26.08.2020

Corona: Sie als Betriebsrat bestimmen im Betrieb mit

Home-Office, Mund-Nase-Maske, Abstand – für Ihre Kollegen kein Problem. Doch wie hält es Ihr Chef? Umfragen sollen zeigen: der kann auch Corona. Doch trifft das auch auf Ihren Betrieb zu? Sie als Betriebsrat können Ihrem Unternehmen beim korrekten Umgang mit der Pandemie helfen.

Betriebsratsarbeit in der Corona-Krise

Inhaltsverzeichnis

Wie gehen Firmen in Deutschland mit der Pandemie um?

Mitbestimmung. Offenbar gut. Das jedenfalls sagen knapp drei Viertel der Arbeitnehmer in Deutschland. 1000 von ihnen ließ der Digitalkonzern Kapsch Group, Wien, repräsentativ für die Studie „Arbeitsplatz der Zukunft in der digitalen Welt“ befragen. Die Beschäftigten stellen demnach der eigenen Firma ein gutes Zeugnis für die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie aus. Rund 60 Prozent berichten von ganz neuen Möglichkeiten im Home-Office. Flexible Arbeitszeiten und ein sicherer Arbeitsplatz sind der Umfrage zufolge wichtiger geworden, wie es in einer Pressemitteilung von Kapsch dazu heißt. Für die Zukunft wünschten sich die Beschäftigten ein grundlegendes Umdenken, wenn es um die Präsenz am Arbeitsplatz geht. 60 Prozent der befragten Arbeitnehmer kämen „nur ins Büro, wenn es wirklich notwendig ist“. Neben der Frage der Mitbestimmung geht es zunächst um die ganz praktischen Auswirkungen des Virus auf Ihren Alltag im Gremium. Zumindest so lange die normalen Arbeitsabläufe bestehen bleiben, bleibt auch der Betriebsrat Herr seiner Entscheidungen. Das heißt, dass Arbeitgeber Ihnen grundsätzlich nicht verbieten dürfen, zur Eindämmung des Coronavirus‘ auf Sitzungen, Reisen oder Seminarbesuche zu verzichten.

Betriebsrat Corona
Arbeitgeber und COVID-19: Richtig reagiert, Arbeitszeit flexibler, Home-Office wichtig.

Was sich Arbeitnehmer wünschen, hängt vom Alter ab

Wie die Umfrage zeigt, gibt es bei den Wünschen für den Arbeitsplatz in den verschiedenen Altersgruppen deutliche Unterschiede:

  • Smartphone und Notebook sind für einen Arbeitsplatz der Zukunft bei 71 Prozent der jüngeren Arbeitnehmer wichtig bis sehr wichtig (20-40-Jährige) – bei den älteren von 41 bis 60 Jahren wollen nur 64 Prozent bevorzugt mit einem mobilen Gerät arbeiten.
  • Jeder vierte der älteren Beschäftigten (41-60) findet es unwichtig, beispielsweise zu Hause tätig zu sein, bei den jüngeren im Alter von 20 bis 40 Jahre sagt das nur rund jeder Zehnte.

Werden Sie als Betriebsrat in der Corona-Krise überflüssig?

Nein (die Frage ist ja auch nur ironisch gemeint), das werden Sie natürlich nicht. Zumal für Ihre Arbeit als Betriebsrat bringt der Coronavirus riesige Herausforderungen mit sich. Auch von Ihnen als Betriebsrat sind machbare und oft schnelle Lösungen gefragt.

Welche Ansprüche müssen Sie als Betriebsrat „durchboxen“?

Zum Beispiel, darf Ihr Arbeitgeber Ihnen grundsätzlich nicht vorschreiben auf Sitzungen, Reisen oder Seminarbesuche zu verzichten. Sie als Betriebsrat entscheiden nach eigenem Ermessen, wie Sie Ihre Geschäfte führen, ob Sie derzeit zu Seminaren oder Sitzungen etwa im Konzern- oder Gesamtbetriebsrat reisen.

Was ist mit Betriebsrats-Sitzungen? Sollten Sie diese ausfallen lassen?

Möglichst nicht! Sie als Betriebsrat können selbst über die Anberaumung der Sitzungen entscheiden – daran ändert auch Corona nichts. Solange es keine Erkrankten gibt oder nicht Kontaktpersonen isoliert werden müssen, sollten Sie als Betriebsrat die wöchentlichen Sitzungen weiter durchführen. Es könnte sogar sein, dass Sie den Sitzungsrhythmus erhöhen müssen. Zu besprechen wird es zweifelsohne genug geben. Sie als Betriebsrats-Gremium können Ihre Beschlüsse nur dann rechtssicher fassen, wenn Sie alle sich im Gremium treffen.

