02.11.2015

Werbung mit Webcams: Personen dürfen nicht erkennbar sein

Der Eigentümer einer Ferienwohnanlage installiert Webcams. Die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde stört sich daran, dass auf den Aufnahmen Personen zu identifizieren sind. Sie trifft dagegen Anordnungen. Zugleich legt sie fest, dass diese Anordnungen „sofort vollziehbar“ sind. Der Eigentümer schaltet die Kameras ab. Zugleich erhebt er Klage beim Verwaltungsgericht. Dort möchte er festgestellt haben, dass die Anordnungen der Datenschutzaufsicht rechtswidrig waren. In seiner Entscheidung geht das Verwaltungsgericht Schwerin sorgfältig darauf ein, was beim Betrieb von Webcams zu beachten ist.

Aufsichtsbehörden können den Betrieb von Webcams untersagen

Der Eigentümer einer Wohnanlage mit sieben Ferienwohnungen wollte die Wohnanlage und ihre Umgebung im Internet mittels einer Webcam präsentieren. Dabei schoss er allerdings über das Ziel hinaus: Die Aufnahmen waren nämlich so scharf, dass darauf einzelne Personen zu erkennen waren.

Reaktion der Datenschutzaufsicht: Untersagungsverfügung mit sofortiger Vollziehung

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg- Vorpommern wollte das als zuständige Aufsichtsbehörde nicht hinnehmen. Er erließ am 8. April 2015 gegen den Eigentümer einen Bescheid. Darin ordnete er an, die beiden Webcams müssten so eingestellt werden,

  • „dass im vorderen Bereich der Webcams der Fahrradweg und die Strand-Promenade nicht mehr beobachtet und nicht von der Videoüberwachung erfasst werden und
  • dass im hinteren Bereich der Webcams am Strand und im Bootshafen/Marina … keine Personen erkennbar und zu identifizieren sind.“

Um zu unterstreichen, wie wichtig und dringlich diese Maßnahmen sind, verfügte der Landesbeauftragte die „sofortige Vollziehung“ der beiden Anordnungen.

Aufschiebende Wirkung und Sofortvollzug – ein kompliziertes Geflecht

Gegen diese Anordnung der sofortigen Vollziehung wendet sich die Klage des Eigentümers. Um zu verstehen, was er damit erreichen will, sollte man Folgendes wissen:

  • Wenn eine Behörde eine Verfügung erlässt (hier: eine andere Einstellung der beiden Kameras), dann muss diese Verfügung normalerweise sofort beachtet und umgesetzt werden.
  • Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Adressat der Verfügung dagegen Klage zum Verwaltungsgericht erhebt. Diese Klage hat dann „aufschiebende Wirkung“. Anders ausgedrückt: Die Verfügung muss zunächst einmal nicht beachtet und umgesetzt werden. Erst wenn das Gericht durch eine Entscheidung bestätigt hat, dass die Verfügung rechtmäßig ist, hört die aufschiebende Wirkung der Klage auf und die Verfügung ist endgültig bindend. Das ist so in der Verwaltungsgerichtsordnung festgelegt.
  • Falls die Behörde der Auffassung ist, dass dieses Verfahren zu langwierig ist, kann sie die „sofortige Vollziehung“ ihrer Verfügung festlegen. Geschieht dies, hat eine Klage gegen die Verfügung gerade nicht die beschriebene aufschiebende Wirkung. Der Bürger muss die Verfügung dann trotz seiner Klage sofort beachten und umsetzen.
  • Gegen eine solche „Anordnung des Sofortvollzugs“ kann der betroffene Bürger jedoch ebenfalls gerichtlich vorgehen. Hat er damit Erfolg, stellt das Gericht die aufschiebende Wirkung wieder her. Anders ausgedrückt: Das Gericht legt fest, dass eine sofortige Vollziehung nicht notwendig ist und dass abgewartet werden kann, wie der Streit in der Sache ausgeht. So lange muss der Bürger die Verfügung der Behörde dann nicht beachten.

