24.05.2023

EU-Zollreform soll Zollverfahren erleichtern

Datengesteuert soll der Zoll künftig die Einfuhren überwachen. Das sieht ein Vorschlagspapier der EU-Kommission vor. Es soll die umfassendste Reform der EU-Zollunion seit deren Gründung im Jahr 1968 vorbereiten. Industrie und Handel in Deutschland melden weitreichende Kritik an.

EU-Zollreform

Zollverfahren zu schwerfällig

Im Kern geht es der EU-Kommission um folgende Punkte:

  • Schwerfällige Zollverfahren abbauen
  • datengesteuerte Einfuhrüberwachung
  • neue EU-Zollbehörde
  • Überwachung über eine EU-Zolldatenplattform als Motor des neuen Systems
  • Zollbehörden erhalten alle notwendigen Instrumente, um Einfuhren, die echte Gefahren darstellen, bewerten und stoppen zu können.

Kritik von Industrie und Handel

Industrie und Handel zeigen sich enttäusch über die Reformvorschläge der Kommission. Für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen sei eine effiziente und möglichst reibungslose Abfertigung internationaler Warenströme durch die Zollverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten eine oft unterschätzte, aber entscheidende Größe, stellt der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier klar. „Daher wäre eine praxisnahe EU-Zollreform mit Fokus auf Bürokratieabbau und Digitalisierung für die auslandsaktiven Betriebe von großer Bedeutung“, so Treier.

Leider sei „davon in der EU-Zollreform nicht viel zu sehen“, kritisiert er. Dringend notwendige und seit Jahrzehnten angekündigte Entlastungen für zuverlässige Unternehmen (Authorized Economic Operators, AEO) verschöben die Vorschläge in die Zukunft, kurzfristig mögliche Vereinfachungen des bestehenden Zollrechts gingen sie nicht an, „der überkomplexe EU-Zolltarif wird nicht vereinfacht“, bemängelt Treier.

Anwendungen überarbeiten, Wirtschaft einbeziehen

Stattdessen solle die Zollfreiheit für Kleinsendungen abgeschafft werden – „ohne zu erkennen, dass die Kosten höher als die Zolleinnahmen wären“, so der DIHK-Fachmann weiter. Und: „Die EU kündigt ein ‚data hub‘ für die Zukunft an. Das ist wichtig, allerdings wäre es gut, vorher aktuell bestehende EU-Zollanwendungen wie das EU-Traderportal endlich nutzerfreundlich zu gestalten.“ Die bislang nicht vorhandene Konsultation der Wirtschaft zu den geplanten Maßnahmen müsse „schleunigst erfolgen“, mahnt Treier. Nur so sei gewährleistet, dass die künftigen Zollprozesse auch tatsächlich in der Praxis funktionieren. Die DIHK hat eine Reihe von Vorschlägen, wie eine Zollrechtsreform die Wirtschaft entlasten könnte, in einem Ideenpapier zusammengestellt:

  • Digitalisierung konsequent umsetzen
  • EU-Traderportal verbessern und diesbezügliche Support-Stellen stärken
  • Verfahrensübergreifende Verwendung von Gesamtsicherheiten ermöglichen
  • EU-weite unternehmensübergreifende verbindliche Zolltarifauskünfte (VZTA)
  • EU-Vermittlungsstelle bei uneinheitlicher Handhabung des Zollrechts durch nationale Zollbehörden schaffen
  • Taric:
    • Zollsätze von unter 2 % überprüfen und insgesamt vereinheitlichen
    • Kombinierte Nomenklatur: Anzahl der Warentarifnummern reduzieren
    • Anzahl der Codierungen in den Zollanmeldungen verringern
    • Änderungen mit Vorlauf und begleitenden Information ankündigen
  • Umfang der Datenelemente in Zollanmeldungen regelmäßig überprüfen
  • Vereinfachung bei der detaillierten Warenbeschreibung für AEOs
  • Vereinfachung der Korrektur von Zollanmeldungen
  • Zollrecht KMU-freundlich ausgestalten
  • Abschaffung unnötiger Verordnungen
  • Stärkung betrieblicher Dokumentationsformen gegenüber formellen Meldungen
  • Förderung umweltfreundlicher Mehrwegsysteme
  • Vereinfachungen für den AEO
  • Vereinfachungen der Zollabwicklung auf nationaler Ebene (Deutschland)
    • Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer auf Verrechnungsmodell umstellen
    • Carnet-Clearing-Stelle bei der deutschen Zollverwaltung
    • Automatisierung und dezentrale Zollabwicklung bei der Einfuhr
    • Kapazitäten bei Zollämtern ausbauen
    • Erforderlichkeit der elfstelligen Warentarifnummer prüfen

