24.01.2023

Was erfordert die Zeitenwende?

Vor dem Hintergrund der „Zeitenwende“ fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) eine Neuausrichtung der Politik in Deutschland: „Explodierende Energiekosten infolge des Krieges in der Ukraine, Herausforderungen bei der Versorgungssicherheit, Inflation, gestörte Lieferketten, aber auch die Herkulesaufgaben bei Klimaschutz und Klimaanpassung zeigen längst die Grenze der Leistungsfähigkeit unseres Staates auf“, wie der Präsident des DStGB, der Erste Bürgermeister Dr. Uwe Brandl, und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg zu Jahresbeginn in Berlin mitteilten. Ein Schwerpunkt der zahlreichen gleichzeitigen Herausforderungen liege bei den Städten und Gemeinden, die sich seit dem Beginn der Corona-Pandemie vor knapp drei Jahren im Dauerkrisenmodus befänden.

Rotes Rathaus Berlin

„Wir brauchen eine Neuausrichtung der Politik. Denn erfolgreiche Politik beginnt mit der schonungslosen Betrachtung der Wirklichkeit. Vieles, was vor den Krisen im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, wird nicht erreicht werden können. Der Staat muss sich effektiv und gezielt auf die zentralen Herausforderungen konzentrieren und Lösungen finden“, forderten Brandl und Landsberg. Nach ihrer Ansicht zähle es dazu, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Auch müsse die Versorgung der Bevölkerung im nächsten Winter gesichert sein. Brandl und Landsberg fordern die Energiewende aus Klimaschutzgründen, aber auch, um Unabhängigkeit von russischem Gas zu erlangen.

Zwar sei es beispielhaft schnell gelungen, in knapp zehn Monaten das erste schwimmende Flüssigkeitsterminal zu bauen, aber der Ausbau der Windenergie gehe weiterhin viel zu langsam voran. Die beiden Spitzenvertreter des DStGB kritisierten das zu langsame Tempo, die Umständlichkeit, zu geringe Speicherkapazitäten und zu wenige Übertragungsnetze. All dies gefährde den Erfolg. Die Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung habe deshalb einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke für zwei bis drei Jahre gefordert. Das müsse ein Alarmruf für die Bundesregierung sein, wie Brandl und Landsberg meinen.

Deutschland stehe vor einer Rezession, die sinkende Steuereinnahmen für die Städte und Gemeinden nach sich ziehen werde. Diese aber stünden gleichzeitig nach wie vor einer hohen Erwartungshaltung gegenüber, dass kommunale Daseinsvorsorgeleistungen wie eine sichere Ver- und Entsorgung, die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums, ein ausreichendes Angebot an Schulen und Kindergärten, aber auch Kultur- und Freizeitangebote sowie ein gut funktionierender ÖPNV unverändert zur Verfügung stehen. Das werde so einfach nicht funktionieren, wie Brandl und Landsberg meinen. Die Leistungsfähigkeit der Kommunen und des Staates insgesamt habe Grenzen. Die Politik dürfe nicht die Illusion schüren, dass der Staat alles ausgleichen könne. In der Krise brauche es auch ein Mehr an Eigenverantwortung der Menschen und einen klaren Blick für die Realität.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)