26.04.2023

CO2-Messung: Durchbruch für sauberen Verkehr

Wie viel CO2 stößt der Verkehr aus? Dieser Frage geht das Mobile-Data Startup UZE Mobility nach. Zusammen mit T-Systems testete es die straßen- und uhrzeitgenaue Messung des CO2-Ausstoßes des Straßenverkehrs mit Vorteilen für Logistik, Flotten und deren Leitung.

CO2-Messung

Weltweit einheitliche CO2-Messung

Etwa ein Viertel aller CO2-Emissionen der Welt verursacht der Verkehr. Wie viel genau, ließ sich bislang nicht nachweisen. Die Dunkelziffer war hier hoch. Bisher gab es kein weltweit einheitliches straßengenaues Verfahren zur Messung von CO2-Emissionen des Verkehrs in Echtzeit. Wie UZE mitteilt, können nunmehr verkehrsverantwortliche Stellen von Städten Ursachen von CO2-Emissionen genau ausmachen und so wirksame verkehrliche Maßnahmen zur Verringerung von Abgasen ergreifen. Ein Feldversuch in Hamburg soll die Wirksamkeit des Messverfahrens belegt haben.

Der Test: Big Data zur CO2-Messung des Verkehrs

Der Feldversuch fand im Rahmen verschiedener Hamburger Projekte für Intelligente Verkehrssysteme (Intelligent Transport Systems – ITS) statt. Dabei werden neue Technologien erprobt die die Mobilität umweltschonender wirksamer, sicherer und bequemer machen sollen. Für den Test hat UZE Mobility Taxis mit einer digitalen, selbstleuchtenden Dachwerbung ausgestattet. Diese Dachwerbung enthält Sensoren, welche die GPS-Daten der Fahrzeuge erfassen. Die vollständig anonymisierten GPS-Informationen nutzt UZE Mobility unter anderen für geographisch genaue Werbung, ausspielbar nach:

  • vorgegebenen Uhrzeiten,
  • Gebiet oder
  • Wetterlage

Die aus dem Verkehr gesammelten GPS-Datenmengen sendete T-Systems via 5G-Mobilfunk über eine Schnittstelle vom Datenmarktplatz von UZE Mobility an den „Low Carbon Mobility Management“-Berechnungsserver (LCMM). Der Algorithmus des LCMM-Servers erkennt,

  • wo und
  • wann wieviel
  • Verkehr herrscht,
  • wo der Verkehr stockt
  • wo es Stop-and-go-Verkehr gibt.

Auf dem LCMM-Server sind die Fahrzeugklassen hinterlegt. So kann der LCMM-Algorithmus den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß des Verkehrs geographisch genau in Echtzeit errechnen und Emissionsmuster abbilden.

Saubere Luft dank Big Data

Mittels dieser genauen Emissionsmuster kann das Verkehrsmanagement der Städte nun Ursachen für die schlechte Luft durch den Verkehr geographisch- und uhrzeitgenau bestimmen, um verkehrliche Maßnahmen abzuleiten und deren Kosten zu rechtfertigen. Diplom-Physiker und Mathematiker Ralf Willenbrock, T-Systems-Experte für Connected Mobility und ITS Intelligent Transport Systems: „Mit dem standardisierten Messverfahren zeigt der LCMM-Server auf, wie Kraftstoff und CO2-Ausstoß im Straßenverkehr gemessen werden.“ Mit der intelligenten Mobile-Data-Technologie von UZE Mobility könne man Städte smarter und sauberer. Dr. Dr.- Ing. Alexander N. Jablovski, CEO / CTO und Gründungspartner von UZE Mobility:

„Die nötigen Maßnahmen zur Emissionsreduktion – speziell in Ballungszentren – sind nur dann effizient, wenn die Ursachen von Emissionen in Echtzeit und straßengenau erforscht werden.“
Dann könne man verkehrliche Maßnahmen gezielt und kostensparend umsetzen, um die Luft in den Städten zu verbessern. Dies sei nur ein erster von vielen wichtigen Schritten, um die Städte mittelfristig sauberer, gesünder und smarter zu machen.

