Preisdeckel auf russisches Rohöl
Der Preisdeckel kommt. Auf Gas ab März. Auf Öl gibt es ihn bereits. 60 US-Dollar pro Barrel soll für EU-Staaten der Höchstpreis für russisches Öl sein. Sie wollen verhindern, dass Russland mit Ölexporten Gewinne macht. Die Kritik aus Moskau kam umgehend. Nicht nur von dort.

Absprache unter Regierungsvertretern
Zunächst soll eine Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel gelten. Darauf hätten sich die EU und ihre internationalen Partner geeinigt, wie die „Tagesschau“ meldet. Russland soll demnach Erdöl künftig unter Marktpreis an Abnehmer in anderen Staaten verkaufen. Das sehe eine von Regierungsvertretern erzielte Absprache vor, berichtet die Sendung weiter und bezieht sich dabei unter anderem auf Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Der Preis von umgerechnet etwa 57 Euro pro 159 Liter würde um bis zu neun Euro unter dem jüngsten Marktpreis für russisches Rohöl der Sorte Urals liegen. Er soll den Plänen zufolge bereits seit vor Weihnachten gelten. Allerdings wurde Urals-Öl zuletzt unter dieser Marke gehandelt.
Strafen für Dienstleistungen russischer Ölexporte
Um die Preisobergrenze durchzusetzen, sehen die Regelungen für wichtige Dienstleistungen russischer Ölexporte Strafen vor. Sie sollen nicht angewandt werden, wenn deren Preis die Obergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien könnten mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Drittstaaten wie Indien transportieren. Zudem gelten Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie
- Versicherungen,
- technische Hilfe sowie
- Finanzierungs- und Vermittlungsdienste.
Um auf Marktentwicklungen reagieren zu können, sehen die Pläne vor, die Preisobergrenze etwa alle zwei Monate zu überprüfen. Sie soll immer um mindestens fünf Prozent unter einem von der Internationalen Energieagentur (IEA) ermittelten Durchschnittspreis liegen. Neben der EU beteiligen sich an den Maßnahmen Länder wie
- USA,
- Großbritannien,
- Kanada,
- Japan und
- Australien.
Ergänzung zum Öl-Embargo
Die Preisobergrenze soll das im Juni 2022 von der EU beschlossene Öl-Embargo gegen Russland ergänzen. Dieses sieht unter anderem folgende Verbote vor:
- Kein Erwerb,
- Keine Einfuhr,
- Keine Weiterleitung
von Rohöl und bestimmten Erdölerzeugnissen aus Russland in die EU. Die Beschränkungen gelten seit dem 5. Dezember 2022 für Rohöl und ab dem 5. Februar 2023 für andere Erdölerzeugnisse. Ausnahmeregelungen sind vorgesehen zum Beispiel für Ungarn. Den Grundsatzbeschluss zur Einführung der Preisobergrenze für russisches Öl hatten die Mitgliedstaaten im Oktober getroffen, nachdem die Gruppe der führenden westlichen Industrienationen (G7) eine entsprechende Initiative gestartet hatte.
Russland soll weiterhin Öl verkaufen
Ziel ist es laut „Süddeutsche Zeitung“, die russischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu drücken und so die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine zu erschweren. Das Dilemma: Russland soll weiterhin Öl verkaufen, sonst würde die wertvolle Ressource auf dem Weltmarkt noch knapper, und die Preise würden auch im Westen steigen. Also: verkaufen, aber zu einem vom Westen diktierten Preis. Die Zeitung fragt: „Kann das funktionieren?“ Es sei ein Experiment mit vielen Unbekannten, das die Verbraucher in Deutschland berühren könnte.
