industrie mithin klima- und zukunftsfest machen – um eine Inflationsreduzierung geht es bei dem 430 Milliarden Euro schweren Investitionspaket der US-Regierung beispielsweise nach Ansicht des „Deutschlandfunks“ nicht primär – auf Kosten des Standorts Europa, fürchten die EU und ihre Mitgliedsstaaten.
Die Europäische Union sehe sich auch unter dem „sicherheitspolitischen Transatlantiker Biden“ (Demokraten) einer Fortführung der America-First-Wirtschaftspolitik von dessen Vorgänger Donald Trump (Republikaner) ausgesetzt. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten hoffe man auf eine friedliche Lösung. Doch will der Sender bereits Forderungen nach einem europäischen Gegenschlag erkennen können, vor allem aus Frankreich. „Wir müssen schauen, dass es nicht zu einem Handelskonflikt kommt“, zitiert der Funk Bundeswirtschaftsminister Christian Lindner (FDP), „Der würde nur Verlierer produzieren.“
In der Europäischen Union wird, so der „Deutschlandfunk“, das neue Engagement Washingtons für die Energiewende durch den IRA zwar begrüßt. Man befürchte jedoch, dass das Gesetz europäische Unternehmen benachteiligt und zur Abwanderung in die USA führt. Auch die EU hat in den vergangenen Jahren milliardenschwere Pakete auf den Weg gebracht, um Unternehmen sowie Bürgern zu unterstützen, etwa den europäischen Green Deal, den Corona-Wiederaufbaufonds, Investitionen für den Wiederaufbau einer europäischen Chipproduktion und die Förderung von Batteriefabriken und allein 600 Milliarden Euro, um Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts explodierender Energiepreise zu helfen.
Auf Kritik stoßen in der EU die aus hiesiger Sicht protektionistischen Vorschriften des IRA. Die geplanten Subventionen und Steuererleichterungen seien im wesentlich nur für Unternehmen vorgesehen, die in den USA produzieren beziehungsweise für Produkte, die im Land hergestellt werden. So beziffert der „Deutschlandfunk“ die Subvention des Kaufs von E-Autos auf 207 Milliarden Dollar (197 Milliarden Euro), wenn ihre Batterien in Nordamerika hergestellt werden.
Kommen die Batterien etwa aus Asien, wie bei einer Vielzahl europäischer E-Autos, kann der Kauf in den USA nicht gefördert werden. Auch deshalb investierten deutsche Konzerne jetzt in Kanada. Das nähre in der EU die Befürchtungen, dass viele europäische Industriebetriebe auf die andere Seite des Atlantiks abwandern könnten. Zumal dort die Energiepreise derzeit um ein Vielfaches niedriger liegen als in Europa.
Konform mit WTO- Regeln
Es dürfe keine Kopie der WTO-widrigen US-Maßnahmen geben, mahnt Treier. Die EU sei maßgeblich von einem offenen, regelbasierten Handelssystem abhängig. Anders könne Europa kaum von anderen Handelspartnern wie China oder Indien eine Öffnung ihrer Märkte einfordern. Ein Überbietungswettbewerb an mit WTO-Regeln inkompatiblen Subventionen sei das Letzte, was die deutsche Wirtschaft jetzt gebrauchen könne.
Im August 2022 unterzeichnete US-Präsident Jo Biden den IRA. Dies sorgt seither für Irritationen auf der europäischen Seite des Atlantiks. Den IRA stuft die US-Umweltschutzbehörde „United States Environmental Protection Agency“ (US EPA) als die bedeutendste Klimagesetzgebung in der Geschichte der USA ein. Seine Bestimmungen sollen ihr zufolge:
- Ökostrom finanzieren
- Kosten durch Steuergutschriften senken
- Emissionen reduzieren
- Umweltgerechtigkeit fördern.
Mit dem Gesetz zur Verringerung der Inflation plant die USA laut einer Aufstellung der IHK Düsseldorf Investitionen in Höhe von 374 Milliarden US-Dollar. Insgesamt sieht das Gesetz Gesamtausgaben von 725 Milliarden US-Dollar vor. Die Mittel sollen über zehn Jahre hinweg unter anderem als Steuergutschriften fließen an Käufer von:
- Elektrofahrzeugen,
- umweltfreundlichen Technologiegütern sowie
- Ökostrom.
Außerdem sieht das Gesetz staatliche Zuschüsse für klimafreundliche Projekte vor. Die in dem Gesetz gewährten Subventionen und Gutschriften sind an inländische Lieferklauseln gebunden.
So sieht das Gesetz etwa einen Bonus von 7.500 Dollar für jeden US-Bürger vor, der ein Elektrofahrzeug aus US-Produktion mit einer in den USA gefertigten Batterie kauft. Gestärkt werden soll damit die Produktion in den USA selbst. Um mögliche Unstimmigkeiten beizulegen, haben die EU und die USA eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen.
