27.02.2023

Kommunen kommen an ihre Grenzen

Am 16. Februar 2023 lud Bundesinnenministerin Nancy Faeser Vertretungen der Länder und Kommunen zu einem Flüchtlingsgipfel ein. Teilgenommen haben die kommunalen Spitzenverbände, die 16 zuständigen Landesministerinnen und Landesminister, das Bundesfinanz- und das Bundesbauministerium sowie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Ziel war es, die Zusammenarbeit auf beiden Ebenen sowie die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten zu verbessern. Im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels hatte die Bundesinnenministerin der Rheinischen Post gegenüber die Kraftanstrengungen unterstrichen, die Deutschland bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge derzeit leiste: „Acht von zehn Flüchtlingen sind im vergangenen Jahr aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Wir haben bis heute 1.062.000 Ukrainerinnen und Ukrainern vor Putins brutalen Angriffen Schutz geboten.“ Durch diesen großen humanitären Kraftakt aller staatlichen Ebenen – von Bund, Ländern und Kommunen – seien viele Leben gerettet worden.

Platzverweis Corona

Faeser setzt auf eine doppelte Strategie: zum einen die Lösung der Flüchtlingsunterbringung in Deutschland und zum anderen eine bessere Verteilung innerhalb der EU. Sie spricht sich für eine stärkere europäische Verteilung der Menschen aus, die aus der Ukraine flüchten, da die Versorgung der hier Angekommenen immer mehr Kraft koste, je länger es dauere. An vielen Orten komme man an Grenzen. Auch vonseiten des Deutschen Städtetags kommen Warnungen hinsichtlich einer Zunahme von sozialen Spannungen in den Kommunen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy erklärte der Rheinischen Post, dass soziale Spannungen zum Teil in der Nähe von Einrichtungen für Geflüchtete zunähmen. Das bereite in den Städten große Sorgen. Die Zahl der Hilfesuchenden werde weiter steigen, denn auch aus den Erdbebengebieten werden jetzt viele Menschen nach Deutschland kommen. Die Raumkapazitäten in Zelten, Containerdörfern und Messehallen in den Städten und Dörfern kommen allmählich an ihre Grenzen.

Anlässlich der sich zuspitzenden Situation hat der DStGB am 31. Januar 2023 ein Positionspapier aufgesetzt, in dem die EU-weite Verteilung der Flüchtlinge auch als primäres Ziel erachtet wird. Aber auch Bund und Länder müssten Unterbringungsmöglichkeiten schaffen und die Finanzausstattung und Integration verbessern. Ähnlich wie 2015/2016 stelle aktuell die Aufnahme, Unterbringung, und Integration von Flüchtlingen die Kommunen vor besondere Herausforderungen. Neben der Million an ukrainischen Flüchtlingen steigt auch die Zahl der Asylbewerber aus Drittstaaten wieder deutlich an, nachdem die pandemie-bedingten Reisebeschränkungen weggefallen sind. Allein 2022 wurden rund 220.000 Asylerstanträge in Deutschland gestellt, etwa 45 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Situation in Deutschland ist besonders belastet, weil wir innerhalb der EU das Hauptzielland von irregulärer Sekundärmigration aus Griechenland, aber auch aus Italien und Spanien sind. Hinzu kommen ein verstärkter Zustrom aus der und über die Türkei sowie steigende Migrantenzahlen aus dem Balkan.

Die Städten und Gemeinden kommen angesichts des momentanen zugespitzten Ankunftsgeschehens an ihr Limit. Zwar sind professionell entwickelte Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden, das Gros der staatlichen und kommunalen Unterkünfte ist aber bereits mit Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten aus dem Resettlement-Programm belegt. Hinzu kommen die aus der Ukraine geflohenen Menschen. Allerdings ist die Situation im Vergleich mit 2015/2016 wesentlich angespannter. Zahlreiche der ehren- und hauptamtlichen Helfer in den Kommunen sind nach dem unermüdlichen Einsatz während der Pandemie erschöpft und erreichen teilweise ihre Belastungsgrenze. Hinzu kommt, dass die finanzielle Basis der Kommunen durch die Energie- und Wirtschaftskrise geschwächt ist, was sich zusätzlich auf die Infrastruktur für die Geflüchteten auswirkt.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)