Für den Preisdeckel setzt die EU den Hebel bei den Transporten und den dafür nötigen Dienstleistungen wie Versicherungen an. Europäische Reedereien betreiben nach Angaben von Brüsseler Beamten mehr als die Hälfte aller Tanker auf der Welt. Das Prinzip lautet: Fuhren mit russischem Öl in Drittstaaten sind verboten, es sei denn, der Preis für die Ladung liegt nicht höher als der Deckel. Werde also die Preisgrenze eingehalten, könnten westliche Reedereien mit ihren Schiffen weiter russisches Öl nach Indien, China oder in andere Länder bringen.
Auch Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfen sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste dürften Russland dann weiterhin angeboten werden. Um dem Preisdiktat zu entkommen, kauft Russland einem Medienbericht zufolge alte Tankerschiffe auf. Etwa 100 gebrauchte Öltanker soll das Land im Laufe des Jahres erworben haben. Demnach kommen einige meist zwölf bis 15 Jahre alte Tanker aus Iran und Venezuela, die in den kommenden Jahren verschrottet worden wären. Um seine derzeitigen Exporte aufrechtzuerhalten, brauche Russland aber mindestens 240 Tanker.
Ausgang ungewiss
Ob die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und Drittländer entlastet, bleibt abzuwarten. Desgleich ist derzeit ungewiss, ob Russland, wie erhofft, nicht mehr von Preisanstiegen für Öl profitiert und damit seine Kriegskasse füllen kann. Die Zeitung zitiert Kallas in dem Sinne, jeder Dollar weniger pro Barrel (159 Liter) könnte die russischen Einnahmen aus dem Ölverkauf um zwei Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro pro Jahr drücken. Schon die Aussicht auf eine Preisobergrenze setzte die Rohölpreise unter Druck. Es kommt zudem darauf an, wie sich etwa China, Indien oder Ägypten verhalten, die derzeit einen großen Teil des russischen Erdöls kaufen. Von dort kam noch keine offizielle Reaktion.
Projekttreiber USA
Das Projekt haben laut dem Bericht maßgeblich die USA vorangetrieben. Sie befürchteten, dass das europäische Einfuhrverbot die Preise für nicht-russisches Öl und damit für Benzin in die Höhe treiben könnte. Die Verordnung für das Embargo sah eben kein Transportverbot vor. Tanker aus europäischen Staaten hätten also weiter teures russisches Öl in Drittstaaten transportieren können. Die US-Regierung begrüßte dementsprechend die Einigung der EU auf den Preisdeckel. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. US-Präsident Joe Biden habe sich beim G7-Gipfel im Sommer sehr nachdrücklich dafür eingesetzt. „Wir glauben, dass die Preisobergrenze die gewünschte Wirkung haben wird, indem sie die Möglichkeiten von Herrn Putin einschränkt, aus den Ölverkäufen Profit zu schlagen und seine Fähigkeit einschränkt, dieses Geld weiterhin zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie zu verwenden“, so Kirby.
Moskau: EU gefährdet Energiesicherheit
Nach Meinung des russischen Duma-Abgeordneten und Leiter des Auswärtigen Duma-Ausschusses Leonid Sluzki gefährdet die EU mit dem Preisdeckel ihre eigene Energiesicherheit. Daneben verstoße die EU gegen die Marktgesetze. Sie habe keinen Deckel eingeführt, sondern wieder den Boden durchbrochen, nur um „die Ambitionen von Übersee-Partnern zu befriedigen“, sagte Sluzki laut „Tagesschau“ mit Blick auf die USA. Doch von dort könnten die Europäer keine Hilfe erwarten.
Der stellvertretende russische Premierminister Alexander Nowak befürchtet für europäische Lieferanten negative Effekte durch die Preisobergrenzen für russisches Erdöl und Erdgas. Es seien „unlogische Entscheidungen auf dem Gasmarkt getroffen“, so Nowak laut „Telepolis“. Nowak prognostizierte, dass die derzeitigen Rabatte auf russisches Erdöl der Marke Urals wieder sinken und die Preise steigen werden. Nowak geht offenbar davon aus, dass sich der Preis für russisches Erdöl im kommenden Jahr zwischen 70 und 100 US-Dollar pro Barrel einpendele. Die russische Regierung hat mehrfach bekräftigt, man werde nicht an Länder liefern, die sich dem Preisdeckel für Öl oder Gas angeschlossen haben. Dies beträfe neben den EU-Mitgliedstaaten die übrigen G-7-Staaten sowie Australien.