Bestätigung des Sofortvollzugs durch das Gericht

Im vorliegenden Fall war das Gericht der Auffassung, dass die Anordnung des Sofortvollzugs völlig berechtigt war. Das ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der betroffenen Interessen. Dabei gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass „das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides vom 8. April 2015 das Interesse des Antragstellers überwiegt, vom Vollzug einstweilen verschont zu bleiben.“

Anordnungen der Datenschutzaufsicht sind bei Verstößen möglich

Zunächst musste das Gericht klären, ob es im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eine Rechtsgrundlage gibt, die eine Aufsichtsbehörde für den Datenschutz dazu berechtigt, Anordnungen im Hinblick auf die Einstellungen von Webcams zu treffen. Das ist der Fall. Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG kann eine Aufsichtsbehörde nämlich „Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten“ anordnen.

Verarbeitung personenbezogener Daten als nicht automatisierte Datei

Diese Vorschrift ist unter anderem dann anwendbar, wenn personenbezogene Daten in nicht automatisierten Dateien erhoben oder genutzt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 BDSG). Das ist hier der Fall:

  • Die Aufnahmen der Webcams enthalten personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG). Aufnahmen sind dann einer Person zuzuordnen, wenn diese Person bestimmt ist oder zumindest bestimmbar. Die Bestimmbarkeit ist zu bejahen, wenn das Gesicht einer Person auf den Aufnahmen zu erkennen ist. Denkbar sind jedoch auch andere Fälle. So können die Körperhaltung, die Kleidung oder mitgeführte Gegenstände eine Person auch dann eindeutig identifizieren, wenn das Gesicht nicht zu erkennen ist. Im gerichtlichen Verfahren wurden Aufzeichnungen der beiden Webcams vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die erfassten Personen auf der Basis dieser Kriterien jedenfalls bestimmbar waren. Es handelte sich nicht um bloße Panorama-Aufnahmen, die lediglich die Landschaft und das aktuelle Wetter zeigen. Die bewusst niedrige Auflösung der Bilder und das Fehlen einer Zoom-Funktion ändern daran nichts.
  • Die Aufnahmen werden in nicht automatisierten Dateien (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG) verarbeitet. Eine nicht automatisierte Datei ist jede nicht automatisierte Sammlung personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut ist und die nach bestimmten Merkmalen zugänglich ist und ausgewertet werden kann. Nicht jede Bildaufzeichnung erfüllt diese Kriterien. Werden einer Bildaufzeichnung jedoch so wie hier weitere Informationen (Uhrzeit, Datum und Standort) beigefügt, ist davon auszugehen, dass die Bildaufzeichnung nach bestimmten Merkmalen zugänglich ist. Es kann nämlich beispielsweise danach gesucht werden, wer an einem bestimmten Datum und zu einer bestimmten Uhrzeit zu sehen war.

Erhebung und Nutzung der Daten

Der Betreiber der Webcams erhebt und nutzt diese Daten. Gemäß § 3 Abs.3 BDSG legt ein Erheben dann vor, wenn Daten über einen Betroffenen beschafft werden. Das geschieht hier durch die laufenden Aufzeichnungen mit den Webcams. Außerdem liegt eine Nutzung (§ 3 Abs. 5 BDSG) der Daten vor, weil sie ins Internet gestellt werden.

Vorgaben für die Videoüberwachung öffentlicher Räume

Somit muss der Eigentümer als Betreiber der Webcams die Vorgaben des BDSG beachten. Geschieht dies nicht, ist eine Anordnung der Datenschutzaufsicht gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG gerechtfertigt.

Die Erhebung und Nutzung der Aufnahmen steht im Widerspruch zu den Vorgaben des BDSG. Eine Einwilligung des Betroffenen liegt nicht vor. Damit wäre es erforderlich, dass eine Regelung des Datenschutzrechts die Erhebung und Nutzung rechtfertigt. In Betracht käme hier allenfalls § 6b BDSG (Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume durch Videoüberwachung).

