16.12.2022

Verfassungsbeschwerde gegen Verbot von Windenergieanlagen im Wald

Etwa ein Drittel der Fläche des Freistaats Thüringen sind Waldflächen. Auf ihnen dürften künftig eigentlich keine Windenergieanlagen errichtet werden. Denn entsprechend einer landesrechtlichen Regelung dürfen Waldflächen nicht zur Errichtung von Windenergieanlagen umgewandelt werden. Selbst sogenannte Kalamitätsflächen, bei denen eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, sind damit nicht nutzbar. Dagegen haben sich jüngst Waldbesitzer in Thüringen gewehrt, da der Waldbestand auf ihren Grundstücken teilweise aus Kalamitätsflächen besteht und sie dort Windenergienutzung geplant haben bzw. bereits hatten.

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung im Thüringer Waldgesetz nun als verfassungswidrig eingestuft, da es in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführenden eingreift. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil das Gesetz formell verfassungswidrig sei. Dem Freistaat Thüringen fehle für die Regelung die Gesetzgebungskompetenz. Mit Beschluss vom 27.09.2022 (Az. 1 BvR 2661/21) hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Da § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG dem Bodenrecht zuzuordnen ist, greife hier eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich war auch in bisherigen Fällen der Zuweisung von Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen maßgeblich. Eine Öffnung, aus der der Landesgesetzgeber eine Kompetenz für einen generellen Ausschluss von Windenergieanlagen auf Waldflächen herleiten könne, enthalte das BauGB ausdrücklich nicht.

Diese Regelung zur Privilegierung von Windenergieanlagen kann nicht durch pauschale landesrechtliche Verbote gebrochen werden, da der Ausbau der Windkraft einen unverzichtbaren Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leistet. Verfassungsrechtlich ist dies durch Art. 20a GG geregelt. Neben Thüringen arbeiten auch andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt an Gesetzen, die die Nutzung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen verhindern. Durch die aktuelle Gerichtsentscheidung dürften auch diese Regelungen auf den Prüfstand stehen und gegebenenfalls zu korrigieren sein. Restriktive Regelungen bestehen zudem in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. In Berlin gibt es zwar keinen planungsrechtlichen Ausschluss, faktisch wurden dort aber keine Windenergieanlagen auf Waldflächen errichtet. In den sechs folgenden Bundesländern ist die Nutzung von Waldstandorten für die Windenergie derzeit zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie im Saarland. Zwei weitere Länder erlauben den Betrieb von Windenergieanlagen auf Forstflächen nur ausnahmsweise: Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Die ausreichende Bereitstellung von Flächen ist ein wesentlicher Baustein für den erfolgreichen Windenergieausbau. Auf den insgesamt 11,4 Mio. Hektar Waldfläche sind in Deutschland aktuell rund 2.300 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 6,3 Gigawatt in Betrieb. Im Wald bieten sich insbesondere Kalamitätsflächen als mögliche Standorte an. Hierbei können auch vertraglich festgelegte Wiederaufforstungsmaßnahmen zur Steigerung der Biodiversität beitragen.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)