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Online-Version

Um die straßengenaue Berechnung zur Bestimmung des Kraftstoffverbrauchs und der daraus ergebenden CO2-Emissionen in Echtzeit weltweit auf vergleichbare Art und Weise durchzuführen, gibt es die Norm ISO 23795-1. Sie wurde 2022 veröffentlicht und nutzt eine transparente Berechnung der CO2-Emissionen. LCMM habe erstmals den ISO-Standard vollständig implementiert.

Belastbare CO2-Zertifikate für Flottenbetreiber

Das LCMM-Konzept auf Basis der ISO-Norm ermöglicht es zudem Flotten, Taxen oder der Transportlogistik belastbare CO2-Zertifikate zu erstellen, da nach der Norm exakt berechnet werden kann, wie hoch deren CO2-Austoß ist. Das Normendokument legt ein Verfahren zur Bestimmung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2 Emissionen daraus. Sie Ermöglichen es Flottenmanagern, die Kraftstoffkosten und die Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken. Die Bestimmung des Kraftstoffverbrauchs erfolgt durch Extrahieren von Reisedaten und Geschwindigkeitsprofilen aus dem Empfänger des globalen Satellitennavigationssystems (Global Navigation Satellite System  GNSS) eines mobilen Geräts (Nomad device – ND), durch Senden über Mobilfunk an einen Datenbankserver und relativ zu einem gegebenen Referenzfahrzyklus durch Berechnung der Abweichung der mechanischen Energiebeiträge von:

  • Aerodynamik,
  • Rollreibung,
  • Beschleunigen/Bremsen,
  • Steigungswiderstand und
  • Stillstand.

Mechanischer Energieverbrauch des Referenzzyklus

Da der mechanische Energieverbrauch des Referenzzyklus durch Messung mit einer Reihe von statischen Fahrzeugkonfigurationsparametern bekannt ist, ermöglicht die Methodik Fahrern, Flottenmanagern oder Logistikdienstleistern, Kraftstoffverbrauch und CO2 zu berechnen und Emissionen pro Fahrt durch einfaches Sammeln von Fahrtdaten mit einem GNSS-Empfänger zu analysieren, der in einem ND in einem fahrenden Fahrzeug enthalten ist.

Neben der On-Trip- und Post-Trip-Überwachung des Energieverbrauchs (Kraftstoff, CO2) liefert die Lösung Informationen über umweltfreundliches Fahrverhalten und Straßenverhältnisse für eine bessere Ex-ante- und Ex-post-Fahrtplanung. Daher ermögliche die Lösung schwimmenden Autos, die Auswirkungen spezifischer Verkehrsmanagementmaßnahmen zu bewerten, die von Behörden mit dem Ziel ergriffen werden, Reduzierungen von Treibhausgas (THG) innerhalb eines bestimmten Straßennetzes zu erreichen.

Dem ND sind die Eigenschaften des Fahrzeugs nicht bekannt. Die Verbindung zwischen den dynamischen Daten, die vom ND erfasst werden, und den statischen Fahrzeugkonfigurationsparametern behandelt das Norm-Dokument nicht. Diese Verbindung ist implementierungsabhängig für eine Software oder Anwendung, die die beschriebene Methodik verwendet, die statische Fahrzeugparameter und dynamische Geschwindigkeitsprofile pro Sekunde aus dem ND enthält.

Senat beschließt Fortschreibung

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat am 26. April 2016 eine Strategie beschlossen, wie die Stadt künftig die digitalen Techniken nutzen möchte, um den Verkehr effizienter, sicherer, umweltfreundlicher und komfortabler zu machen. Das Strategiepapier bildet die Grundlage dafür, den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik und von innovativen Technologien im Verkehrsbereich strukturiert voranzutreiben und gemeinsam mit Verbänden, Unternehmen und Forschungseinrichtungen den digitalen Wandel gewinnbringend zu forcieren.

