17.04.2023

Hannover Messe: Transportindustrie zeigt Wege in die Zukunft

Maschinelles Lernen, Plattformen und Arbeitswelt der Zukunft. Führende Repräsentanten der Logistikindustrie zeigen im Spitzencluster „it's OWL“ auf der Hannover-Messe, wo die Reise hingeht. Mähdrescherbauer Claas beispielsweise verspricht sich eine bessere Planung der Produktion.

Hannover Messe Transportindustrie

Verbesserungen in Transport- und Logistikwirtschaft

Insgesamt rund 200 Unternehmen und Forschungseinrichtungen erschließen in der „Datenfabrik.NRW“, das eigenen Angaben zufolge größte Projekt des Spitzenclusters „it ́s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe“ neue Technologien für Maschinelles Lernen, Plattformen und die Arbeitswelt der Zukunft.

In dem Projekt erarbeiten die Weltmarktführer Claas und Schmitz Cargobull gemeinsam mit NTT Data, Duvenbeck Kraftverkehr und MotionMiners sowie den Fraunhofer-Instituten IEM, IML, IOSB-INA und IAIS ein Modell für eine datengetriebene Fabrik der Zukunft. Neue Methoden und Technologien setzen die Unternehmen direkt in ihrer Produktion um.

Insgesamt wollen die Unternehmen 50 Use Cases implementieren. Dadurch entstehen hochmoderne Produktionsstandorte, die anderen Unternehmen den Mehrwert einer datengetriebenen und KI-gestützten Fertigung verdeutlichen. Damit soll das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Produktion am Standort Deutschland leisten. Auf der Hannover Messe 2023 können sich Interessierte auf dem OWL-Gemeinschaftsstand (D27, Halle 7) vom 17. bis 21.04.2023 über Ansätze und Ergebnisse informieren.

KI Schlüssel für datengetriebene Fabrik

„Künstliche Intelligenz hat enorme Potenziale, um Maschinen und Anlagen effizienter und produktiver zu fertigen. Mit der Datenfabrik wollen wir Produktion komplett neu denken. Und von der Fabrikplanung über die Fertigung bis zur Logistik Daten konsequent erfassen und verwerten. Von den Ergebnissen und Erfahrungen können produzierende Unternehmen in ganz OWL und darüber hinaus profitieren“, sagt Günter Korder, Geschäftsführer it’s OWL Clustermanagement. So ist für den am Projekt beteiligten Landmaschinen-Hersteller Claas die Datenfabrik.NRW ein wichtiger Baustein für die Umstellung der Fertigung von Mähdreschern. „Das Projekt Datenfabrik.NRW kommt genau zur richtigen Zeit und passt hervorragend zu unserer Werksmodernisierung“, sagt Stefan Schulte, Geschäftsleitung Claas Selbstfahrende Erntemaschinen GmbH.

Intelligentere Mähdrescherproduktion

Claas hat laut Pressemitteilung 44 Millionen Euro in die Hand genommen und im Herzen seiner Produktion im Stammwerk im westfälischen Harsewinkel auf 15.000 Quadratmetern eine komplett neue Halle für die moderne Mähdrescherproduktion geschaffen. Das Projekt „Datenfabrik.NRW“ soll digitale Lösungen wie z.B. KI-gestützte Produktionsplanung erarbeiten, die für mehr Qualität, Effizienz und bessere Arbeitsplätze sorgen.

Einkauf - Logistik - Transport

Cleverer Einkauf. Durchdachte Logistik. Sicherer Transport.

€ 749.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

In Harsewinkel steht das gerade umfangreich modernisierte Werk des Landmaschinenherstellers Claas. Hier verlassen jeden Tag bis zu 40 Hightech-Mähdrescher die Fabrik. Die Herausforderung hierbei: Keine der riesigen Landmaschinen ist identisch. „Mähdreschen ist nicht gleich mähdreschen“, erklärt Simon Krieter, Leiter Werkstrukturprojekte des Werks in Harsewinkel. Was er damit meint: Abhängig von den zu erntenden Feldfrüchten, den klimatischen Bedingungen in der jeweiligen Region, der Bodenbeschaffenheit, der Größe der Felder, müssen Mähdrescher unterschiedliche Anforderungen erfüllen.

