23.01.2020

Scoutbee: Beschaffungssoftware adaptiert Sammelverhalten von Bienen

Zoll, Finanzierung, was man sonst über Zulieferer wissen muss – all diese Daten lassen sich automatisch sammeln. Möglich macht es eine Software, mit der ein Würzburger Start-up seit 2015 den B2B-Einkauf aufmischt. Mit solchem Erfolg, dass man sich jetzt vor Investoren kaum retten kann.

Scoutbee

Einkauf per Telefon und E-Mail

Auf 17 Billionen Dollar schätzt das „Handelsblatt“ das jährliche Einkaufsvolumen von Unternehmen weltweit. Häufig erfolge der Einkauf noch per Telefon und E-Mail. Kundenbeziehungen über Salesforce und das Personalmanagement sind längst digitalisiert. Jetzt schauten Gründer und Kapitalgeber auf Einkauf und Beschaffung. Gute Chancen auf einen der vorderen Plätze im Rennen um die Investitionen in Produkte und Dienstleistungen hierfür werden dabei einem Start-up aus Würzburg eingeräumt mit dem Namen „Scoutbee“.

Von den Bienen lernen

Scoutbees, zu Deutsch Kundschafter-Bienen, suchen für den heimischen Bienenstock nach neuen Nahrungsquellen, Wasservorkommen oder einer neuen Heimat für ihren Schwarm. Darüber informiert der Bayerische Rundfunk in einem Bericht über Forschungsergebnisse am Biozentrum der Universität Würzburg aus dem Jahre 2008. Demzufolge kehren die Kundschafterinnen in den Bienenstock zurück, wenn sie eine ergiebige Nahrungsquelle gefunden haben. Dort warten schon die Sammlerinnen und werden mit verschiedenen Tänzen über die Futterstelle informiert.

Natürliches Verhalten der Bienen

Kern der Scoutbee-Lösung setzt das natürliche Verhalten der Bienen um: das automatisierte Sammeln von Informationen über Zulieferer – etwa aus Zolldaten, Finanzdatenbanken und im Netz zugänglichen Quellen. Firmen sollen mit Hilfe der Software mehrere passende Vorschläge für Zulieferer bekommen. Zielgruppe sind Großunternehmen ab 500 Millionen Euro Umsatz.

Für das Konzept gebe es bereits Kunden wie Bosch-Rexroth und Adelholzener Es überzeugt offenbar immer mehr Investoren. „Es hat an Offerten von Geldgebern nicht gemangelt“, zitiert das „Handelsblatt“ Scoutbee-Mitgründer Gregor Stühler. Scoutbee setze sich dabei von Anbietern reiner Einkaufssoftware wie Jaggaer und Coupa durch die Idee ab, aktiv Daten von Zulieferern einzusammeln. Mit dieser Funktionalität sei Scoutbee weltweit führend. Es vervielfache die Effizienz der Einkäufer. Sie könnten so besser einschätzen, wie verlässlich und seriös Millionen von Zulieferern sind.

Kapital – Honig für Scoutbee

Dabei geht Scoutbee der Honig offenbar so schnell nicht aus. Laut den Gründern sei das Kapital aus der ersten größeren Finanzierungsrunde über zwölf Millionen Euro im Juni 2019 noch längst nicht aufgebraucht. Knapp 25 Prozent der Anteile bekämen die Neuinvestoren, 37 Prozent lägen bei den Gründern, der Rest bei Geldgebern aus der Anfangszeit. Scoutbee sei auf Jahre hinaus finanziert. Es könne zudem mehrere Branchen gleichzeitig angehen.

60 Millionen Dollar von Atomico, Lakestar, Next47

60 Millionen Dollar sammeln die Gründer in ihrer zweiten größeren Finanzierungsrunde Anfang 2020 ein, unter anderem vom Londoner Großinvestor Atomico, Klaus Hommels Lakestar und dem Siemens-Investmentarm Next47, wie die Zeitung am Rande der Digitalkonferenz DLD in München erfahren haben will.

Das Rennen um die beste Lösung für den B2B-Einkauf ist in vollem Gange. Ein Pharmaunternehmen, mit dem man gesprochen habe, gebe allein 1,2 Milliarden Dollar für Transaktionen unter 100.000 Dollar aus. „Solche Geschäfte laufen ungeprüft durch”, kommt Jan Miczaika, Partner beim Risikokapitalgeber Holtzbrinck Ventures, in dem Bericht zu Wort. Die Beschaffung sei häufig ineffizient, Einkaufschefs in den Unternehmen wünschten sich Transparenz – und niedrigere Einkaufspreise.

Sprung über den Atlantik

Scoutbee wurde 2015 gegründet. Innerhalb eines Jahres soll die Zahl der Mitarbeiter von heute 120 auf 220 steigen. Zudem will Scoutbee den Sprung über den Atlantik schaffen und baut zu diesem Zweck sein Büro in Washington aus. Das Ziel von Mitgründer Fabian Heinrich: Das über die Plattform vermittelte Einkaufsvolumen von 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 100 Milliarden Euro Jahr 2021 auszuweiten. Die Kunden sollen dabei ihre Einkaufspreise um rund zehn Prozent senken.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)