26.01.2021

Berufskrankheiten: Der lange Weg zur Anerkennung

Chronisch erkrankte Arbeitnehmer möchten häufig ihre Gesundheitsschäden als Berufskrankheit anerkennen lassen, um in den Genuss besonderer Leistungen zu kommen. Doch bis zur Anerkennung gibt es viele Hürden. Klären Sie betroffene Arbeitnehmer über den Ablauf der Antragstellung und Entscheidung auf.

Straße

Zurzeit stehen über 70 Krankheiten auf der Liste mit anerkannten Berufskrankheiten („Berufskrankheitenliste“).
Wird eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt, gibt es Leistungen aus der Unfallversicherung. Ist die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 % reduziert, kommt eine Rente in Betracht. Ansonsten werden Behandlungen bezahlt und die berufliche Wiedereingliederung unterstützt.

Doch der Weg dahin ist für Betroffene oft sehr weit, die Hürden hoch. So wurden im Jahr 2020 zwar rund 106.000 Anträge gestellt, rund 37.000 anerkannt – aber nur in 21.000 Fällen wurde auch eine Entschädigung gezahlt.

Die Berufskrankheitenliste

Für eine Anerkennung als Berufskrankheit genügt es nicht, dass die Ursache für den Gesundheitsschaden die berufliche Tätigkeit ist. Die Erkrankung muss auch in der Berufskrankheitenliste verzeichnet sein.

Der Begutachtungsprozess

Im nächsten Schritt wird die Frage geklärt, ob die Erkrankung durch die Arbeit verursacht wurde. In der Regel wird dazu ein Gutachten eingeholt. Der betroffene Arbeitnehmer kann aus drei vorgeschlagenen, unabhängigen Gutachtern einen auswählen.

Entfällt seit 1.1.2021: der sogenannte „Unterlassungszwang“

Unter „Unterlassungszwang“ ist zu verstehen, dass die Krankheit nur dann als Berufskrankheit anerkannt wird, wenn der betroffene Arbeitnehmer die Tätigkeiten aufgibt, die für die Berufskrankheit ursächlich waren. Seit dem 1.1.2021 fällt dieser Unterlassungszwang weg.

Hinweis: Weitere Informationen zu den Änderungen im Berufskrankheitenrecht, die sich seit 1.1.2021 ergeben haben, lesen Sie hier.

Glücklicherweise, denn dadurch standen viele Arbeitnehmer vor einem Dilemma: Um in den Genuss von Leistungen zu kommen, mussten sie ihren Beruf aufgeben.

Die notwendigen Nachweise

Ein Problem ist aber nach wie vor die lange Zeit, die z. B. bei Krebserkrankungen zwischen Auslösung und Ausbruch einer Berufskrankheit vergeht. Der Nachweis ist schwierig, dass die Belastung bestanden hat.

Unfallversicherungen haben deshalb mit dem Aufbau von Katastern begonnen, die vergleichbare Messdaten aus einzelnen Berufen zusammenfassen. Auf diese Weise wird sich in Zukunft eindeutiger ermitteln lassen, ob Arbeitnehmer in der Vergangenheit schädlichen Einwirkungen in ihren Berufsgruppen ausgesetzt waren.

Ein weiterer Vorschlag: Arbeitnehmer sollen vor der Entscheidung alle Angaben, die zugrunde gelegt werden, einsehen können. Auf diese Weise könnten fehlende Angaben nachgereicht und falsche korrigiert werden.

Die verschiedenen Stichtagsregelungen

Stichtagsregelungen gelten für Krankheiten, die neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Sie regeln, wie mit Fällen umgegangen werden soll, die vor Eintragung in die Liste aufgetreten sind. Trat die Berufskrankheit vor dem jeweiligen Stichtag auf, geht der erkrankte Arbeitnehmer leer aus.

Das Problem der Ursachen

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu Leistungen von der Unfallversicherung ist das Problem, eine eindeutige, arbeitsbezogene Ursache für den Gesundheitsschaden zu finden. Denn oft ist für eine Krankheit auch eine andere Ursache denkbar als die berufliche Tätigkeit (siehe oben das oft herangezogene Beispiel „Krebs und Rauchen“).

Die „Wie-Berufskrankheiten“

Für Antragsteller, deren Erkrankung (bisher noch) nicht auf der Berufskrankheiten-Liste steht, gibt es die Möglichkeit, eine Anerkennung ihres Leidens als sogenannte „Wie-Berufskrankheit“ zu erreichen.

Das sind Krankheiten, die aufgrund der Empfehlungen des Sachverständigenbeirats der Bundesregierung „wie eine Berufskrankheit“ (§ 9 Abs. 2 SGB VII) anerkannt und bei Anträgen entsprechend behandelt werden.

Aktuelles Beispiel: „Eierstockkrebs durch Asbest“. Auch hier wird freilich der Nachweis das Problem sein: Die Betroffenen müssen eine Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 „Faserjahren“ nachweisen.

Autor*in: Markus Horn