27.04.2023

Wärmepumpen: Industrie baut Produktion massiv aus

Fossile Verbrenner raus aus dem Heizungskeller, Wärmepumpe rein. Die Ampelregierung will mit der Energiewende Nägel mit Köpfen machen. Die Opposition wirft ihr „Politik mit der Brechstange“ vor. Die lachenden Dritten: Hersteller von Wärmepumpen. Sie bauen Kapazitäten massiv aus.

Wärmepumpen

Weltweit einheitliche CO2-Messung

Bei „Anne Will“ in der ARD lässt Bundesbauministerin Klara Geywitz (47, SPD) die Katze aus dem Sack: „Wenn wir nicht aufpassen, wird die deutsche Heizungsindustrie verdrängt von asiatischen Herstellern.“ Zu dem Hinweis, warum das neue Gebäudeenergiegesetz nicht ein Jahr später, also 2025 in Kraft trete, schließlich bestehe ein Wärmepumpen-Mangel und die Preise explodierten, Geywitz: „Die deutsche Heizungsindustrie hat mir gesagt: Frau Geywitz, wir investieren Milliarden.“ Man brauche jetzt Planungssicherheit, die Ministerin möge an dem derzeit vereinbarten Datum 01.01.2024 festhalten, Milliardeninvestitionen von Mittelständlern „fußen auf diesem Datum“. Damit die deutsche Industrie in diesem Wettbewerb mithalten kann, wäre es wichtig, dass sie sich völlig auf das neue Geschäft konzentrieren kann.

Klimafreundlich Heizen

Ab dem 1. Januar 2024 soll nach dem Willen des Bundeskabinetts möglichst jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Bestehende Heizungen könnten weiterlaufen und repariert werden. Die damit verbunden Kosten will die Bundesregierung abfedern durch:

  • „großzügige Übergangsfristen“
  • Ausnahmen,
  • einen „starken sozialen Ausgleich“ und
  • umfangreiche Förderung.

Auf Dauer lohne sich der Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Bundesregierung: „Niemand soll überfordert werden.“ Es gehe darum, für den Klimaschutz die erforderliche Wärmewende schneller voranzubringen. „Wir tun das mit einem klaren und bewussten Fokus auf neu eingebaute Heizungen“, so Vizekanzler, Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Wer jetzt in eine neue Heizung investiere, müsse das nachhaltig tun. Wer heute eine neue Heizung einbaue, der nutze diese 20 bis 30 Jahre.

Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen

„Soziale Härten federn wir ab durch Übergangsfristen, Ausnahmeregelungen und vor allem durch eine Neuaufstellung der Förderung. Wir greifen so Bürgerinnen und Bürgern beim Heizungstausch auch finanziell unter die Arme“, sagte der Minister bei der Vorstellung der im Kabinett beschlossenen Novelle des Gebäudeenergiegesetzes auf einer Pressekonferenz am 19.04.2023. Niemand müsse sein Haus verkaufen, ergänzte Bundesbauministerin Geywitz. „Eine flankierende Förderung und steuerliche Maßnahmen sollen sicherstellen, dass niemand durch die neuen Vorgaben überfordert wird“, so Geywitz. Gerade weil es das Zuhause nicht zweimal gebe, brauchten „jede Wohnung und jedes Haus eine Lösung, die zu den dort lebenden Menschen“ passe.

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Eigentümer sollen individuelle Lösungen umsetzen, den Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 65 Prozent auch rechnerisch nachweisen können. Sie könnten wählen zwischen verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten für mindestens 65 Prozent erneuerbares Heizen:

  • Anschluss an ein Wärmenetz,
  • elektrische Wärmepumpe,
  • Stromdirektheizung,
  • Hybridheizung mit einer Kombination aus Heizung mit erneuerbarer Energie und Gas- oder Ölkessel,
  • Solarthermie,
  • unter bestimmten Bedingungen mit auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbaren „H2-Ready“-Gasheizungen.