Schwierige Verhandlungen
Die Verhandlungen über die konkrete Preisobergrenze hatten sich zuletzt schwieriger als erwartet gestaltet. Polen forderte zunächst mit Unterstützung baltischer Staaten, eine Preisobergrenze von unter 30 Dollar pro Barrel festzusetzen und so an den geschätzten Produktionskosten von 20 bis 40 Dollar pro Barrel zu bleiben. Unterstützt wurde Warschau dabei von der Ukraine, die einen Preis von bis zu 30 Dollar für möglich hielt. Gegen eine so niedrige Preisgrenze waren allerdings insbesondere Staaten wie Griechenland und Malta. Sie befürchten von einer derart niedrigen Preisgrenze Insolvenzen in ihren Ländern angesiedelter Reedereien, weil Russland sich weigern könnte, sein Rohöl zu einem sehr niedrigen Preis zu verkaufen.
Öllieferungen über Danzig für Schwedt
Deutschland und Polen haben eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet, der zufolge die PCK-Raffinerie in Schwedt Rohöl über den Hafen in Danzig beziehen können soll. Konkrete Liefermengen stehen noch nicht fest. Sie sollen die beteiligten Unternehmen aushandeln. Zusätzlich ist auch kasachisches Öl im Gespräch. Bislang bereitete Sorgen, dass große Kapazitäten in der Raffinerie auf Dauer brachliegen könnten, sobald die russischen Ölimporte zum Jahreswechsel gestoppt werden.
Beide Seiten hätten zugesagt, die Kapazitäten der existierenden Häfen und Pipelines schnellstmöglich zu erhöhen:
- die deutsche Seite für den Hafen Rostock und die Pipeline Rostock-Schwedt,
- die polnische Seite für Danzig und die Pipeline durch Pommern.
„Diese Erklärung bekräftigt unseren gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit, um die Bedingungen für Öllieferungen für polnische und deutsche Raffinerien, die an das polnische Pipeline-Netz angeschlossen sind, zu optimieren“, sagte die polnische Umweltministerin Anna Moskwa einer Pressemitteilung zufolge. Die Vereinbarung trage dazu bei, dass die Bedingungen für Kraftstofflieferungen an Kunden in beiden Ländern verberssert werde.
Bislang bekam die PCK-Raffinerie russisches Öl über die Druschba-Pipeline. Wegen des Krieges in der Ukraine will die Bundesregierung das zum 1. Januar 2023 zu stoppen. Das Volumen der Pipeline von Rostock nach Schwedt reicht nicht aus, um das auszugleichen. Auch die Mitteldeutsche Raffinerie in Leuna nutzt die Druschba-Pipeline. Im Gegensatz zu PCK besteht hier bereits eine Vereinbarung, als Ersatz Tankeröl über Danzig zu beziehen.
Kein Erdgas von OMV oder Wintershall für Russland
Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnete unterdessen einen Erlass, der es dem staatlichen Energiekonzern Gazprom verbietet, Erdgas aus den Mischunternehmen mit dem österreichischen Energieunternehmen OMV und dem deutschen Wintershall-Konzern unter einem bestimmten Grenzwert anzukaufen. Gazprom fördert in Joint-Ventures mit den beiden Unternehmen auf den Feldern Urengoi und Juschno-Russkoje Erdgas. Moskau muss den Preisdeckel für den Ankauf von Gas aus den Gemeinschaftsunternehmen nun binnen zehn Tagen festlegen, schreibt die Nachrichtenagentur Ria Nowosti.