Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe: Alles Wichtige auf einen Blick
Von ganz besonderer Bedeutung für die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe: Stoffe stehen nie für sich allein, sondern ihre gefährlichen Eigenschaften müssen Sie immer in Verbindung mit einer Gefahrstoff-Tätigkeit betrachten. Wie Sie bei der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe vorgehen können, woher Sie Ihre Informationen nehmen, welche Fachkunde Sie dafür brauchen und mehr, kurz: Alles Wichtige zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung lesen Sie in diesem Beitrag.

Die Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe: Alle Gefährdungen, die mit Gefahrstoff-Tätigkeiten in Verbindung stehen, müssen Sie analysieren und bewerten. Sogar, wenn Sie keine Mitarbeiter beschäftigen, gleichzeitig aber selbst mit Gefahrstoffen hantieren, müssen Sie die Gefährdungsbeuteilung für Gefahrstoffe erstellen.
Denn nur so können Sie die Maßnahmen zum Schutz Dritter festlegen, die die Gefahrstoffverordnung fordert. Darüber hinaus empfiehlt die TRGS 400 solchen „Einzelunternehmern“, entsprechende Maßnahmen auch für die persönliche Sicherheit und zum Schutz der eigenen Gesundheit zu treffen.
Hinweis TRGS 400
Diese Technische Regel für Gefahrstoffe beschreibt Vorgehensweisen zur Informationsermittlung und zur Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).
Wie erstellen Sie die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe?
Informationen sammeln
Am Anfang der Gefährdungsbeurteilung steht die Datensammelwut. Sichten sie alles, was Ihnen Aufschluss über die Eigenschaften der verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse geben könnte.
Von ganz besonderer Bedeutung dabei: Stoffe stehen nie für sich allein, sondern ihre gefährlichen Eigenschaften müssen Sie immer in Verbindung mit den ausgeführten Tätigkeiten und Arbeitsverfahren sehen.
Stoffeigenschaften und Tätigkeit bedingen zusammen die Höhe und Art der Exposition und damit das Ausmaß der Gefährdung.
Mögliche Informationsquellen:
- Kennzeichnung auf der Verpackung oder auf dem Behältnis
- Sicherheitsdatenblatt
- Mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers bzw. Inverkehrbringers
- Technische Regeln für Gefahrstoffe – TRGS
- DGUV-Regeln und –Informationen
- Loseblattsammlungen
- Internet, wie z.B. GESTIS-Stoffdatenbank des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Gefährdungen beurteilen
Sie müssen für die mit den Tätigkeiten verbundenen Gefährdungen selbst vollständig ermitteln und beurteilen, ob
- Tätigkeiten mit geringer Gefährdung,
- dermale Gefährdungen (Gefährdungen durch Hautkontakt mit Gefahrstoffen),
- inhalative Gefährdungen (Gefährdungen durch Einatmen von Gefahrstoffen),
- physikalisch-chemische und sonstige durch Gefahrstoffe bedingte Gefährdungen
vorliegen.
Geringe Gefährdung
Von einer geringen Gefährdung können Sie ausgehen, wenn die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach § 8 GefStoffV ausreichen aufgrund:
- der dem Gefahrstoff zugeordneten Gefährlichkeitsmerkmale
- der Verwendung nur geringer Stoffmengen
- einer nach Höhe und Dauer niedrigen Exposition und
- der Arbeitsbedingungen.
In der TRGS 400 finden Sie verschiedene Beispiele für „Tätigkeiten mit geringer Gefährdung”. Sie beschränken sich vor allem auf Gefahrstoffe, die für den privaten Endverbraucher im Einzelhandel erhältlich sind („Haushaltsprodukte”) und die am Arbeitsplatz unter für Haushalte üblichen Bedingungen (geringe Menge und kurze Expositionsdauer) verwendet werden.
Erleichterungen bei geringer Gefährdung
Sie kommen zum Schluss, das nur eine „geringe Gefährdung” vorliegt? Glück gehabt. Dann können Sie auf die folgenden Maßnahmen verzichten.