Können Sie als Betriebsrat Sitzungen auch virtuell durchführen?

Grundsätzlich geht das, aber nur ausnahmsweise während der Corona-Pandemie und vorerst nur bis Ende 2020. Und Sie als Betriebsrat müssen das sogar, wenn es anders wegen der Bestimmungen zur Eindämmung der Pandemie nicht möglich sein sollte. Geregelt ist das in dem im März 2020 in Kraft getretenen § 129 BetrVG, Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie. Danach können Sie als Mitglied an Sitzungen Ihres

  • Betriebsrates,
  • Gesamtbetriebsrats,
  • Konzernbetriebsrats,
  • der Jugend- und Auszubildendenvertretung,
  • der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung,
  • der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung,
  • der Einigungsstelle und
  • des Wirtschaftsausschusses

an einer Video- und Telefonkonferenz teilnehmen. Notwendig ist dabei aber, dass alle Teilnehmer Fragen stellen können. Eine reine Liveübertragung aus dem Betrieb, ohne dass Sie Fragen stellen und mitdiskutieren können, ist nicht zulässig; eine reine Telefonkonferenz oder Zuschaltung per Telefon ebenfalls nicht. Das Gesetz spricht ausdrücklich von audio-visuell.

Auch kann Ihr Betriebsrats-Gremium jeweils hierüber seine Beschlüsse fassen. Allerdings müssen Sie sicherstellen, dass Dritte vom Inhalt Ihrer Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Sie dürfen Ihre Sitzungen nicht aufzeichnen.

Wie sind bei einer Videokonferenz aber Niederschriften aufzunehmen?

§ 34 BetrVG legt fest, dass Sie als Betriebsrat über jede Sitzung eine Niederschrift anfertigen müssen. Sie muss

  • mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und
  • die Stimmenmehrheit enthalten.

Wenn Ihr Chef oder ein Beauftragter der Gewerkschaft teilgenommen hat, müssen Sie ihm eine Abschrift des ihn betreffenden Teils der Niederschrift aushändigen. Sie als Betriebsratsmitglied haben das Recht, die Unterlagen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse jederzeit einzusehen, allerdings jetzt wegen Corona mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den Gremien gebildeten Ausschüsse.

Wenn die Sitzung per Telefonkonferenz oder per Video-Konferenz stattfinden soll, müssen Sie als Betriebsrat Techniken nutzen, die die Einhaltung der Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung (Art 32 DS-GVO) sicherstellen. Wenn Sie als Betriebsratsmitglied über Video oder Telefon an der Sitzung teilnehmen, werden Sie in der Regel auch die Tagesordnung und die entsprechenden Unterlagen als E-Mail oder über ein unternehmensinternes Betriebsratslaufwerk zur Verfügung gestellt bekommen. Auch dabei müssen Sie Vertraulichkeit und Datenschutz gewährleisten. Unterlagen, die Sie als Betriebsrat für eine Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung von Ihrem Arbeitgeber bekommen, dürfen Sie nicht ohne die notwendigen Schutzvorkehrungen nach der DS-GVO (z.B. Verschlüsselung von E-Mails) verschicken.

Wer zahlt für eine Telefon- und Videokonferenz?

Ihr Arbeitgeber. Nach § 40 BetrVG. Er muss die Kosten für Hard- und Software tragen. Wenn Menschen mit Behinderungen an den Betriebsratssitzungen teilnehmen, ist sicher zu stellen, dass auch sie die elektronischen Kommunikationsmittel barrierefrei nutzen können.

Wenn Sie als Betriebsrat keine virtuelle Betriebsversammlung durchführen, können Sie sie verschieben?

Wenn Sie als Betriebsrats-Gremium so entscheiden, klar. Sie sind als solches auch bei Betriebsversammlungen in der Regel frei in der Terminwahl. Das gehört zu Ihrer pflichtgemäßen Ermessensfreiheit, zu überlegen, ob Sie die Versammlung nicht verschieben können oder sogar müssen. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen als Betriebsrat hier keine Vorgaben machen, aber eventuell hilft eine gemeinsame Abstimmung in Sachen Verschiebung.

Wie gehen Sie als Betriebsrat damit um, wenn ein Mitglied des Gremiums ausfällt?

