08.06.2020

Sonderurlaub: Das rät der Betriebsrat bei persönlichen Notfällen

Was, wenn die Kita zu hat oder die polnische Pflegerin nicht kommen kann? Dürfen Arbeitnehmer dann Sonderurlaub nehmen? Gerade in der Coronakrise sind diese Fragen besonders wichtig geworden. Doch auch darüber hinaus betrachtet haben sie große Bedeutung für viele Beschäftigte.

Betriebsrat Sonderurlaub

Arbeitsrecht. Die wichtigste Rechtsgrundlage bei dieser Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen, wie es juristisch korrekt heißt, ist § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach hat ein Arbeitnehmer in diesem Fall Anspruch auf bezahlte Freistellung, d. h. er muss nicht arbeiten und bekommt dennoch Gehalt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist.

§ 616 BGB: Freistellung nur für wenige Tage

Es ist von der Rechtsprechung klargestellt, dass etwa das außerplanmäßige Schließen einer Kita für Eltern zur Arbeitsverhinderung führt. Allerdings liegt der Teufel hier im Detail: Denn die Gerichte sind sich ebenfalls einig darüber, dass Beschäftigte dieses Recht nur wenige Tage in Anspruch nehmen können, nämlich maximal bis zu zehn Arbeitstagen („verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“). Und es kommt – aus Sicht der Arbeitnehmer – noch schlechter: Wenn von Anfang an feststeht, dass die Schließung länger als diese zehn Tage dauern wird (wie das ja in der Coronakrise der Fall war), dann greift § 616 BGB erst gar nicht ein.

Hinweis: Ausschluss per Arbeitsvertrag möglich

§ 616 BGB gehört zu den sogenannten abdingbaren Vorschriften des BGB. D. h., dass Arbeitgeber sie per Arbeitsvertrag (oder auch Betriebsvereinbarung bzw. Tarifvertrag) ausschließen können. Dann können Beschäftigte sich nicht auf dieses Recht berufen. Leider ist diese Ausschließung bzw. Abdingung bei sehr vielen Arbeitnehmern passiert. Betriebsräte tun daher gut daran, in ihrem Betrieb zu prüfen, wie die Lage diesbezüglich ist.

Sonderurlaub zur Pflege von nahen Angehörigen

Viele deutsche Familien brauchen die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte, die sich um ältere Familienangehörige wie Eltern oder Großeltern kümmern. Als z. B. polnisches Pflegepersonal nicht mehr einreisen durfte, waren etliche Beschäftigte vor ein riesiges Problem gestellt. Eine Möglichkeit, dieses ist zu lösen, ist der bereits erwähnte § 616 BGB. Doch es gibt hier weitere Optionen: So dürfen Beschäftigte bei einem akuten Pflegefall sofort bis zu zehn Tagen Pflegezeit in Anspruch nehmen. Eine Frist für einen entsprechenden Antrag müssen sie dabei nicht beachten. Voraussetzung für diese bezahlte Freistellung ist, dass Arbeitnehmer für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation

  • entweder eine bedarfsgerechte Pflege organisieren oder
  • eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherstellen müssen.

Das bestimmt § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG). Dieser kurze Zeitraum muss den Betroffenen zunächst reichen.

Definition »Nahe Angehörige« im Sinne des PflegeZG

  • Großeltern, Eltern, Schwiegereltern,
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister,
  • Kinder-, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder (§ 7 Abs. 3 PflegeZG).

Definition »Pflegebedürftigkeit« im Sinne des PflegeZG

Als pflegebedürftig gelten Menschen, die (voraussichtlich) die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) (= soziale Pflegeversicherung) erfüllen (§ 7 Abs. 4 PflegeZG). In der Regel ist mindestens die Pflegestufe 1 erforderlich.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)