Betrüger nutzen Schwellenwert aus

Sie enthält eine soeben von der Kommission vorgelegten Vorschlagliste. Danach will die Kommission den derzeitigen Schwellenwert einer Zollbefreiung von Waren mit einem Wert von weniger als 150 Euro angehoben sehen. Grund: Betrüger würden ihn bisher stark ausnutzen. Bis zu 65 Prozent solcher in die EU eingeführten Waren würden aktuell mit einem zu niedrigen Wert angemeldet, um Zollgebühren bei der Einfuhr zu umgehen.

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Online-Version

Die Reform denkt sich die Kommission als Reaktion auf Druck, unter dem die EU-Zollbehörden nach ihrer Einschätzung ständen. Ihn riefen der Kommission zufolge unter anderem hervor:

  • gewaltiger Anstieg des Handelsvolumens, insbesondere des elektronischen Handels,
  • eine rasch wachsende Zahl von EU-Normen, deren Einhaltung an der Grenze geprüft werden muss,
  • sich verändernde geopolitische Gegebenheiten und Krisen.

EU-Kommission: „grüneres, digitaleres Zeitalter“

Die Reform soll das Zollwesen für ein „grüneres, digitaleres Zeitalter rüsten“, wie die Pressemitteilung der Kommission ausführt. Dies werde „zu einem sichereren und wettbewerbsfähigeren Binnenmarkt beitragen“. So vereinfache und straffe die Reform die Zollmeldepflichten von Wirtschaftsbeteiligten. Beispielsweise soll:

  • die Abwicklung von Einfuhrverfahren weniger zeitaufwendig sein,
  • es eine zentrale EU-Schnittstelle geben und
  • die Wiederverwendung von Daten erleichtert werden.

Auf diese Weise trage die Reform dazu bei, diese Belastungen um 25 Prozent reduziert werden sollen, ohne die damit verbundenen politischen Ziele zu unterlaufen.

Neue EU-Zollbehörde – neue EU-Zolldatenplattform

Eine neue EU-Zollbehörde soll eine EU-Zolldatenplattform überwachen, die als Motor des neuen Systems fungieren wird. Im Laufe der Zeit werde die Datenplattform die bestehende IT-Infrastruktur für den Zoll in den EU-Mitgliedstaaten ersetzen. Dadurch könne man jährlich bis zu zwei Milliarden an Betriebskosten einsparen. Zudem soll die neue Behörde zu einem verbesserten EU-Ansatz für Risikobewertung und Zollkontrollen beitragen.

Partnerschaft mit Unternehmen

In der reformierten EU-Zollunion sollen Unternehmen, die Waren in die EU einführen wollen, alle Informationen über ihre Produkte und Lieferketten in eine einzige Online-Umgebung einspeisen. die neue EU-Zolldatenplattform. Mit dieser Spitzentechnologie wird es möglich sein, die von der Wirtschaft bereitgestellten Daten zu bündeln, sodass die Behörden – durch maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und menschliches Eingreifen – einen vollständigen Überblick über die Lieferketten und den Warenverkehr erhalten.

Darüber hinaus brauchen Unternehmen bei der Übermittlung ihrer Zollinformationen nur mit einem einzigen Portal zu kommunizieren und die Daten für mehrere Sendungen lediglich einmal zu übermitteln. In bestimmten Fällen, in denen die Geschäftsabläufe und Lieferketten vollkommen transparent sind, können die vertrauenswürdigsten „Trust & Check“-Händler ihre Waren ohne aktives Tätigwerden der Zollbehörden in der EU in den Verkehr bringen. Die Kategorie Trust (Vertrauen) und Check (Kontrollieren) stärkt das bestehende Programm für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte für vertrauenswürdige Händler.

Instrument zur Unterstützung der EU-Unternehmen?

Diese neue Partnerschaft mit der Wirtschaft ist laut EU-Kommission weltweit die erste dieser Art. Es handelt sich um ein neues Instrument zur Unterstützung der EU-Unternehmen, des Handels und der offenen strategischen Unabhängigkeit der EU. Die EU-Zolldatenplattform werde die Einfuhr von Waren in die EU mit minimaler Intervention der Zollbehörden ermöglichen, ohne dass Abstriche bei der Sicherheit oder der Betrugsbekämpfung zu machen wären.