Ebenfalls eine wichtige Frage; es kann ja immer passieren, dass ein Mitglied Ihres Betriebsrats erkrankt oder sich eventuell als Kontaktperson selbst isoliert. Das kann schnell dazu führen, dass Sie im Betriebsrat nicht beschlussfähig sind. Um zu verhindern, dass Ihr Arbeitgeber in einer solchen Situation ohne Ihre Einbindung als Betriebsrat entscheidet, empfiehlt sich der Abschluss einer Regelungsabrede. Zum Beispiel darüber,

  • dass während der fehlenden Beschlussfähigkeit keine personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen oder Kündigungen durchgeführt werden,
  • dass Sie Zugriffsmöglichkeiten auf Laufwerke, VPN-Verbindungen und Ähnliches für erkrankte Arbeitnehmervertreter erhalten.

Kann Ihr Arbeitgeber Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat in der Corona-Krise einschränken?

Nein, kann er nicht. Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat bleiben grundsätzlich auch in der derzeitigen Krisensituation bestehen. Unter Umständen kann Ihr Arbeitgeber in wirklichen Notfällen einiges alleine entscheiden, wo er sonst Sie als Gremium beteiligen müsste. Das bleibt aber die Ausnahme, beschränkt auf die wichtigsten Tatbestände aus § 87 Abs. 1 BetrVG:

  • Ordnung des Betriebs (Nr. 1)
  • Überstunden, Kurzarbeit (Nr. 2 und 3)
  • Überwachung im Homeoffice oder beim mobilen Arbeiten (Nr. 6)
  • Gesundheitsschutz, also im Wesentlichen alle gegen eine Verbreitung von Corona-Viren gerichtete Maßnahmen (Nr. 7) wie:
    • Verteilen von Desinfektionsmitteln und
    • Anordnung deren Gebrauch bis hin zu
    • drastischeren Maßnahmen,
    • Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Atemschutzmasken und Handschuhen
  • zeitweise Versetzung in das Homeoffice oder an einen mobilen Arbeitsplatz (§ 99 BetrVG).

Video: Corona – Arbeitsrecht & Mitbestimmung

Video: Corona (Teil 2) – Homeoffice, Kurzarbeit, Betriebsrats-Arbeit

Video: Corona (Teil 3) – Betriebsrats-Sitzungen, Kurzarbeitergeld, Kinderbetreuung, mehr Geld und Urlaub in der Pflege

Wie wirkt sich Corona auf den Arbeitsschutz aus? Können Sie als Betriebsrat dabei mitbestimmen?

Ja, aber nicht allein. Neben der Gesundheit der Arbeitnehmer muss Ihr Betrieb deren Rechte sowie Ihre Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat beachten. Da spielt unter Corona noch der Arbeitsschutzausschuss (AsA) mit. Sie beide kontrollieren die Maßnahmen. Der bundesweit geltende Arbeitsschutzstandard SARS-CoV-2 des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) setzt die Rahmenbedingungen, wie die Arbeitnehmer vor einer Infektion geschützt werden. Die Vorgaben weisen Ihnen als Betriebsrat und dem AsA eine aktive Rolle bei der Umsetzung zu. Der Maßnahmenplan soll sicherstellen, dass die Betriebe den Infektionsschutz auf längere Sicht einhalten, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren wird.

Auf welche Art beteiligt Ihr Arbeitgeber Sie als Betriebsrat an den Entscheidungen?

Am besten, das finden Sie selbst heraus. Verhandeln und beraten Sie mit Ihrem Chef darüber, in welcher Form Sie sich als Betriebsrat bei der Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahmen beteiligen. Ihre Beteiligung als Betriebsrat an seinen Entscheidungen dient vor allem ja ihm selbst. Er muss vermeiden, dass viele Arbeitnehmer erkranken und die Behörden seinen Betrieb unter Umständen schließen. Sie als Betriebsrat mit Ihrem guten Draht zu Ihren Kollegen und Ihre Betriebsratsmitglieder im AsA mit ihrer Expertise sind deshalb für Ihren Arbeitgeber durchaus interessant. Er hat mehrere Möglichkeiten, sie zu beteiligen:

