05.07.2016

Anforderungen an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen

Verkehrsteilnehmer sind nur bei konkretem Anlass zur Nachschau verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016, Az. 3 C 10.15).

Sperrung Straße Anlieger

Der Kläger wendet sich gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung eines Kraftfahrzeugs. Er hatte dieses Fahrzeug in einem Straßenabschnitt geparkt, wo wegen eines am nächsten Tag stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Haltverbot (Zeichen 283) ausgeschildert war. Die Behörde veranlasste die Umsetzung dieses Fahrzeugs durch ein Abschleppunternehmen und nahm den Kläger auf Zahlung einer Umsetzungsgebühr in Höhe von 125 Euro in Anspruch. Hiergegen wandte der Kläger u.a. ein, dass die Verkehrszeichen nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen seien. Daher seien die Halteverbote nicht wirksam bekannt gemacht worden.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dagegen die Anforderungen an den Sichtbarkeitsgrundsatz weiter präzisiert.

Entscheidungsgründe

  • Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, wenn sie so aufgestellt sind, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und bei ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde. Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nur verpflichtet, wenn hierfür ein Anlass besteht.
  • Bei den Anforderungen, die nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz im ruhenden Verkehr an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen und an die dabei von den Verkehrsteilnehmern zu beachtende Sorgfalt zu stellen sind, ist danach zu unterscheiden, ob sie den ruhenden oder den fließenden Verkehr betreffen.
  • Das OVG ging von einer anlasslosen Nachschaupflicht aus und nahm an, dass das Haltverbot für den Kläger erkennbar gewesen wäre, wenn er dieser Nachschaupflicht genügt hätte. Es hat offengelassen, in welcher Höhe und welcher Ausrichtung das Halteverbotszeichen angebracht war.
  • Das BVerwG hält dagegen tatsächliche Feststellungen zur Aufstellung und Sichtbarkeit der Haltverbotszeichen für notwendig.

Das BVerwG hat das Berufungsurteil des OVG aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das OVG zurückverwiesen. Die Anwendung des sogenannten Sichtbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht stehe mit den dargelegten Anforderungen nicht in vollem Umfang im Einklang. Daher seien ergänzende tatsächliche Feststellungen zur Aufstellung und Sichtbarkeit der Halteverbotszeichen notwendig.

 

Hinweis Vorinstanzen

VG Berlin, Urteil vom 25.11.2011, Az. 33 K 347.11;

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.05.2015, Az. 1 B 33.14.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)