07.06.2021

EU gibt klar vor: Software soll für alle nutzbar sein

Wurde früher unter Barrierefreiheit oft nur die Rampe für Rollstuhlfahrer verstanden, ist das Konzept inzwischen längst erweitert und wird u.a. auch auf Software bezogen und angewendet. Einen starken Impuls, der die Entwicklung, das Angebot und den Einsatz barrierefreier Software enorm beschleunigen dürfte, setzt die europäische Richtlinie European Accessibility Act (EAA). Nutzen Sie deshalb jetzt diesen Rückenwind aus Europa, um Ihre Anregungen aus Sicht des Arbeitsschutzes aktiv in den Beschaffungsprozess barrierefreier Software einzubringen.

Gehörlose Frau bedient ein Smartphone: Nutzen Sie den Rückenwind, den Europa mit dem European Accessibility Act generiert, um das Thema barrierefreie Software voranzubringen.

Die Richtlinie European Accessibility Act (EAA), die bis Juni 2022 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 28.07.2025 angewendet werden soll, verpflichtet die Mitgliedsstaaten u.a. dazu, den gesamten Onlinehandel für Verbraucher barrierefrei zu gestalten. Auch Hardwareprodukte und Betriebssysteme sollen für Verbraucher barrierefrei eingerichtet sein.

Barrierefreie Software strebt eine generelle Barrierefreiheit an. Software soll für alle nutzbar sein. Oder anders gesagt: Das Softwaredesign soll dafür sorgen, dass möglichst wenige Personen besondere Funktionen oder Hilfsmittel nutzen müssen.

Schon jetzt ist klar: Die kommende Umsetzung des European Accessibility Act in nationales Recht wird die Beschaffungspraxis von Software generell verändern und damit auch das Angebot von betrieblich genutzter barrierefreier Software auf dem Markt vergrößern.

Was „Barrierefreiheit“ ganz konkret bedeutet

Barrierefreie Software stellt Entwickler teils vor recht anspruchsvolle Aufgaben. Da es keine spezielle Softwareoberflächengestaltung gibt, die für alle Beschäftigten passt, sind vielfältige Einstellungsoptionen wichtig.

Barrierefreie Software muss vor allem folgenden Anforderungen gerecht werden und diese im Interesse der Nutzer bestmöglich erfüllen:

  • visuelle Unterstützung bieten
  • bei akustischer Beeinträchtigung unterstützen
  • kognitive Einschränkungen neutralisieren
  • körperliche Einschränkungen ausgleichen

Visuelle Unterstützung bieten

Im Einzelnen sind es vor allem eingeschränkte Sehschärfe, eingeschränkte Lichtempfindlichkeit und eingeschränkte Farbwahrnehmung (z.B. Rot-Grün-Farbfehlsichtigkeit), die softwareseitig durch Vergrößerung von Zeichen, Einstellungsmöglichkeiten für Helligkeit, Kontraste, Farben, Negativdarstellungen ausgeglichen werden müssen.

Unterstützung bei akustischer Beeinträchtigung leisten

Für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen muss Software Informationen nicht nur akustisch, sondern auch optisch übermitteln (z.B. anzeigen, dass jemand anruft oder dass bei der Nutzung der Software ein Fehler passiert ist). Bei Videos oder akustischen Erläuterungen von optischen Darstellungen per Audiodeskription müssen Texte als Untertitel angeboten werden.

Kognitive Einschränkungen neutralisieren

Bei kognitiven Einschränkungen, z.B. durch niedrigen Bildungsstand, fremde Muttersprache oder geringe Qualifikation, sind eine übersichtliche Navigation und konsistente Gestaltung besonders wichtig. Einfache Aufbereitung und das Vermeiden von Ablenkungen unterstützen die Aufnahme der Informationen. Deshalb sollten Animationen vermieden werden oder abschaltbar sein. Schriften sollten leicht lesbar und Texte mit aussagekräftigen Zwischenüberschriften versehen sein.

Hilfreich sind Hörangebote. Hier sollte das Mitlesen des Textes optisch durch Hervorhebung gefördert werden (etwa wie bei Karaoke).

Bei kognitiven Einschränkungen ist vor allem die einfache bis leichte Sprache wichtig. Einfache Sätze, kaum Fremdwörter und die Erläuterung von Fachbegriffen sind für die Zielgruppe hilfreich.

Leichte Sprache richtet sich an Beschäftigte mit Lernbehinderungen. Texte bewegen sich auf dem Niveau der Grundschule. Entsprechend ist die Grammatik vereinfacht und die Inhalte sind auf das Wesentliche reduziert.

Körperliche Einschränkungen ausgleichen

Nutzung von Software ist stets interaktiv und erfordert, Optionen auszuwählen. Je nach körperlicher Behinderung sind die Maus, die Tastatur und der Touchscreen so anzupassen, dass sie bedienbar sind. Dabei ist zu beachten, dass der Aktionsradius, die Zielgenauigkeit, mit der der Mausanzeiger gesteuert wird, aber auch die Stetigkeit und die Schnelligkeit eingeschränkt sein können.

Wichtig bei der Gestaltung und Nutzung von Barrierefreiheit ist nicht zuletzt, dass die Nutzer bei Problemen stets und möglichst automatisiert und unmittelbar kontextbezogen eine Hilfestellung erhalten.

Tipp

Wie Sie dafür sorgen, dass schon auf Betriebssystemebene die Barrierefreiheit von Software stark unterstützt wird und wie Sie ein Nutzungskonzept entwickeln, das die konkreten Anforderungen an eine Software definiert, können Sie jetzt im aktuellen Heft von „Arbeitsschutz-Profi AKTUELL“ nachlesen. Fordern Sie diese Ausgabe einfach hier als kostenloses Probeheft an.

Autor*in: Markus Horn