  • Nur Kontrolle: Sie als Betriebsrat überlassen Planung und Umsetzung Ihrem Arbeitgeber und beschränken sich auf die Kontrolle seiner Maßnahmen. Das ermöglicht Ihnen als Betriebsrat eine große Distanz zum Chef. Sie können jederzeit und in scharfer Form Kritik üben. Jedoch ist auf dieser Basis keine wirkliche Mitgestaltung möglich.
  • Nur Kommunikation: Hier lassen Sie als Betriebsrat sich in die Infektionsschutzkommunikation Ihres Arbeitgebers einbinden. Sie können über Ihre Medien seine Maßnahmen unterstützen. Wenn Sie als Betriebsrat keinen Einfluss auf die Maßnahmen haben, können Sie diese bewerten und kritisieren. Damit wahren Sie einen merklichen Abstand zu Ihrem Arbeitgeber.
  • Verantwortung: Über die kommunikative Einbindung müssen Sie als Betriebsrat die Maßnahmen gegenüber Ihren Kollegen im Betrieb vertreten, wenn Sie sie z.B. im AsA oder einem Corona-Lenkungskreis mitbeschließen. Dann können Sie sich als Betriebsrat kaum vom Arbeitgeber distanzieren. Achten Sie darauf, dass Sie bei den Entscheidungen mitreden, wenn Sie als Betriebsrat schon die Verantwortung dafür mittragen müssen.

Der AsA kann die Maßnahmen koordinieren – oder Sie bilden einen Krisenstab oder beauftragen eine Person nach § 13 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bzw. Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) mit der Koordinierung.

Was für Maßnahmen sind dabei gemeint?

Das BMAS hat Mitte April einen Maßnahmenplan als verbindlichen Rahmen für Infektionsschutzmaßnahmen im Betrieb veröffentlicht. Dabei geht das Ministerium davon aus, dass die Betriebe immer mehr wieder im Normalmodus arbeiten, der Infektionsschutz aber im bisherigen Ausmaß gewährleistet bleibt. Die SARS-CoV-2-Maßnahmen sind nur ein Mindeststandard, der von allen eingehalten werden muss. Darüber hinaus können je nach Branche und Betrieb weitergehende Regelungen gelten. Dazu bildete man einen Arbeitskreis unter anderem mit Vertretern der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der DGUV; er soll die Maßnahmen jeweils anpassen. Die Durchführung der Maßnahmen erfolgt in der im Arbeitsschutz üblichen Rangfolge nach dem TOPP-Prinzip:

  • Technisch
  • Organisatorisch
  • Psychisch
  • Personenbezogen.

Technische Schutzmaßnahmen an regulären Arbeitsplätzen, bei außerbetrieblichen Tätigkeiten, im Home-Office, bei Dienstreisen und bei Besprechungen:

  • Mindestabstand von 1,5 Metern,
  • wenn nicht möglich z.B. Trennwände zum Schutz gegen Tröpfcheninfektionen,
  • Handhygiene mit Gelegenheiten zum Händewaschen, regelmäßiger Nachfüllung von Seife, Papierhandtücher etc.
  • Belüftung geschlossener Räume – je mehr, desto besser.

Organisatorische Schutzmaßnahmen wenn Mindestabstand nicht zuverlässig zu gewährleisten etwa bei Menschenansammlungen z.B. in der Kantine, vor Aufzügen und an Stempeluhren:

  • Markierung der richtigen Abstände mit Klebeband
  • Erinnerung an Sicherheitsabstand auf Plakaten
  • Entzerrung von Schichtplänen und Pausenzeiten, damit es nicht zu unfreiwilligen Gruppenbildungen kommen kann
  • Bedienung von Maschinen und Geräten nur von jeweils einer Person, um die Weitergabe des Virus‘ über die Hände zu verhindern
  • Desinfizierung von Bedienungselementen
  • Bedienung gegebenenfalls nur mit Handschuhen
  • Getrennte Aufbewahrung von Schutzkleidung und Schutzmasken für jeden Arbeitnehmer.

Psychische Belastungen: Ausdrücklich geht der Maßnahmenplan ein auf die psychischen Belastungen durch:

  • Ängste der Belegschaft,
  • mögliche Konflikte mit Kunden,
  • Maßnahmen zur Einhaltung des Mindestabstandes sowie
  • einer oft hohen Arbeitsintensität.

Achten Sie als Betriebsrat darauf, dass die Gefährdungsbeurteilungen auf psychische Belastungen eingehen, Gefährdungen festgestellt und Maßnahmen zu deren Minimierung durchgeführt werden.