IRA und Green Power Partner
IRA bietet Anreize zur Senkung der Kosten für erneuerbare Energien für Organisationen wie Green Power Partners:
- Unternehmen
- gemeinnützige Organisationen
- Bildungseinrichtungen
- staatliche, lokale und Stammesorganisationen.
Wenn diese Organisationen die Steuergutschriften nutzen, die durch IRA verfügbar sind, bewegten sich die USA gemeinsam auf die Umsetzung einer sauberen Energiewende zu. IRA soll zudem steuerbefreiten Organisationen neue Steuervorteile bieten. Zu diesem Zweck ermögliche sie es einigen gemeinnützigen Organisationen, die Steuervergünstigung an Auftragnehmer zu übertragen. Es soll einen neuen Zugang zu Steuergutschriften sowie Zuschüssen und Anreizen zur Verringerung der Luftverschmutzung bieten. Einen Schwerpunkt legt der Gesetzgeber hier auf die Erreichung benachteiligter Bevölkerungsgruppen, Umweltgerechtigkeit und anderen Gemeinschaften.
Steuergutschriften | |
Unternehmen | Steuergutschrift für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen (PTC)
Steuergutschrift für Energieinvestitionen für Unternehmen (ITC) Energieeffiziente Gewerbegebäude Steuerabzug U.S. Department of Energy Kreditgarantieprogramm Umweltministerium Grundsteuergutschrift für die Betankung von Fahrzeugen mit alternativem Kraftstoff (Unternehmen) Qualifizierte Steuergutschrift für gewerbliche saubere Fahrzeuge Energieeffiziente Gewerbegebäude Steuerabzug |
Gemeinnützige Organisationen | wie Unternehmen, außer Steuerabzug auf Energieeffiziente Gewerbegebäude |
Bildungseinrichtungen | wie Gemeinnützige Organisationen |
Staatliche, lokale und Stammesregierungen | Grundsteuergutschrift für die Betankung von Fahrzeugen mit alternativem Kraftstoff (Unternehmen)
Energieeffiziente Gewerbegebäude Steuerabzug |
Die EPA geht davon aus, dass es mehr Möglichkeiten für Steuerbegünstigungen geben wird, sich direkt an Projekten zu beteiligen. Die Behörde sucht nach einem ersten öffentlichen Engagement zu weiteren neuen und bestehenden Programmen mit Bezug zum IRA, um Emissionsreduktionen zu erzielen zur:
- Bekämpfung des Klimawandels,
- Verbesserung der öffentlichen Gesundheit
- Verringerung der Umweltverschmutzung in überlasteten Gemeinden.
Investitionen in Gesundheitswesen
Das Gesetz sieht laut „Deutschlandfunk“ unter anderem 64 Milliarden Dollar (61 Milliarden Euro) für das Gesundheitswesen vor. Das Geld soll rund 13 Millionen Menschen bei den Kosten für ihre private Krankenversicherung unterstützen. Es soll die während der Corona-Pandemie gewährten Zuschüsse um drei Jahre verlängern. Ferner soll das Gesetz Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente senken. Dazu erhält „Medicare“, der staatliche Gesundheitsplan für ältere und behinderte Menschen, die Möglichkeit, Preise für eine begrenzte Anzahl von verschreibungspflichtigen Medikamenten mit den Pharmaunternehmen auszuhandeln.
Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente, die Medicare-Begünstigte aus eigener Tasche bezahlen müssen, begrenzt der IRA ab 2025 auf 2.000 Dollar jährlich, den Eigenanteil für das Diabetes-Medikament Insulin ab 2026 auf 35 Dollar monatlich.
Mehr Geld für Klimaschutz
Zudem umfasst der IRA das bislang umfangreichste Investitionspaket der Vereinigten Staaten für den Klimaschutz. Fast 375 Milliarden Dollar (357 Milliarden Euro) stellt der Staat in den kommenden zehn Jahren zur Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung in Form von Zuschüssen, Steuergutschriften und Darlehen. Damit fördert das Gesetz unter anderem:
- den Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie,
- die Energieeffizienz in Privathaushalten
- die Verringerung von Emissionen aus Gas- und Kohlekraftwerken sowie landwirtschaftlichen Betrieben, Häfen und Gemeinden.
Das Gesetz sieht auch die Förderung von Kernenergie und Technologien zur Kohlendioxidabscheidung vor, in deren Weiterentwicklung Petrokonzerne wie Exxon Mobil Millionen von Dollar investiert haben. Rund vier Milliarden Dollar werden für die Bekämpfung einer Mega-Dürre im Westen bereitgestellt, einschließlich der Bemühungen um den Schutz des Colorado River Basin, auf dessen Trinkwasser fast 40 Millionen Amerikaner angewiesen sind.
In einer transatlantischen Task Force sollen Vertreter von EU und USA nach einer Konfliktlösung suchen. Dass der IRA umfassend überarbeitet und die protektionistischen Komponenten gestrichen werden – davon geht in Brüssel derzeit kaum jemand aus.