Wermuth im Wein

Wermuth in Habecks Wärmepumpen-Wein könnte von Europa drohen. Die Geräte funktionieren mit einem Kältemittel. Viele davon gelten als umweltschädlich, berichtet „Merkur“. Die meisten derzeit verbauten Wärmepumpen nutzen demnach hierfür sogenannte fluorierte Treibhausgase (F-Gase), welche sogar deutlich klimaschädlicher seien als CO2. In der EU wird aufgrund der Negativ-Aspekte dieser Gase nun ein Verbot diskutiert. Doch damit würde der Klimaschutz quasi den Klimaschutz blockieren. Das EU-Parlament befindet sich noch mit den Mitgliedsländern in Abstimmung zu den Regelungen. „Die meisten Wärmepumpen werden mit F-Gasen betrieben.

Das wird mit dem Verbot nicht mehr möglich sein“, kommt in dem Bericht Energie-Expertin Corinna Kodim vom Verband Haus & Grund zu Wort. Es gebe bereits andere Wärmepumpen-Modelle, die mit einem anderen Kältemittel betrieben werden, nämlich Propan. Allerdings seien die F-Gase im Vergleich zu Propan nicht brennbar. Deswegen eignen sie sich für den Wärmepumpen-Einbau in Innenräumen. Bei einem Verbot für F-Gase müssten die Wärmepumpen wegen der Feuergefahr nach draußen verlegt werden. Aber würde das gerade in Städten wegen des Platzbedarfs häufig zum Problem werden.

Heizungsbauerzunft legt kräftig zu

Derzeit geht man in der Industrie davon aus, dass es bei dem von der Ampelregierung angepeilten Datum Anfang 2024 für die Generalumstellung der deutschen Heizungslandschaft bleibt. 500.000 Wärmepumpen pro Jahr will einem Bericht im „Focus“ zufolge die deutsche Heizungsbauerzunft künftig installieren. Für die Hersteller der Geräte seien das glänzende Aussichten. Sie bauten ihre Kapazitäten jetzt aus – „allerdings nur selten in Deutschland“, schreibt das Magazin. Sechs Millionen Wärmepumpen sollen demzufolge bis 2030 in deutschen Haushalten eingebaut sein. Von 236.000 Geräten im vergangenen Jahr soll es künftig auf 500.000 Installationen pro Jahr nach oben gehen, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf den Heizungsbauerverband. So viele Geräte müssten erst einmal gebaut werden. Aber nicht nur Deutschland investiert in umweltfreundliche Heizungen. Der Weltmarkt boome. Von einem Volumen von 55 Milliarden Dollar im Jahr 2018 soll er sich bis 2026 auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr fast verdoppeln:

  • Vaillant produziere bereits jetzt auf der Hälfte seiner Produktionsfläche nur noch Wärmepumpen. 2024 soll das Geschäft so einträglich sein wie das mit Gasthermen. Vaillant hat eine neue Fabrik in der slowakischen Kleinstadt Senica in Betrieb genommen. Mit der Megafabrik auf 100.000 Quadratmetern wolle der deutsche Hersteller alleine pro Jahr 500.000 Wärmepumpen produzieren.
  • Bosch Thermotechnik investiere rund 300 Millionen Euro. Die Nachfrage nach Wärmepumpen stieg 2021 um 38 Prozent.
  • Viessmann verzeichnete einen um 41 Prozent gestiegenen Umsatz mit Wärmepumpen, der gesamte Firmenumsatz allein dadurch von 2,8 auf 3,4 Milliarden Euro. Eine Milliarde Euro wolle das Unternehmen deswegen bis 2025 in den Ausbau seiner Produktion investieren. Der Hersteller baut eine Fabrik im polnischen Legnica mit 50.000 Quadratmetern Fläche.
  • Nibe, ein schwedischer Wärmepumpenhersteller, baut ein 40.000 Quadratmeter großes Zentrum allein für Forschung und Entwicklung. Der Umsatz wuchs laut „Focus“ 2022 um rund 25 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro, für 2023 sind 20 Prozent Wachstum angepeilt.
  • Mitsubishi Electric und Panasonic, beide aus Japan, bringen mit eigenen Geräten ihre Macht in Forschung und Marketing mit.

