24.10.2022

Arbeitsverdichtung: Wie Sie sie erkennen und abmildern

Gerade die Digitalisierung bringt für die Beschäftigten die Gefahr einer Überlastung durch Arbeitsverdichtung: Das Arbeitsvolumen pro Zeiteinheit steigt, weil die digitalisierten Prozesse schneller und standardisierter ablaufen als früher. Gleichzeitig wird aus Gründen der Effizienz versucht, mit so wenig Beschäftigten wie möglich auszukommen. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist oft überfordert, weil immer mehr Angestellte im Homeoffice und beim mobilen Arbeiten „unsichtbar“ werden. Abhilfe schaffen Ansätze, die das Problem der Arbeitsverdichtung als umfassende Managementaufgabe sehen.

Arbeitsverdichtung ist so weit fortgeschritten, dass Mitarbeiter untergeht.

Arbeitsverdichtung war immer schon ein Themenfeld für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. So tritt dieses Phänomen beispielsweise auf, wenn neue Aufträge mit kurzen Lieferfristen abgearbeitet oder unvorhergesehene Ereignisse (z.B. Ausfall einer Maschine) kompensiert werden müssen.

Gründe: Digitalisierung und Fachkräftemangel

Mit der immer umfassenderen Einführung digitaler Technologien werden die Prozesse grundsätzlich schneller und standardisierter durchgeführt, was zu einer strukturellen Arbeitsverdichtung führen kann. Die Überlastung der Beschäftigten ist dann nicht nur variabel oder temporär, sondern dauerhaft angelegt.

Neben der Digitalisierung sind in diesem Zusammenhang der Fachkräftemangel (kleiner werdende Belegschaften bei gleichbleibendem oder steigendem Arbeitsvolumen) sowie das ansteigende Durchschnittsalter (geringere Belastbarkeit und zunehmende Vulnerabilität der Beschäftigten) zu beachten.

Formen der Arbeitsverdichtung

Arbeitsverdichtung kann sich in einem steigenden Arbeitsvolumen bzw. einer größeren Arbeitsmenge, also einem „Mehr an Gleichem“ ausdrücken. Ebenso kann sie entstehen durch gestiegene Leistungserwartungen, komplexere Arbeitsbedingungen und die Notwendigkeit, parallele Prozesse zu koordinieren (Multitasking). In vielen Fällen versuchen Betriebe zudem, Effizienzgewinne durch eine Reduzierung des Personals zu realisieren, was für die einzelnen Beschäftigten zu gesundheitlichen Risiken führen kann.

Arbeitsverdichtung erkennen

Da Arbeitsverdichtung in unterschiedlichen Formen auftritt, ist es nicht immer einfach, sie zu erkennen. Häufig wird von einer „neuen Unsichtbarkeit“ der Beschäftigten und ihrer Tätigkeiten gesprochen, da vieles im Homeoffice oder mobil stattfindet und die Prozesse digital ablaufen. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, der Zunahme an Aufgaben – und damit an Stress – auf die Spur zu kommen:

  • Einen ersten Hinweis können die Überstundenstatistiken aufgeschlüsselt nach Unternehmensbereichen geben. Dort, wo die meisten Überstunden vorliegen bzw. diese in den letzten Jahren am stärksten gestiegen sind, ist die Arbeitsverdichtung vermutlich am größten.
  • Eine ähnliche Kennzahl bilden Arbeitsbereiche, in denen Pausen erkennbar nicht oder nicht im vorgeschriebenen Umfang genommen werden.
  • Eine weitere einschlägige Zahl sind die AU-Meldungen pro Unternehmensbereich: Wo diese stark ansteigen, liegt möglicherweise Arbeitsverdichtung vor.
  • Steigende Anforderungen an die Erreichbarkeit der Beschäftigten (z.B. im Vertrieb) führen oft zu Arbeitsverdichtung.
  • Fehler und Arbeitsmängel können ebenfalls auf eine Arbeitsverdichtung hinweisen.

Arbeitsverdichtung verringern

Im Prinzip ist es nicht „die Digitalisierung“, die zu einer ungesunden Arbeitsverdichtung führt. Die Gründe liegen vielmehr in Planungsfehlern und Führungsschwächen, wie etwa:

  • unzureichende Personalbemessung bzw. unterbliebene Aufstockung der Belegschaft
  • Führungsmängel (z.B. widersprüchliche Arbeitsaufträge und Verantwortlichkeiten)
  • Zusatzaufgaben, die durch ungenügende Planung nicht berücksichtigt werden

Diese Mängel bilden gleichzeitig Ansätze dafür, wie sich die Gesundheit der Beschäftigten schützen lässt:

  • genauere Arbeitsplanung mit Personalpuffer (z.B. durch Aushilfen, die bei Arbeitsspitzen hinzugezogen werden)
  • Aufstockung der Belegschaft, um gestiegene Arbeitsmengen auf mehr Personen verteilen zu können
  • Beseitigung von Führungsmängeln, genaue Planung der Prozesse unter Einbeziehung aller Arbeitsaufgaben
  • Qualifizierung der Beschäftigten, um Überforderungen zu vermindern
  • Förderung von Kollegialität und sozialer Unterstützung

So kommen Sie weiter

Autor*in: Markus Horn