Personenbezogene Schutzmaßnahmen bei nicht ausreichender Vermeidung durch technische und organisatorische Maßnahmen:

  • Mund-Nase-Bedeckungen
  • Schutzhandschuhe vor allem in gefährlichen Unternehmensbereichen sowie überall dort, wo die Einhaltung eines Schutzabstandes nicht möglich ist (z.B. in der Pflege)
  • immer wieder eindringliches aufmerksam machen Ihrer Kollegen durch Hinweisschilder und Unterweisungen, sich an die Schutzmaßnahmen zu halten und sich bei Fragen an zentrale Ansprechpartner im Betrieb zu wenden
  • aktives Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchung, wichtig etwa für Arbeitnehmer, die Vorerkrankungen gegenüber der Personalabteilung oder gegenüber der Geschäftsleitung bisher nicht offengelegt haben und dies auch in Zukunft nicht möchten. Diese können sich beim Betriebsarzt – er unterliegt der Schweigepflicht – untersuchen und beraten lassen, wie sie sich hinsichtlich ihrer individuellen Risiken am besten schützen.

Arbeitsschutz erfolgt im PDCA-Zyklus:

  • Plan: Planung der Maßnahmen, ausgelöst durch eine Gefährdungsbeurteilung
  • Do: Umsetzung in kleinerem Umfang
  • Check: Überprüfung der Wirkung
  • Act: bei erfolgreichen Ergebnissen Umsetzung in großem Umfang.

Schnellcheck für den Betriebsrat: Wird alles getan?

Prüfen Sie mit Hilfe dieser Checkliste, ob Ihre Kollegen und Kolleginnen in Ihrem Betrieb wirksam vor einer Infektion geschützt werden:

Wer oder für wen … … welche Maßnahmen? Ja / Nein
Arbeitsgruppe z.B. regelmäßiger AsA Überprüfen laufend Maßnahmen entsprechend der Pandemie-Entwicklung und passen sie an
interne oder externe Experten für Infektionsschutz eingebunden
Arbeitnehmer Hinweis auf Möglichkeit arbeitsmedizinischer Vorsorge
Ständiger Hinweis auf 1,5 Meter Sicherheitsabstand
Aushang u.a. mit Hinweis: mit Krankheitssymptomen Betreten des Betriebs verboten
besonders gefährdete Arbeitnehmer z.B. bei der Materialausgabe oder im Kundenverkehr zusätzliche Schutzmaßnahmen wie etwa Glasscheiben
Rückkehrer aus Krankenstand oder Home-Office Hinweise auf Infektionsschutzmaßnahmen
Risikogruppen Besonders geschützt z.B. in Home-Office oder eigene Arbeitsräume
Sie als Betriebsrat Aktualisierungen im ständigen Kontakt mit zuständige Behörden, aus Vorschriften und Entwicklungen
Arbeitgeber Informiert über durchgeführte und geplante Maßnahmen

Führen Sie diesen Check regelmäßig durch! Die Erfahrung zeigt, dass sowohl Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber beauftragte Personen mit der Zeit in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen, was fatale Folgen haben kann.

Kollegen kehren aus dem Home-Office zurück. Mit oder ohne Ihr Okay als Betriebsrat?

Wenn, dann nur mit. Ignoriert Ihr Arbeitgeber dabei Ihre Beteiligungsrechte als Betriebsrat, können Sie die Rückkehr von Beschäftigten, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie wochenlang vom Home-Office aus gearbeitet haben und nun an ihre Arbeitsplätze in Ihrem Betrieb zurückkehren wollen, vorläufig verhindern. Genau darum ging es in einem Fall, über den im April 2020 das Arbeitsgericht (ArbG) Neumünster zu verhandeln hatte (ArbG Neumünster, Beschluss vom 28.04.2020, Az.: 4 BVGa 3a/20). Dabei hatte ein Arbeitgeber die Beschäftigten nach dem Ende des pandemiebedingten Lockdowns zurück in den Betrieb beordert. Er forderte sie zur Arbeitsleistung auf. Er hatte nur einige Dinge vergessen. Er hatte zuvor nichts mit dem Betriebsrat besprochen,

  • nichts über die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG),
  • nichts über die zu ergreifenden Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG),
  • nichts über die Dienstpläne (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG),
  • nichts über die Umsetzung der Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).

Damit war der Betriebsrat des Unternehmens nicht einverstanden. Er beantragte in einem Eilverfahren, es dem Arbeitgeber zu untersagen, die Beschäftigten in den Betrieb zurückzubeordern, ohne zuvor mit ihm als Betriebsrat über die genannten mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten verhandelt zu haben. Der Betriebsrat klagte.

Und? Hatte er Erfolg?