Stiebel Eltron produziert in Deutschland

Eine Ausnahme könnte der Wärmepumpen-Spezialist Stiebel Eltron aus Holzminden an der Weser sein. Bis 2027 will das Unternehmen einer Pressemitteilung zufolge die Zahl der Arbeitsplätze im Stammwerk Holzminden auf rund 1.200 Stellen ausbauen. Zudem werde die Produktionsfläche für Wärmepumpen-Heizungen auf eine Größe von vier Fußballfeldern erweitert – 450 Millionen Euro investiert die Firma dafür in der niedersächsischen Zentrale. Damit will das Unternehmen auf den Nachfrageboom für klimafreundliches Heizen ohne Öl und Gas reagieren.

„Stiebel Eltron schafft mit der Energiewende neue Arbeitsplätze in Deutschland“, sagt Geschäftsführer Dr. Kai Schiefelbein. „Anders als viele unserer Wettbewerber bauen wir unsere Kapazitäten für umweltfreundliche Heiztechnik an den heimischen Standorten aus: Aktuell arbeiten beispielsweise knapp 400 Beschäftigte in der Wärmepumpenfertigung im niedersächsischen Holzminden – bis 2027 wollen wir die Zahl der Kolleginnen und Kollegen hier verdreifachen, die Produktionskapazitäten werden etwa vervierfacht. Die Vorbereitungen für die Bauarbeiten haben bereits begonnen.“

Neue GreenTech-Arbeitsplätze in Deutschland

Trotz Fachkräftemangels hatte sich die Zahl der Beschäftigten an den deutschen Standorten von Stiebel Eltron bereits innerhalb der letzten drei Jahre um gut 1.000 auf rund 3.200 Mitarbeitende erhöht. Der größte Teil der neuen Arbeitsplätze entsteht künftig in der Fertigung, bei den Werkstätten und in der Logistik. Dabei verfolgt das Familienunternehmen einen pragmatischen Ansatz: Gesucht werden einerseits Menschen, die bereits über handwerkliche Erfahrungen an einem Industrie-Arbeitsplatz verfügen, beispielsweise im Heizungs-, Maschinen- oder Automobilbau. Gleichzeitig werden auch Stellen angeboten, die Bewerberinnen und Bewerber nach einer internen Qualifizierung von nur wenigen Wochen besetzen können: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Routine bei bestimmten Jobs in der Fertigung mit der Arbeit kommt“, so Schiefelbein.

Arbeitsplatz, der ein Stück die Welt verbessert

Die Menschen sehen Stiebel Eltron offenbar als attraktiven Arbeitgeber: „Bei den Einstellungsgesprächen bekommen wir immer wieder gespiegelt, dass die Bewerberinnen und Bewerber einen Sinn in ihrer Arbeit finden wollen und unsere GreenTech-Ausrichtung deshalb zu ihnen passt“, sagt Rebecca Knauer, Leiterin Personalbetreuung Deutschland bei Stiebel Eltron. „Wir wirken an der Energiewende mit und helfen, die Welt ein Stück besser zu machen. Mit unserer Tradition als Familienunternehmen werden wir zudem als emphatischer, ehrlicher und authentischer Arbeitgeber wahrgenommen. Das gilt für die Arbeitsplätze rund um die Fertigung und Verwaltung ebenso wie für die Forschung und Entwicklung.“

Verantwortung übernehmen

Das European Environmental Bureau (EEB) in Brüssel zeichnete Stiebel Eltron jüngst als „Leader der Energiewende 2023“ aus – die gesamte Produkt-Palette ist laut Audit als umweltfreundlich und mit den europäischen Klimazielen vereinbar anerkannt. Gegründet 1924, gehört das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von eigenen Angaben zufolge über einer Milliarde Euro zu den führenden Unternehmen auf dem Markt der Erneuerbaren Energien, Wärme- und Haustechnik. Als innovationsgetriebenes Familienunternehmen verfolge man bei Produktion und Entwicklung eine Linie für eine umweltschonende, effiziente und komfortable Haustechnik. Mit rund 5.500 Mitarbeitern weltweit setzt das Unternehmen von der Produktentwicklung bis zur Fertigung auf eigenes Know-how. Stiebel Eltron produziert am Hauptstandort in Holzminden, Hameln, Freudenberg und Eschwege (Hessen) sowie an fünf weiteren Standorten im Ausland (Arvika/Schweden, Tianjin/China, Ayutthaya/Thailand, Poprad/Slowakei, West Hatfield, Massachusetts /USA).

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)