03.05.2021

Zulassung nicht genehmigter Stoffe für die COVID-19-Bekämpfung

Die Verwendung der Stoffgruppe 4-(1,1,3,3-Tetramethylbutyl)phenol, ethoxyliert war für Anwendungen, die nicht bis 4. Juli 2019 beantragt worden waren, seit dem 4. Januar 2021 eigentlich verboten. Die Stoffgruppe ist aber bei der Diagnose von COVID-19 unverzichtbar und wird auch bei der Entwicklung von Impfstoffen zur Bekämpfung von COVID-19 eingesetzt. Die Europäische Kommission hat daher nun die Rechtsgrundlagen angepasst.

Frau betrachtet eingehend einen chemischen Stoff in einem Reagenzglas.

Hintergrund: Stoffe mit endokrinschädigenden Eigenschaften

Sie stecken unter anderem in verschiedenen Kunststoffprodukten, Lösungsmitteln, Pestiziden und werden teils auch gezielt in der Medizin eingesetzt: chemische Stoffe mit Eigenschaften, die endokrine Drüsen schädigen können.

Solche Stoffe (sogenannte endokrine Disruptoren) können das Hormonsystem beeinträchtigen. Zudem gilt es als erwiesen, dass sie unter anderem Brust- und Prostatakrebs, Unfruchtbarkeit, Diabetes und psychische Erkrankungen auslösen können. Sie sind, neben anderen Stoffen, im Anhang XIV der REACH-Verordnung zu finden. Dieser listet Stoffe auf, die einem Zulassungsverfahren unterliegen und nur noch für eine befristete Zeit verwendet werden dürfen – es sei denn, ein Hersteller, Importeur oder nachgeschalteter Anwender erhält eine Zulassung für die weitere Verwendung.

Verlängerte Zulassung trotz gesundheitlicher Bedenken

Ursprüngliche Regelungen zur Stoffgruppe 4-(1,1,3,3-Tetramethylbutyl)phenol, ethoxyliert

Die Stoffgruppe 4-(1,1,3,3-Tetramethylbutyl)phenol, ethoxyliert ist eben wegen dieser endokrinschädigenden Eigenschaften unter der Nr. 42 in Anhang XIV der REACH-Verordnung gelistet. Die Stoffgruppe umfasst eindeutig definierte Stoffe sowie Stoffe mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien (UVCB-Stoffe), Polymere und homologe Stoffe.

Zulassungsanträge für unter diese Gruppe fallende Stoffe durften ursprünglich nur noch bis zum 4. Juli 2019 gestellt werden. Die befristete Verwendung nicht genehmigter Anwendungen war an sich seit dem 4. Januar 2021 verboten. Doch die Corona-Pandemie setzt nun auch hier neue Maßstäbe.

Stoffgruppe hilft bei Bekämpfung der Corona-Pandemie

Denn wie sich herausgestellt hat, ist die betroffene Stoffgruppe bei der Diagnose von COVID-19 genauso unverzichtbar wie bei der Herstellung entsprechender Werkzeuge, unter anderem Teststreifen. Obendrein wird sie bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das SARS-CoV-2-Virus eingesetzt und soll wahrscheinlich auch bei deren Produktion eine Rolle spielen. Möglicherweise kann diese Stoffgruppe auch bei der Entwicklung und Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln zur Bekämpfung von COVID-19 zum Einsatz kommen.

Neue Verordnung verlängert Zulassungsanträge für diese Stoffgruppe

Als ethoxyliertes 4-(1,1,3,3-Tetramethylbutyl)phenol in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen wurde, war noch nicht absehbar, dass schon bald eine Pandemie das Weltgefüge durcheinanderbringen würde. Deshalb hat die EU-Kommission nun mit der Verordnung (EU) 2020/2160 vom 18. Dezember 2020 eine Änderung dieses Anhangs hinsichtlich der besagten Stoffgruppe beschlossen (ABl. EU Nr. L 431 vom 21. Dezember 2020, S. 38).

Zulassungsanträge für entsprechende Stoffe können nun noch bis zum 22. Juni 2022 gestellt werden. Der Ablauftermin wurde auf den 22. Dezember 2023 festgelegt.

Die Änderung betrifft Stoffe

  • für die Erforschung, Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln,
  • für Medizinprodukte oder deren Zubehör (einschließlich In-vitro-Diagnostika) zur Diagnose, Behandlung oder Verhütung von COVID-19
  • zur Verwendung in solchen Medizinprodukten oder solchem Zubehör.

Gültig rückwirkend ab dem 4. Juli 2019

Die neue Verordnung ist am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten. Sie gilt rückwirkend ab dem 4. Juli 2019, ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in sämtlichen Mitgliedstaaten. Eine Umsetzung der EU-Verordnung in nationale Rechtsvorschriften ist daher in diesem Fall nicht notwendig.

 

Autor*innen: Ulrich Welzbacher, Christine Lendt