23.06.2021

Rechtsgrundlagen im Arbeitsschutz

Gesundheitsschutz

Deutschland ist ein Rechtsstaat, und dieses Recht hat seine Grundlagen in Gesetzen und anderen Vorschriften und Regeln. Auch der Arbeitsschutz beruht auf solchen Rechtsgrundlagen, und manche meinen, es seien viel zu viele und man verliere den Überblick. Dieses Kapitel gibt Orientierung im „Paragrafenwald“ des Arbeitsschutzes.

Duales Arbeitsschutzsystem

In Deutschland gibt es seit beinahe 130 Jahren ein „duales Arbeitsschutzsystem“: Staatliche Arbeitsschutzinstitutionen und Unfallversicherungsträger sind gemeinsam tätig, aber mit unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen und Kompetenzen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit.

  • Die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren nehmen Bund und Länder als staatliche Aufgabe auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (§ 21 ArbSchG) wahr.
  • Die Unfallversicherungsträger als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung erfüllen ihren Präventionsauftrag als sozialversicherungsrechtliche Aufgabe nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII – (§ 1 Nr. 1, §§ 14 ff. SGB VII i.V.m. §§ 29 ff. SGB IV). Entsprechend enthält § 21 ArbSchG ebenfalls folgende Formulierung: „Soweit die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Sozialgesetzbuch im Rahmen ihres Präventionsauftrags auch Aufgaben zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten wahrnehmen, werden sie ausschließlich im Rahmen ihrer autonomen Befugnisse tätig.”

Diese duale Aufgabenverteilung erzeugt einerseits Abstimmungsbedarf und eröffnet andererseits Chancen für wechselseitige Synergien.

Die Herstellung eines verständlichen, überschaubaren und abgestimmten Vorschriften- und Regelwerks ist daher auch ein Kernbestandteil der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA), die mit dem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) 2008 als dauerhafte rechtliche Verpflichtung für Bund, Länder und Unfallversicherungsträger festgeschrieben worden ist. Leitprinzip ist, dass staatliche Vorschriften sowie das Regelwerk staatlicher Ausschüsse vorrangige Instrumente zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – BMAS –, die Länder und die Unfallversicherungsträger haben zudem bekräftigt, dass europäische und internationale Vorgaben zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit grundsätzlich durch staatliches Recht umgesetzt werden.

Historische Entwicklung der Rechtsgrundlagen im Arbeitsschutz

Als Meilensteine in der Entwicklung der Arbeitsschutzgesetzgebung sind insbesondere zu nennen:

  • 1839: Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken
  • 1853: Gesetz über Fabrikinspektoren
  • 1870: Reichsgewerbeordnung
  • 1884: Gewerbe- und Unfallversicherungsgesetz (Berufsgenossenschaften)
  • 1919: Demobilisierungsverordnungen (Achtstundentag)
  • 1968: Maschinenschutzgesetz (heute ProdSG)
  • 1973: Arbeitssicherheitsgesetz
  • 1975: Arbeitsstättenverordnung
  • 1980: Chemikaliengesetz (Umsetzung EG-Recht)
  • 1986: Gefahrstoffverordnung
  • 1990: Einigungsvertrag
  • 1992: Maschinenverordnung (9.GPSGV) als Umsetzung der Maschinenrichtlinie 89/392/EWG
  • 1994: Arbeitsschutzgesetz (Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz 89/391/EWG)
  • 1996: Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (Unfallversicherung im SGB VII, Erweiterung des Präventionsauftrags)
  • 2002: Betriebssicherheitsverordnung
  • 2003: Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
  • 2004: Arbeitsstättenverordnung
  • 2005: Gefahrstoffverordnung
  • 2005: Biostoffverordnung
  • 2006: Lärm-und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
  • 2008: Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG)
  • 2010: Gefahrstoffverordnung (Novelle)
  • 2011: Produktsicherheitsgesetz
  • 2011: Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung
  • 2013: Änderung der Biostoffverordnung und Änderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
  • 2015: Novelle u.a. der Betriebssicherheitsverordnung
  • 2016: Arbeitsstättenverordnung (Novelle)
  • 2020: Anpassungen am Arbeitsschutzgesetz

