09.12.2021

Mangelware: Dieselzusatz Harnstoff geht aus

Es riecht wie Toilette, es sieht aus wie Toilette – es ist aber keine Toilette, sondern der Einfüllstutzen eines LKW, nämlich der für Harnstoff, alias „AdBlue“. Durch jenen fließt von diesem derzeit weniger. Die Branche hat in ihrer Not ein eigenes Versorgungssystem für den Stoff aufgebaut.

Dieselzusatz Harnstoff

Gelb-braunes Mineral Harnstoff

Harnstoff ist ein Mineral, nur in trockener Umgebung stabil. Es ist nach dem griechischen Wort „oyron“ benannt – lateinisch urina, Urin. Es ist nicht gefährlich, schreibt „science19.com“. Gleichwohl seien Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Harnstoff angebracht:

  • Aussehen: hellbraun oder hellgelb, normalerweise durchscheinend, flüssig oder fest.
  • Geruch: fast keiner, allenfalls leicht nach Ammoniak.
  • Dichte: 1,33 g / cm3 Verhältnis Masse und Volumen.
  • Spezifische Schwerkraft: 1,34 bei Raumtemperatur 20 Grad Celsius, schwerer als Wasser.
  • Löslichkeit: in Wasser 119 Gramm pro 100 Gramm Wasser bei 25 Grad Celsius.
  • Molekulargewicht: 60,06 Gramm
  • Zersetzung: bei 132,7 Grad Celsius zu Ammoniak und Kohlendioxid, verbrannt emittiert es geringe Mengen Stickoxiden.

AdBlue in Bussen und LKW

Dieser Stoff trägt den Markennamen „AdBlue“ und wird von LKW und Bussen sowie Diesel-PKW als Zusatz zum Diesel zur Stickoxid-Reduzierung benötigt. „Doch das wird knapp“, schreibt „Focus“. Schuld seien:

  • hoher Gaspreis
  • hoher Düngemittelpreis.

„AdBlue“ führen die Fahrzeuge in einem Extra-Tank mit. Ein spezieller Katalysator sprüht es ins Abgas ein. Die Fahrer füllen den Stoff je nach Kilometerleistung mehrmals im Jahr nach. Versäumen sie das, wären die Fahrzeuge zwar fahrtüchtig, aber nicht mehr fahrbereit. EU-Gesetze schreiben bei leerem AdBlue-Tank vor, den Motor nicht mehr starten zu dürfen.

Engpässe an AdBlue seit November

Anfang November haben laut „Focus“ Spediteure und Tankstellenbetreiber über erste Engpässe berichtet. Am 15. November veröffentlichte der Bundesverband der Omnibusunternehmer eine Umfrage unter 415 Mitglieder:

  • Rund 40 Prozent könnten aufgrund des Adblue-Mangels Busse nicht mehr betreiben,
  • 32,5 Prozent machten aufgrund der gestiegenen Kosten Verluste mit der Folge, auch dann Fahrzeuge im Depot stehen zu lassen.
  • 55,9 Prozent der Betreiber setzen ihre Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr ein mit schwerwiegenden Folgen für den Verkehr auf dem Land.
  • Weniger als ein Drittel der Befragten verfügten noch über ausreichende Vorräte.
  • 18,1 Prozent hätten gar keine ausreichenden Vorräte,
  • 52,5 Prozent neigen sie sich dem Ende zu.

Am Mangel der Chemikalie werde sich voraussichtlich bis zum Frühjahr nichts ändern, mutmaßt das Blatt.

Mangel bei LKW

Auch bei Lastwagen zeichnet sich ein Mangel ab. Eine Blitzumfrage des Bundesverbandes Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) mit 7000 Mitgliedern und rund 200.000 LKW ergab, dass:

  • bei sieben Prozent ein akuter Mangel besteht
  • 68 Prozent das Eintreten eines solchen befürchten.

Zur AdBlue-Notversorgung seiner Mitgliedsunternehmen hat der BGL gemeinsam mit der SVG Gruppe, dem AdBlue-Hersteller SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH und der Wilhelm Hoyer GmbH & Co. KG eine Exklusivvereinbarung geschlossen. Diese soll BGL-Mitgliedsunternehmen den Zugang zu einem nur für sie reservierten AdBlue-Bestand bei SKW Piesteritz ermöglichen, um bei akutem AdBlue-Mangel einen drohenden Fahrzeugstillstand zu vermeiden.

Klientelpolitik und Versorgungssicherung

Engelhardt: Mit dieser Exklusivvereinbarung bewahre man nicht nur die eigene Klientel vor Fahrzeugausfällen aus Mangel an dem Harnstoff. Man sichere „auch die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft“. SKW Piesteritz sei es wichtig, der Verantwortung gerecht zu werden, die man als Produzent eines systemrelevanten Produktes trage. Niemand könne Interesse daran haben, die Logistikkette in Deutschland aufgrund eines Mangels an AdBlue zusammenbrechen zu sehen.

„Daher unterstützen wir auch die Bemühungen des BGL eines Runden Tisches, um mit der Politik diesbezüglich Lösungen zu suchen“, so Petr Cingr, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)