Vorliegen einer „Beobachtung“

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet. Durch die Webcams erfolgt eine Beobachtung „öffentlich zugänglicher Räume“. Dieses Kriterium ist schon dann erfüllt, wenn die Beobachtung von Personen eine unvermeidliche Nebenfolge darstellt. Eine gezielte Überwachung von Personen ist dagegen nicht erforderlich. Es genügt, wenn ihre Beobachtung in Kauf genommen wird, mag auch hauptsächlich ein anderer Zweck verfolgt werden (etwa die touristische Präsentation eines Gebiets).

Im konkreten Fall ist außerdem zu bedenken, dass Außenstehende, die die Bilder im Internet verfolgen, die Aufzeichnungen abspeichern können. Das erweitert die Auswertungsmöglichkeiten der Aufnahmen beträchtlich. Es besteht daher kein Zweifel, dass eine Beobachtung von Personen erfolgt, die sich bestimmen und damit identifizieren lassen.

Abwägung der Interessen der Beteiligten

Die Überwachung könnte hier allenfalls mit der Wahrnehmung „sonstiger berechtigter Interessen“ begründet werden (siehe dazu § 6b Abs.1 Nr. 3 BDSG). Im Ergebnis ist dies jedoch abzulehnen. Der Eigentümer der Wohnanlage möchte potenzielle Urlaubsgäste über die aktuelle Situation im Umfeld der Ferienwohnungen informieren. In der Fachwelt spricht man insoweit von „eigenwerbenden Panorama-Aufnahmen der Umgebung der Ferienwohnanlage“. Darin liegt kein berechtigtes Interesse. Um diesen Zweck zu erreichen, wäre es nämlich nicht notwendig, Personen zu beobachten. Die Einstellung der Kameras ließe sich auch so ausgestalten, dass es ausgeschlossen ist, auf den Aufnahmen Personen zu erkennen.

Unabhängig davon würden in jedem Fall schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen bestehen, die das Werbeinteresse des Eigentümers überwiegen. In den Aufzeichnungen ist insbesondere zu erkennen, wann sich ein Betroffener allein oder in welcher Begleitung in bestimmten öffentlich zugänglichen Bereichen aufgehalten hat. Da die Aufnahmen im Internet für jedermann zugänglich sind, können beliebige Personen die Aufnahmen speichern, auswerten und weiterverarbeiten. Die Betroffenen erfahren hiervon nichts. Dem steht gegenüber, dass der Eigentümer durch entsprechende Einstellungen der Webcams ohne Weiteres dafür sorgen könnte, dass sich auf den Aufnahmen keine Personen identifizieren lassen.

Ergebnis: Verstoß gegen den Datenschutz

Im Ergebnis rechtfertigt § 6b BDSG die Aufnahmen daher eindeutig nicht. Der Eigentümer verstößt deshalb gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben, wenn er Bereiche des öffentlichen Raums mithilfe der Webcams beobachtet. Die Datenschutzaufsicht ist berechtigt, dagegen durch entsprechende Anordnungen vorzugehen.

Anordnung des sofortigen Vollzugs durch die Datenschutzaufsicht gerechtfertigt

Ein Anlass, die aufschiebende Wirkung der Klage des Eigentümers gegen diese Anordnungen wiederherzustellen, besteht angesichts der eindeutigen rechtlichen Situation nicht. Der Eigentümer muss diese Anordnungen also schon jetzt beachten und nicht erst dann, wenn das Gericht über seine Klage entschieden und sie (wahrscheinlich) abgewiesen hat.

Der Fall zeigt, dass eine Datenschutzaufsichtsbehörde – wie jede Behörde – erhebliche Möglichkeiten hat, um ein bestimmtes Verhalten mehr oder weniger sofort zu erzwingen. Eigentlich ist es für den Eigentümer nun nicht mehr sinnvoll, seine Klage weiter zu verfolgen. Das Gericht hat alle wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte gewürdigt, auch wenn es „nur“ um die Frage ging, ob die Klage des Eigentümers aufschiebende Wirkung haben soll oder nicht.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 18.6.2015-6 B 1637/15 SN ist abrufbar unter http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml;jsessionid=0.jp35?showdoccase=1&doc.id=MWRE150002003&st=ent

Autor*in: Dr. Eugen Ehmann (Dr. Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und ist seit Jahren im Datenschutz aktiv.)