06.03.2020

Anwesenheitsprämien: Fakten für den Betriebsrat

Die Bandbreite möglicher Arbeitsausfälle ist groß: angefangen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über bezahlte und unbezahlte Freistellung bis hin zu Streik oder unentschuldigtem Fehlen. Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, diese Fehlzeiten möglichst gering zu halten. Um dies zu erreichen, zahlen manche Unternehmen Mitarbeitern, die nur selten fehlen, eine Anwesenheitsprämie.

Betriebsrat Anwesenheitsprämie

Mitbestimmung. Eine Anwesenheitsprämie ist eine Sonderform der Vergütung, die zusätzlich zum regulären Lohn und Gehalt gezahlt wird, wenn der Beschäftigte nicht oder nur selten bei der Arbeit fehlt. Anders als bei einer Leistungsprämie will der Arbeitgeber bei der Anwesenheitsprämie allein die tatsächliche Anwesenheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz belohnen.

Klare gesetzliche Regelungen zu Anwesenheitsprämien fehlen

Die Zahlung von Anwesenheitsprämien ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich überwiegend um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, sie ist jedoch auch teilweise in Tarifverträgen für den Arbeitgeber verbindlich vorgeschrieben, sofern der Tarifvertrag vom Arbeitgeber anzuwenden ist. Mehrheitlich werden die Einführung und Gewährung einer Anwesenheitsprämie in einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Der Arbeitgeber hat praktisch freie Hand

Ob im Unternehmen überhaupt eine Anwesenheitsprämie gewährt werden soll und welcher Dotierungsrahmen dafür zur Verfügung gestellt wird, das entscheidet der Arbeitgeber alleine. Der Arbeitgeber ist außerdem frei, die Gewährung bzw. Auszahlung der Anwesenheitsprämie an bestimmte Voraussetzungen zu binden. Der Arbeitgeber kann z. B. die verschiedenen Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandeln, dabei darf er jedoch nicht Beschränkungen aus sachfremden Gründen vornehmen, da er damit gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde. Das ist noch nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen nur geringfügig und auf der Basis vorher festgelegter Kriterien, z. B. Anteil am Betriebsergebnis oder Stellung des Arbeitnehmers, differenziert.

Wann Kürzungen der Prämie erlaubt sind

Der Arbeitgeber ist außerdem berechtigt, Kürzungsregelungen für Zeiten nicht tatsächlicher Arbeitsleistung vorzusehen. Der Charakter der Anwesenheitsprämie wird dadurch nicht verändert, denn am Grundsatz eines finanziellen Anreizes zur Verringerung der persönlichen Fehlzeiten und dessen Zulässigkeit ändert sich nichts. Das gilt zumindest, solange dem Arbeitnehmer vor Beginn des Bezugszeitraums bekannt ist, mit welcher Kürzungsrate anzurechnende persönliche Fehlzeiten belegt sind.

Hinweis: Kollegen kommen krank zur Arbeit

So gut sich Anwesenheitsprämien für Ihre Kollegen auch anhören: Sie können dazu führen, dass sich Arbeitnehmer trotz Krankheit zum Arbeitsplatz nur deshalb schleppen, um in den Genuss der Prämie zu kommen. Als Betriebsrat sollten Sie darauf achten, dass dies nicht passiert und gegebenenfalls einschreiten.

Nutzen Sie Ihre Mitbestimmungsrechte bei Anwesenheitsprämien

Anwesenheitsprämien sind ein Teil der betrieblichen Lohngestaltung und als solche mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Bei der Anwesenheitsprämie handelt es sich zwar um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers; die Freiwilligkeit schließt jedoch das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Das heißt, alle Fragen, die nicht unmittelbar mit der Entscheidung des Arbeitgebers über den finanziellen Aufwand zusammenhängen, bleiben mitbestimmungspflichtig. Ihr Mitbestimmungsrecht ist im Kern allerdings darauf beschränkt, wie die Geschäftsleitung die Anwesenheitsprämie im Detail gestalten möchte. Sie können hier vor allem über die Verteilungsgrundsätze mitentscheiden.

Übersicht: Kürzungsgründe

Die Anwesenheitsprämie kann u. a. gekürzt werden wegen:

  • Fehlzeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder wegen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (sog. Kuren)
  • Fehlzeiten der Arbeitnehmer wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit
  • unerlaubte Fehlzeiten, wie z. B. bei eigenmächtiger Urlaubsnahme, Blaumachen oder Vortäuschen einer Krankheit
Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)