Sechs Handlungsfelder

Wichtige Ziele der ITS-Strategie sind unter anderem:

  • die Erhöhung der Verkehrssicherheit,
  • Verlässlichkeit und Effizienz,
  • die Stärkung des Verkehrsflusses und
  • die Senkung negativer Umweltauswirkungen durch Verkehr.

Diese Ziele sollen in den sechs Handlungsfeldern verfolgt werden und Innovationen fördern:

  • Daten und Information,
  • Intelligente Verkehrssteuerung und -lenkung,
  • Intelligente Infrastruktur,
  • Intelligentes Parken,
  • Mobilität als Service sowie
  • Automatisierte und Vernetzte Mobilität.

Am 19. Juni 2018 hat der Senat einen Fortschrittsbericht der ITS-Strategie beschlossen. Dieser entwickelt die Strategie weiter und definiert die Ziele für die sechs Handlungsfelder bis 2030.

Teststrecke in Hamburgs Innenstadt

Ziel einer rund zwölf Kilometer langen Teststrecke in Hamburgs Innenstadt ist die Erprobung des automatisierten und vernetzten Fahrens im öffentlichen Straßenverkehrsraum einer Millionenmetropole. Das herstellerneutrale und nutzeroffene Testfeld wurde laut der hamburgischen Behörde für Verkehr und Mobilitätswende seit 2018 kontinuierlich aufgerüstet und umfasst zahlreiche Ampeln und eine Brücke, die mit Fahrzeugen kommunizieren können. Die Strecke ist nutzeroffen und herstellerunabhängig und führt vom Dammtor-Bahnhof über die Messehallen, die Landungsbrücken, die Elbphilharmonie, den Rödingsmarkt und zurück. Im Projekt sollen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrsinfrastruktur und entsprechende Hintergrundsysteme miteinander vernetzt werden. Dadurch will man den Verkehrsablauf harmonisieren, verkehrsbedingte Luftschadstoffe senken und Unfallrisiken möglichst weit zurückdrängen.

Zur Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur ist die Strecke mit modernster Kommunikationstechnik auf WLAN-Basis nach dem 802.11p-Standard (ITS G5) ausgerüstet. Mittlerweile haben den Angaben zufolge auf der Strecke mit über 70 umgerüsteten Lichtsignalanlagen bereits über 2000 Testfahrten stattgefunden. Rund 20 Forschungseinrichtungen, Fahrzeughersteller und Technologieunternehmen haben Anwendungsfälle getestet, z.B. Volkswagen, NXP Semiconductors, Continental, Deutsche Telekom, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Vitronic, Consider IT, Fraunhofer IVI oder die Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg (HAW). Mehr Informationen zu den Anwendungsfällen

Anforderungen an Infrastruktur

Das automatisierte und vernetzte Fahren ist ein Lösungsbaustein für die zukünftige Mobilität Hamburgs, weil es die Verkehrssicherheit und auch die Verkehrseffizienz für alle Teilnehmer verbessern kann und somit auch zu einer Reduzierung der Lärm- und Schadstoffemissionen führt. Dafür sind Erfahrungen im Realbetrieb mit automatisierten Fahrzeugen im urbanen Raum dringend erforderlich. Gemeinsam mit den Nutzer der Teststrecke werden die Anforderungen an die Infrastruktur für das automatisierte und vernetzte Fahren unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Anforderungen immer weiter baulich umgesetzt, um eine kontinuierliche Erhöhung des Automatisierungsgrads der Fahrzeuge auf einer Teststrecke zu ermöglichen.

Ob und wann ein Fahrzeug auf der Hamburger Teststrecke im höchsten Automatisierungsgrad, nämlich autonom, also ohne Fahrer, fahren kann, ist derzeit noch offen. Neben der technischen Ausgestaltung sind insbesondere die internationalen als auch nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und weiter zu konkretisieren. Parallel zum Aufbau der Teststrecke, der vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer gesteuert und der Hamburg Verkehrsanlagen GmbH umgesetzt wird, erfolgt die Vermarktung durch eine Geschäftsstelle. Dafür hat die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende das norddeutsche Mobilitätscluster ITS mobility in Braunschweig beauftragt.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)