„Ein Mähdrescher, der in Argentinien Sojabohnen erntet, ist technisch ganz anders ausgestattet als einer, der in Norddeutschland Getreide mäht“, sagt Krieter.

„Unsere Kunden konfigurieren ihren Mähdrescher nach ihren Bedürfnissen; unsere Aufgabe ist es, effizient, ressourcenschonend und in bester Qualität zu produzieren.“
Damit ist Claas an einem Punkt, an dem das Unternehmen untersucht, in welchen Anwendungsfällen Daten und Künstliche Intelligenz in der Produktion unterstützen können, um die gestiegene Komplexität zu beherrschen, sagt Schulte, „nach unserem groß angelegten Umbau der Mähdrescher-Montage ist der Zeitpunkt ideal, um nun die Prozesse weiter zu optimieren.“

„Unsere Produktion ist auf die Minute genau getaktet. Das Auftragsnetzwerk und die Datenstrukturen sind entsprechend detailliert und komplex.“, beschreibt Krieter die Situation. Eine umfassende Analyse dieser Aufträge sei manuell kaum möglich. Eine KI werte fortlaufend aus, wie die unterschiedlichen Aufträge auf die Fertigungsmaschinen verteilt werden, um eine bestmögliche Auslastung zu erreichen. Den Mitarbeitern von Claas ständen dann Handlungsoptionen zur Verfügung, um die Fabrik ressourcenschonend auszulasten. Hier kommt das Projekt Datenfabrik.NRW des Spitzenclusters „it’s OWL“ ins Spiel mit seiner Förderung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Industrie.

Komplexität beherrschen

Als Zielgrößen, die es in der Produktionsplanung zu berücksichtigen gelte, nennen die Initiatoren des Projektes beispielhaft:

  • Individuelle Kundenwünsche
  • Arbeitskräftemangel
  • Wunsch nach einer energieeffizienten Fertigung

Das oftmals bestehende Wissen eines Produktionsplaners und das Informationsmanagement mittels Excel-Listen kämen dabei schnell an Grenzen. „Unternehmen erreichen zunehmend einen Punkt, an dem sie auf Datendurchgängigkeit und Künstliche Intelligenz in der Produktionsplanung angewiesen sind, um die gestiegene Komplexität beherrschen zu können”, sagt Dr. Arno Kühn, Leiter Strategie, Forschung und Entwicklung des Technologie-Netzwerks „it‘s OWL“.

Suche nach geeigneten Algorithmen

Wie Algorithmen die Planung unterstützen können, indem sie Daten schneller und besser analysieren als der Mensch, erarbeiten im Projekt die Forscher der Fraunhofer-Institute mit den Unternehmen. Dabei sucht der Algorithmus nach den besten Planungsschritten, um Ziele zu erfüllen, die das Unternehmen zuvor festgelegt hat – von der Minimierung von Engpässen über Kostenreduktion bis hin zum geringen Energieverbrauch.

KI-Lösungen schnell skalieren

Bei der Umsetzung der Use Cases werden die neuen Technologien und Methoden direkt in der Produktion getestet. Auswirkungen auf Prozesse, IT und Organisation seien so sofort erkennbar und anpassbar. Diese Vorgehensweise bietet den Unternehmen wie den Forschungseinrichtungen einen großen Mehrwert. „Wir wollen Insellösungen vermeiden und sicherstellen, dass die entwickelten KI-Lösungen schnell skalieren und auf andere Anwendungsfälle und Standorte angepasst werden können. Durch die Datenfabrik entstehen Strukturen und Prozesse im Unternehmen, die es ermöglichen, die Potenziale von KI zu erkennen und nachhaltig im Unternehmen zu verankern“, erläutert Kühn. Das gewonnene Wissen über die Barrieren und Lösungsansätze bei der Einführung von KI-Lösungen wollen die Forschungseinrichtungen in zukünftige Projekte im Kontext der industriellen Transformation überführen.