Den Vorschlägen zufolge soll die Datenplattform ab 2028 für Sendungen des elektronischen Handels und ab 2032 freiwillig für alle anderen Einführer zur Verfügung stehen und unmittelbare Vorteile und Vereinfachungen mit sich bringen. Trust & Check-Händler können ihre Einfuhren bei den Zollbehörden des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig sind, abfertigen, unabhängig davon, wo die Waren in der EU eintreffen. Im Jahr 2035 soll geprüft werden, ob diese Möglichkeit auf alle Wirtschaftsbeteiligen ausgeweitet werden kann, wenn die Plattform ab 2038 für alle verpflichtend wird.

Ein intelligenterer Ansatz für Zollkontrollen

Das vorgeschlagene System soll den Zollbehörden einen umfassenden Überblick über die Lieferketten und Produktionsprozesse der in die EU eingeführten Waren geben. Alle Mitgliedstaaten sollen Zugang zu Echtzeitdaten haben und in der Lage sein, Informationen zu bündeln, um schneller, einheitlicher und effektiver auf Risiken reagieren zu können.

Dabei soll das neue System künstliche Intelligenz nutzen, um Daten zu analysieren und zu überwachen und Probleme zu ermitteln, noch bevor die Versendung der Waren in Richtung EU begonnen hat. Auf diese Weise könnten die EU-Zollbehörden ihre Anstrengungen und Ressourcen auf die Bereiche beschränken, in denen sie am dringendsten benötigt werden: bei der Unterbindung der Einfuhr unsicherer oder illegaler Waren in die Union und der Durchsetzung der zunehmenden Zahl an EU-Rechtsvorschriften, mit denen bestimmte Waren verboten werden, die den gemeinsamen Werten der EU zuwiderlaufen, wie etwa in den Bereichen Klimawandel, Entwaldung und Zwangsarbeit. Daneben trage der neue Ansatz zur ordnungsgemäßen Erhebung von Zöllen und Steuern zum Nutzen der nationalen Haushalte und des EU-Haushalts bei, heißt es in der Kommissionsverlautbarung.

Um den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, die Risiken richtig einzuschätzen und ihre Kontrollen und Untersuchungen – insbesondere in Krisenzeiten – zu koordinieren, bündelt die neue EU-Zollbehörde Informationen und Fachwissen auf EU-Ebene auf Grundlage der über die EU-Zolldatenplattform bereitgestellten Daten. Die neue Regelung soll die Zusammenarbeit zwischen Zoll-, Marktüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden auf EU- und nationaler Ebene verbessern helfen, unter anderem durch den Informationsaustausch über die Zolldatenplattform.

Ansatz für elektronischen Handel

Die Reform soll Online-Plattformen zu Schlüsselakteuren bereitstellen. Damit wolle man sicherzustellen, dass Waren, die online in die EU verkauft werden, alle Zollverpflichtungen erfüllen. Hierin sieht die Kommission einen Unterschied zum derzeitigen Zollsystem, das die Verantwortung auf die einzelnen Verbraucher und Beförderer überträgt. Künftig müssten die Plattformen dafür sorgen, dass Zölle und Mehrwertsteuer beim Kauf entrichtet werden, sodass die Verbraucher bei Ankunft eines Pakets sich nicht länger versteckten Gebühren oder unerwarteten Formalitäten gegenüber sehen. Offizielle Einführer werden die Online-Plattformen sein. Deswegen könnten die Verbraucher in der EU die Gewissheit haben, dass

  • alle Zölle entrichtet wurden,
  • ihre Einkäufe sicher seien,
  • den Umwelt-, Sicherheits- sowie
  • Ethikstandards der EU entsprechen.

Einfachere Berechnung von Zollgebühren

Die Reform vereinfacht die Berechnung der Zollgebühren für die gängigsten Waren mit geringem Wert, die außerhalb der EU gekauft werden, Hierdurch würden Tausende mögliche Zollkategorien auf nur vier reduziert. Dies soll die Berechnung von Zöllen auf kleinere Pakete vereinfachen und Plattformen wie Zollbehörden gleichermaßen dabei unterstützen, die jährlich eine Milliarde online getätigten und in die EU eingeführten Einkäufe besser zu verwalten. Die Kommission erhofft sich hiervon, das Betrugsrisiko zu beseitigen. Sie erwartet, dass die neue maßgeschneiderte Regelung für den elektronischen Handel zusätzliche Zolleinnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich generieren wird.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)