- Führen eines Gefahrstoffverzeichnisses
- Betriebsanweisung und Unterweisung
- detaillierte Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
Dermale Gefährdung (Hautkontakt)
Bei Feuchtarbeit oder Tätigkeiten mit hautgefährdenden, -resorptiven oder -sensibilisierenden Gefahrstoffen können Sie von einer dermalen Gefährdung ausgehen. In Ihrer Gefährdungsbeurteilung müssen Sie nun z.B. die Stoffeigenschaften berücksichtigen und Art, Ausmaß und Dauer des Hautkontakts in Betracht ziehen.
Eine in Anlage 4 der TRGS 401 enthaltene Matrix hilt Ihnen, die Gefährdungen hier in die Kategorien „gering”, „mittel” und „hoch” einzuteilen.
Inhalative Gefährdung (Einatmen)
Wie bei der dermalen Gefährdung achten Sie auch bei der Gefährdung durch Einatmen besonders auf Gefahrstoffe, die zu einer Sensibilisierung der Atemwege führen können. Diese Stoffe sind mit H 334 „Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen“ gekennzeichnet.
Physikalisch-chemische und sonstige Gefährdungen
Hierunter fallen insbesondere Brand- und Explosionsgefahren.
Diese entstehen z.B. durch folgende Stoffe/Verfahren:
- explosionsgefährliche oder explosionsfähige Stoffe
- brennbare Gase, Feststoffe und Flüssigkeiten (insbesonders die hochentzündlichen, leicht entzündlichen und entzündlichen Stoffe)
- selbstentzündliche und chemisch oder thermisch instabile Stoffe
- Stoffe mit brandfördernden Eigenschaften
- aufgewirbelte brennbare Stäube (Staubexplosionen!)
Ausführliche Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung bei möglichem Vorliegen explosionsgefährlicher Atmosphäre geben Ihnen die Technischen Regeln TRGS 720, 721, 722, 725 und 727.
Substitutionsprüfung
Haben Sie die Gefährdungen ermittelt, folgt an allererster Stelle – noch vor den Überlegungen zu möglichen Schutzmaßnahmen – die Frage, ob Gefahrstoffe durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse ersetzt werden können, die für die Beschäftigten ein geringeres gesundheitliches Risiko darstellen (sogenannte Substitutionsprüfung).
Auch das Herstellungs- oder Verwendungsverfahren sollten Sie überdenken. Ist es zumutbar und nach dem Stand der Technik möglich, dieses zu ändern und so die Gefährdungen zu minimieren?
Als Faustregel gilt: Je größer das Gefährdungspotenzial, desto deutlicher die Forderung nach Substitution.
Tipp
Hier sei noch einmal ausdrücklich auf die Technischen Regeln zu Ersatzstoffen (TRGS 600 ff.) hingewiesen. Die hier beschriebenen Ersatzstoffe sind hinreichend geprüft und haben sich in der Praxis bewährt. In der TRGS 600 „Substitution” wird ausführlich dargestellt, wie Sie bei der Substitutionsprüfung und bei der eigentlichen Substitution vorgehen.
Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Gefahrstoffen festlegen
Die möglichen Schutzmaßnahmen in Ihrer Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe gliedern sich wie folgt.
- Grundpflichten (§7 GefStoffV)
Diese sind unabhängig vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung immer anzuwenden. - Allgemeine Schutzmaßnahmen (§ 8 GefStoffV)
Maßnahmen, die bei geringem Risiko zu ergreifen sind und z.B. zur Beherrschung einer geringen Gefährdung ausreichen können. - Zusätzliche Schutzmaßnahmen (§ 9 GefStoffV)
Maßnahmen, die festzulegen sind, wenn die Maßnahmen nach § 8 aufgrund einer höheren Gefährdung nicht ausreichen. - Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit KMR-Stoffen (§ 10 GefStoffV)
Maßnahmen, die für Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B festzulegen sind.