Datenfabrik-Expertise: Fabrikplanung wird digital

Eine KI-gestützte Produktion steht ebenfalls im Mittelpunkt des Interesses des Herstellers von Sattelaufliegern, Aufbauten und Anhängern Schmitz Cargobull. Das Unternehmen treibt die Digitalisierung in Produktion wie im Produkt- und Serviceangebot voran. Die Branche sei ohnedies stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig. Das erfordere eine schnelle Anpassung an sich rasch ändernde Rahmenbedingungen vor allem in der Produktion. Die Hauptproduktionsstandorte von Schmitz Cargobull liegen im Münsterland mit Werken in Vreden und Altenberge. Das Werk für die Kühlkofferfertigung in Vreden nimmt mit der „Datenfabrik.NRW“ in Hinsicht auf die Digitalisierung des Produktionsnetzwerks eine Vorreiterstellung ein.

„Die Erkenntnisse, die wir durch die Mitarbeit am Projekt für die Produktion, die Produktionsplanung und Produktionslogistik gewinnen, werden wir direkt am Werksstandort Vreden erproben. Das Werk Vreden übernimmt dann in unserem internationalen Produktionsnetzwerk eine Modellfunktion für die Weiterentwicklung der Produktion insgesamt“, sagt Vorstandsvorsitzender Andreas Schmitz.

Werkserweiterung in Vreden

Für den Standort in Vreden plant das Unternehmen eine Werkserweiterung. Die Planung findet mit Hilfe der „Datenfabrik.NRW“ digital statt. „Wir setzen die Planung von Gebäude, Fertigungsbereichen, Arbeitsplätzen und Anlagen schon vor der Realisierung weitestgehend digital um“, sagt Stefan Cramer, Leiter des Werks in Vreden. Ohne Unterstützung wäre das nicht möglich. „Bisher haben wir das noch nicht gemacht und sind technisch noch nicht entsprechend aufgestellt“, sagt Cramer.

Mit Unterstützung der Experten der „Datenfabrik.NRW“ kann das Unternehmen die Herausforderung nunmehr angehen. „Wir bekommen Zugang zu Wissen und zu Partnern wie den Fraunhofer-Instituten und profitieren natürlich auch von dem Austausch mit anderen Unternehmen wie der Firma Claas, die bereits vor ähnlichen Herausforderungen gestanden haben“, sagt Cramer.

3D-Simulationen erleichtern Planung

Vorteil einer digitalen Planung der Werkserweiterung: ein 3D-Modell. Es ermöglicht bereits vor dem Bau des Werks die Simulation der Funktionsweise des Werks, wenn es in Betrieb sein wird. Dadurch könne man Engpässe in der Produktion und Materialflüsse rechtzeitig erkennen und entsprechend verbessern. Bei der Erstellung von virtuellen Fabrikmodellen anhand einer realen Fabrik kann Künstliche Intelligenz unterstützen, sind die Verantwortlich überzeugt. Ein Algorithmus zur 3D-Rekonstruktion könne verschiedene Bilder oder Videos der realen Werkshalle verarbeiten und zu einem virtuellen Modell zusammenfügen. Zudem ließen sich Algorithmen zur Objekterkennung dazu nutzen, Maschinen und Arbeitsbereiche automatisch zu identifizieren und für ein 3D-Modell zu verarbeiten. Mit diesen Informationen können Unternehmen ihre Prozesse in der Werkshalle verbessern, um dadurch ihre Effizienz und Produktivität zu steigern.

Transfer in den Mittelstand

Die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt sollen auch andere Unternehmen nutzen können, um ihre Produktion zukunftsfähig zu gestalten. Dazu werden das Technologie-Netzwerk it’s OWL und die Landesinitiative KI.NRW umfangreiche Aktivitäten umsetzen. Beispielsweise mit Touren durch die neuen Fabriken und Workshops mit den Projektpartnern, Transferprojekte und Qualifizierungsangebote. Auf der HANNOVER MESSE 2023 können sich Interessierte auf dem OWL Gemeinschaftsstand an einer Modellfabrik über Einsatzbereiche und deren Wirkungen informieren.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)