12.09.2018

Die Krise der Bahn

Unpünktlich, nicht leistungsfähig, tief verschuldet – bei der Deutschen Bahn stehen die Signale nicht gerade auf Grün. Bahn-Chef Lutz warnt sein Führungspersonal vor roten Zahlen. Ein Anreizsystem sollte eigentlich für Linderung sorgen. Doch die Netzagentur mag ihm nicht zustimmen. So wird die Krise der Bahn wohl andauern.

Auch das noch: Die Bundesnetzagentur ist mit dem neuen Anreizsystem der Bahn nicht einverstanden. Das erleichtert die Krise der Bahn nicht gerade!

In schwieriger Lage weist Netzagentur DB-Anreizsystem zurück

Bei der Deutschen Bahn „knirscht es gewaltig“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ über die Krise der Bahn. Sie bezieht sich auf einen Brandbrief von Bahn-Chef Richard Lutz und seinen Vorstandskollegen an die Führungskräfte im Konzern. Das Unternehmen befinde sich „in einer schwierigen Situation“, die sich in den vergangenen Monaten nicht verbessert, sondern verschlechtert habe, zitiert das Blatt aus dem Schreiben. Es gebe „leider nichts zu beschönigen“, heißt es weiter. Das operative Ergebnis der Bahn liege im Juli „deutlich unter Vorjahr und weit weg von unserer Zielsetzung“.

Sogar das bereits auf 2,1 Milliarden Euro reduzierte Ergebnisziel für 2018 sei in Gefahr. Der Konzern habe innerhalb von wenigen Monaten die dritte Gewinnwarnung herausgegeben. Das könne nicht die Antwort auf die aktuelle Situation sein, so Lutz weiter. Es würde die finanzielle Lage des Konzerns weiter destabilisieren und „Vertrauen und Goodwill, die wir bei Eigentümer und Öffentlichkeit noch haben, zusätzlich beschädigen“.

Krise der Bahn: Es drohen immer mehr Schulden

Mehrere Bahnmanager hatten vor dem letzten Wochenende angekündigt, dass der Staatskonzern mit einem Ausgaben-Stopp ein weiteres Abrutschen verhindern wolle. Demnach dürfen Bestellungen ab einer bestimmten Summe nur noch mit Sondergenehmigung in Auftrag gegeben werden.

Trotz immer neuer Passagierrekorde spitze sich die Lage im Nahverkehr und vor allem bei der seit Jahren kriselnden Güterbahn zu. Zugleich wolle der Konzern unbedingt den Anstieg der Schulden begrenzen. Diese könnten dieses Jahr erstmals mehr als 20 Milliarden Euro betragen und sind damit deutlicher Ausdruck der Krise der Bahn. Steuert diese nicht gegen, würden die Schulden bis 2023 auf 25 Milliarden Euro anwachsen. Das hätten interne Berechnungen ergeben.

Anstrengungen der Bahn

Dabei ist die Deutsche Bahn bereits an vielen Baustellen bereits emsig bemüht, für Besserung zu sorgen. So hat die DB Netz AG ein Anreizsystem zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes und zur Verringerung von Störungen entwickelt. Es sieht unter anderem Zahlungen der DB Netz AG an die Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Verspätungen aufgrund von Baumaßnahmen im Schienennetz vor.

Diese Regelungen und Zahlungshöhen waren zuvor zwischen den Marktakteuren diskutiert und von einer breiten Mehrheit des Marktes getragen worden. In diesem Jahr fließen laut einem Bericht der „FAZ“ 9,3 Milliarden Euro in die Bahninfrastruktur. An zahlreichen Strecken hierzulande baut demnach die Bahn derzeit, renoviert in großem Umfang Brücken und Gleise. In Spitzenzeiten gebe es bis zu 800 Baustellen im deutschen Schienennetz – und zwar täglich.

Minister: Einschränkungen verringern

„Die Einschränkungen für Verkehrsunternehmen und Fahrgäste müssen dabei so gering wie möglich bleiben“, verlangt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Dieses Ziel verfolgen auch Bahnunternehmen von der Deutschen Bahn bis zu Abellio, der Netzbetreiber DB Netz AG sowie die Aufgabenträger im Nahverkehr. Sie sprechen von „kundenfreundlichem Bauen“. Seit eineinhalb Jahren beschäftigt sich damit ein „Runder Tisch Baustellenmanagement“. Er hat ein ganzes Maßnahmenpaket vorgelegt.

Vier Bausteine sollen die Bauplanungen auf der Schiene verbessern

  • Vereinbarungen zwischen Bund und DB Netz zum kundenorientierten Bauen
  • ein Anreizsystem zwischen DB Netz und den Eisenbahnverkehrs-Unternehmen (EVUs) in Deutschland
  • eine bessere Risikoverteilung zwischen Aufgabenträgern und EVUs
  • die Optimierung von Bauprozessen und Baukommunikation

Rotes Licht von der Bundesnetzagentur

Da kommt von der Bundesnetzagentur rotes Licht für das Anreizsystem der Bahn. Sie beanstandet unter anderem, dass wesentliche Eckpunkte nicht ausreichend mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen abgestimmt gewesen seien.

Zudem berücksichtige das Konzept die besondere Situation des kurzfristigen Schienengüterverkehrs nicht gebührend. Auch enthalte das System unangemessene Regelungen zu Entgeltminderung, Haftungsausschluss und Streitschlichtung.

„In dem vorgelegten Anreizsystem wurden insbesondere die Anforderungen der Unternehmen des Schienengüterverkehrs nicht ausreichend berücksichtigt“, erläutert Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

Zudem seien die tatsächlichen Pünktlichkeitsniveaus der Personenverkehrs- und Güterverkehrsunternehmen nicht wie gesetzlich vorgeschrieben in das Anreizsystems eingeflossen.

Nach Auffassung der Bundesnetzagentur sei die Einführung von Kompensationen bei baustellenbedingten Verspätungen aber außerhalb des Genehmigungsregimes weiterhin kurzfristig möglich. Die Bundesnetzagentur hat der DB Netz AG hierzu entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt.

Weitere Informationen zur Deutschen Bahn

Hier geht es zum Bericht der Süddeutschen Zeitung: Bahn-Chef Lutz schreibt Brandbrief an Führungskräfte

 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)