In Ihrer Gefährdungsbeurteilung legen Sie außerdem Methoden und Fristen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen fest. Wenn Sie dann die Schutzmaßnahme umsetzen, prüfen Sie sofort, ob sie wirksam war – warten Sie damit nicht bis zur Aktualisierung Ihrer Gefährdungsbeurteilung. Das Ergebnis dieser Prüfung müssen Sie dokumentieren.
Insbesondere zu beachten bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe
Laut § 6 GefStoffV hat der Arbeitgeber auf folgende Punkte bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung zu achten:
- „gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Zubereitungen, einschließlich ihrer physikalisch-chemischen Wirkungen,
- Informationen des Herstellers oder Inverkehrbringers zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt,
- Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege; dabei sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen nach § 7 Absatz 8 zu berücksichtigen,
- Möglichkeiten einer Substitution,
- Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge,
- Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte,
- Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
- Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.“
Welches Fachwissen brauchen Sie für die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe?
Wer mit Gefahrstoffen umgeht oder für deren Einsatz Verantwortung trägt, muss viel wissen und können. § 2 Abs. 16 Gefahrstoffverordnung listet die dafür nötigen Anforderungen auf:
(…) eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen.
Deshalb dürfen nach § 6 Abs. 11 und § 19 Abs. 4 Gefahrstoffverordnung nur fachkundige Personen die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe durchführen.
Darüber hinaus ist Fachkunde erforderlich dafür
- Sicherheitsdatenblätter zu erstellen (Anhang II der REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und § 18 Abs. 4 GefStoffV),
- Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen zu messen ( 7 Abs. 10 GefStoffV).
Nähere Einzelheiten zu den erforderlichen Kenntnissen finden Sie wieder in der TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“, insbesondere in Abschnitt 4.1.
Neuer DGUV Grundsatz zur Fachkunde für die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe
Wie können Sie sich als Mitarbeiter nun die notwendige Fachkunde aneignen? Dazu hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) im November 2018 den DGUV Grundsatz 313-003 („Grundanforderungen an spezifische Fortbildungsmaßnahmen als Bestandteil der Fachkunde zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“) veröffentlicht.
Dieser Grundsatz beschreibt die Anforderungen, denen eine Fortbildung genügen muss, damit die Teilnehmer dann Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen fachkundig beurteilen können. Dabei können Interessierte, abhängig von der Komplexität der Aufgaben und der verwendeten Hilfsmittel, eine Fortbildung mit einem geringeren Umfang gegenüber dem Standardumfang (48 Lehreinheiten) abschließen.
„Gefahrstoffbeauftragte“ gibt es rechtlich gesehen gar nicht
In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage nach der Qualifikation zum „Gefahrstoffbeauftragten“ laut, die von verschiedenen Lehrgangsträgern angeboten wird. Hierzu ist zu bemerken: Den Begriff „Gefahrstoffbeauftragter“ gibt es im Deutschen Arbeitsschutzrecht gar nicht.
Die Unfallversicherungsträger kennen lediglich den Begriff des Sicherheitsbeauftragten. Dessen Aufgaben finden sich in folgenden Regelwerken wieder:
- § 22 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)
- § 20 der DGUV Vorschrift 1
- Abschnitt 4.2 der DGUV Regel 100-001
Die Aufgaben der Sicherheitsbeauftragten beschränken sich jedoch nicht auf den Bereich der Gefahrstoffe. Sicherheitsbeauftragte unterstützen Fachkräfte für Arbeitssicherheit in allen Fragen des Arbeitsschutzes.
Unabhängig davon kann jeder Betrieb natürlich seinen Funktionsträgern beliebige Bezeichnungen zuordnen, zum Beispiel diejenigen, die im Bereich der Gefahrstoffe Aufgaben wahrnehmen, als „Gefahrstoffbeauftragte“ bezeichnen. Das macht diese Bezeichnung jedoch noch lang nicht „offiziell“ im Sinne irgendwelcher gesetzlicher Regelungen.