23.02.2022

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nicht ohne Datenschutz

Im Fall von längeren krankheitsbedingten Ausfällen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen kommt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) zum Tragen. Konkret ab der siebten Krankheitswoche innerhalb eines Jahres sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dazu verpflichtet, im Rahmen des BEM ihre Arbeitnehmer wieder in das berufliche Leben schrittweise einzuführen. Wichtig beim Verfahren des BEM ist, dass gewisse Regeln eingehalten werden, wie der Datenschutz. Der Arbeitgeber darf zum Beispiel keine konkreten Krankheitsdiagnosen erfragen. Die Betroffenen müssen genau darüber aufgeklärt werden, welche Daten im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben und verwendet werden dürfen. Ist dies nicht der Fall, so liegt kein ordnungsgemäß eingeleitetes Verfahren zur möglichen Rückkehr an den Arbeitsplatz vor. Dies kann zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung führen. Zu diesem Urteil kam im Oktober 2021 das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart.

BEM

Einladung zum BEM bei wiederkehrenden Krankheitsfällen

Beim Fall des Stuttgarter LAG hatte ein Unternehmen einen seit August 2014 beschäftigten Produktionssachbearbeiter, der in den Jahren zwischen 2016 und 2019 immer wieder für kürzere Zeiten erkrankt und ausgefallen war, zum BEM eingeladen. Dazu bestand Verpflichtung, denn die Krankheitszeiten beliefen sich auf jährlich zwischen 32 und 51 Arbeitstage, also mehr als sechs Arbeitswochen. Bei dem im Januar 2020 geplanten BEM sollte geklärt werden, wie diese immer wiederkehrende Arbeitsunfähigkeit überwunden und der Arbeitsplatz für den erkrankten Arbeitnehmer erhalten werden kann. Dabei handelte es sich nicht um die erste Einladung. Der Beschäftigte hatte jedoch auf das vorgeschlagene BEM, ebenso wie auf die anderen, nicht reagiert. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Mann ordentlich.

Kündigung ist unwirksam

Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen die Kündigung mit einer Klage beim LAG. Das Gericht entschied mit seinem Urteil, dass die ordentliche Kündigung unwirksam sei. Ob die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen rechtmäßig ist, müsse in drei Stufen geprüft werden. In einer ersten Stufe müsse geprüft werden, inwieweit eine negative Gesundheitsprognose vorliege. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit könnten ein Anzeichen dafür sein, dass der Mitarbeiter auch in künftiger Zeit häufiger krank sein werde. Diese Feststellung träfe aber bei dem Kläger nicht zu. Im Rahmen der zweiten Stufe geht es um die Frage der „erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen“, wozu die Fehlzeiten führen, denn der Arbeitgeber erwarte weiterhin die Verpflichtung zu Entgeltfortzahlungsbelastungen. Drittens ist es von Belang, dass das BEM-Verfahren ordnungsgemäß vom Arbeit gebenden Unternehmen durchgeführt wird.

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Verfahren war nicht ordnungsgemäß

Im vorliegenden Fall sei das BEM nicht korrekt eingeleitet worden, so das Urteilt des LAG. Denn der Arbeitnehmer müsse nicht nur über die Ziele, sondern auch über Art und Umfang der dabei erhobenen Daten informiert werden. Dazu zählen zudem Krankheitsdaten, ihre Speicherung und inwieweit sie für welche Zwecke dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Der Arbeitgeber dürfe nur solche Daten ohne Zustimmung des Beschäftigten erhalten, die er zur Genehmigung des BEM benötigt. Ein Anspruch auf Einsicht in Krankheitsdiagnosen und andere sensible Daten bestehe nicht. Der Arbeitgeber habe aber im konkreten Streitfall in der vorgelegten Datenschutzerklärung die Offenlegung aller Gesundheitsdaten verlangt. Ein entsprechender Hinweis, dass solche Angaben gegenüber dem Arbeitgeber zu Diagnosen oder ähnlich sensiblen Daten freiwillig sind, habe gefehlt. Das Verfahren des BEM war somit wegen der fehlerhaften Angaben zur Datenverwendung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Damit erfolgte ein erheblicher Verstoß gegen den Datenschutz. Wäre das Verfahren rechtmäßig verlaufen, so hätte die Wahrscheinlichkeit bestanden, dass der Kläger auf die Einladung zu BEM eingeht. Die ordentliche Kündigung sei damit unwirksam, wie die Stuttgarter Richter entschieden (Az. 4 Sa 70/20).

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)