Grundsätze zur Ermittlung rechtlicher Verpflichtungen im Arbeitsschutz

Die Unternehmensleitung muss sicherstellen, dass die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes getroffen werden, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten. So schreibt es das Arbeitsschutzgesetz in § 3 vor. Der Arbeitgeber hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

Es ist dabei auch der jeweils aktuelle Stand von Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherungsträger, technischen Regeln, Normen, Richtlinien und veröffentlichten Verwaltungsvorschriften zu erfassen und auszuwerten. Die daraus resultierenden Informationen sind den zuständigen Funktionsträgern des Unternehmens zuzuleiten, die für die Erfüllung dieser Verpflichtungen verantwortlich sind.

Zuständigkeiten

Die Verantwortung im Arbeitsschutz trägt grundsätzlich der Unternehmer. Damit die vom Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geforderten Maßnahmen geplant und durchgeführt werden können, hat er für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen, etwa für technische oder persönliche Schutzmaßnahmen. Der Arbeitgeber muss außerdem dafür sorgen, dass diese Maßnahmen bei allen Tätigkeiten, die es erfordern, beachtet werden und in die betrieblichen Führungsstrukturen eingebunden werden.

Auch die Beschäftigten müssen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. Konkret: Damit die Mitarbeiter ihre Mitwirkungspflichten erfüllen können, indem sie etwa gewisse Sicherheitsvorkehrungen beachten und bei Bedarf persönliche Schutzausrüstung tragen, müssen zunächst die entsprechenden Strukturen geschaffen und die erforderlichen Mittel überhaupt vorhanden sein.

Der Unternehmer kann jedoch grundsätzlich Verantwortung – gemäß dem „Liniensystem“ – über die verschiedenen hierarchischen Ebenen an seine Führungskräfte delegieren. Diese wiederum sind jeweils – im Rahmen ihrer Kompetenzen – dazu berechtigt, Regelungen festzulegen und Anweisungen zu erteilen. Dazu gehört zwangsläufig auch die Verantwortung im Arbeitsschutz als ein fester Bestandteil der jeweiligen übertragenen Position und den mit ihr verbundenen Aufgaben.

Die Führungskräfte (Betriebsleiter) sind zuständig für die Ermittlung der für das Unternehmen zutreffenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Sie werden dabei durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit (Abt. Arbeitssicherheit) unterstützt.

Sie erfassen neu erlassene oder geänderte staatliche und autonome Rechtsvorschriften und prüfen sie auf ihre Relevanz für das Unternehmen.

Alle Führungskräfte (Betriebsleiter) sind zuständig für die Umsetzung und Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben.

Verfahren/Vorgehensweisen

Die Führungskräfte oder Sicherheitsverantwortlichen ermitteln zunächst grundlegend und anschließend regelmäßig, welche Verpflichtungen für ihren Zuständigkeitsbereich neu erlassen oder geändert worden sind. Dazu werden den Führungskräften die notwendigen Informationsquellen, wie z.B. das Gemeinsame Ministerialblatt (GMBl), das Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), weitere Handlungshilfen, Fachzeitschriften oder Onlineangebote, zur Verfügung gestellt.

Diese rechtlichen Verpflichtungen vermitteln die Führungskräfte dann der Fachkraft für Arbeitssicherheit (Abt. Arbeitssicherheit). Diese registriert die Verpflichtungen in einem Verzeichnis und informiert die Führungskräfte darüber, wo sie es aufbewahrt und wie andere darauf zugreifen können.

Die jeweils anzuwendenden Verpflichtungen sind von der Fachkraft für Arbeitssicherheit (Abt. Arbeitssicherheit) zu beschaffen und aufzubewahren. Bei Bedarf übergibt sie die Verpflichtungen den Führungskräften für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Idealerweise weist sie auch darauf hin, wie die Verpflichtung praktisch umgesetzt werden könnte.

Dokumentation

Zur Unterstützung bei der Ermittlung der neu erschienenen oder geänderten rechtlichen Verpflichtungen steht den Führungskräften das „Verzeichnis der Informationsquellen“ zur Verfügung. Die anzuwendenden Verpflichtungen werden im „Verzeichnis rechtlicher Verpflichtungen“ dokumentiert.

Autor*innen: Marcus Hussing, Christine Lendt

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