Ja, das Gericht gab dem Betriebsrat Recht. Der Betrieb müsse vorläufig geschlossen bleiben, bis der Arbeitgeber über die vom Betriebsrat genannten Angelegenheiten Verhandlungen mit dem Gremium aufgenommen habe. Die genannten Angelegenheiten befand das Gericht alle als mitbestimmungspflichtig nach den Regelungen in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Das hohe Infektionsrisiko durch das Coronavirus stelle eine hohe Gefährdung der Gesundheit dar, urteilte das Gericht. Sie könne man nur durch wirksame vorherige Schutzmaßnahmen reduzieren. Diese Maßnahmen seien vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Der Arbeitgeber sei gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden seiner Beschäftigten zu ergreifen. Der Betriebsrat müsse eine Verletzung dieser Pflicht nicht hinnehmen. Er sei berechtigt, Maßnahmen des Arbeitgebers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzugreifen. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung einer Einigungsstelle wäre nicht verhältnismäßig, so die Richter in Schleswig-Holstein.

Was bedeutet das Urteil für Sie als Betriebsrat?

Als Betriebsrat können Sie die Rückkehr sämtlicher Beschäftigten notfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung stoppen. Vor einer Rückkehr von Kollegen in den Betrieb muss Ihr Arbeitgeber – je nach der konkreten betrieblichen Situation – Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat beachten. Verstößt er dagegen, können zudem Ihre Kollegen die Aufnahme der Arbeit im Betrieb ablehnen.

Außerdem können Sie als Betriebsrat Ihren Arbeitgeber schriftlich zur Überprüfung und gegebenenfalls zur Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung auffordern. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG verpflichtet ihn nämlich, Maßnahmen des Arbeitsschutzes regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und „erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen“. Die Coronavirus-Pandemie ist eine solche sich ändernde Gegebenheit, die eine solche Gefährdungsüberprüfung rechtfertigt.

Verweisen Sie in Ihrem Schreiben an Ihren Arbeitgeber auf § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Führen Sie aus, dass er verpflichtet ist, durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Betonen Sie ausdrücklich die herausragende Bedeutung einer Gefährdungsbeurteilung als dem wesentlichen Element des betrieblichen Gesundheitsschutzes und notwendige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung der Arbeitsschutzpflichten eines Arbeitgebers.

Des Weiteren sollte in Ihrem Schreiben nicht ein Hinweis auf § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG fehlen und die sich daraus ergebende Verpflichtung Ihres Arbeitgebers, Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Machen Sie ihm klar, dass die weiterhin grassierende Coronavirus-Pandemie eine solche sich ändernde Gegebenheit darstellt. Fordern Sie als Betriebsrat ihn vor diesem Hintergrund auf, die Gefährdungsbeurteilung des betreffenden Jahres zu überprüfen und gegebenenfalls an die durch das Coronavirus veränderten Anforderungen anzupassen. Unterstreichen Sie das Ihnen als Betriebsrat aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zustehende Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung und schlagen Sie ihm vor, eine Vereinbarung über die Modalitäten der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung abzuschließen. Wenn Sie gleich einen entsprechenden Entwurf für eine solche Vereinbarung Ihrem Schreiben beifügen, kann das das Verfahren nicht unbeträchtlich abkürzen.

Musterschreiben: Aufforderung zur Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung

Ort, Datum

Aufforderung zur Überprüfung bzw. Aktualisierung der Gefährdungsurteilung

Sehr geehrte Damen und Herren,

gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Eine solche Gefährdungsbeurteilung ist das wesentliche Element des betrieblichen Gesundheitsschutzes und notwendige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung der Arbeitsschutzpflichten eines Arbeitgebers. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Die weiterhin grassierende Coronavirus-Pandemie ist eine solche sich ändernde Gegebenheit. Vor diesem Hintergrund fordert sie der Betriebsrat auf, die Gefährdungsbeurteilung von ____ (Jahr) zu überprüfen und gegebenenfalls an die durch das Coronavirus veränderten Anforderungen anzupassen. Als Betriebsrat haben wir bei der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, eine Vereinbarung über die Modalitäten der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung abzuschließen. Ein entsprechender Entwurf liegt diesem Schreiben bei.

Mit freundlichen Grüßen _________ (Unterschrift Betriebsratsvorsitzende/r)

Autor*innen: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.), Martin Buttenmüller, Friedrich Oehlerking (Friedrich Oehlerking ist Journalist und Autor des Werkes Wirtschaftswissen für den Betriebsrat.)