20.06.2016

Schriftformerfordernis genau beachten

Schriftformerfordernisse bestehen in vielen Gesetzen. Damit sollte es jeder Beschäftigte genau nehmen. Jüngst musste eine Rechtsanwaltsgehilfin bitter erfahren, dass sie mit einer per Fax abgesetzten Erklärung zur Inanspruchnahme der Elternzeit nicht den Anforderungen der Schriftform nach dem BEEG entsprach. Ihr Arbeitgeber – ein Rechtsanwalt – kündigte daraufhin rechtswirksam das Arbeitsverhältnis. Das BAG gab ihm recht (BAG, Urteil vom 10.05.2016 – 9 AZR 145/15).

Umschlagverfahren

Wer Elternzeit für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes beanspruchen will, muss sie nach § 16 Abs. 1 BEEG spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Bei der Inanspruchnahme handelt es sich um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit – vorbehaltlich der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung – zum Ruhen gebracht wird. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht.

Schriftformerfordernis genau geregelt

Das Elternzeitverlangen erfordert die strenge Schriftform i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB. Es muss deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahrt die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftform nicht und führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Erklärung. Allerdings kann sich ein Arbeitgeber aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls treuwidrig verhalten, indem er sich darauf beruft, das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei nicht gewahrt (§ 242 BGB).

Was war geschehen?

Eine Rechtsanwaltsfachangestellte war bei einem Rechtsanwalt beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.11.2013. Im Kündigungsrechtsstreit machte die Arbeitnehmerin geltend, sie habe dem Arbeitgeber nach der Geburt ihrer Tochter per Telefax am 10.06.2013 mitgeteilt, dass sie Elternzeit für zwei Jahre in Anspruch nehme. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG habe dieser deshalb das Arbeitsverhältnis nicht kündigen dürfen. Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Was sagt der 9. Senat des BAG?

Die Revision des Rechtsanwalts hatte vor dem Neunten Senat des Bundearbeitsgerichts Erfolg. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 15.11.2013 aufgelöst worden. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts genoss die Klägerin nicht den Sonderkündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die Klägerin hatte mit ihrem Telefax vom 10.06.2013 nicht wirksam Elternzeit verlangt. Besonderheiten, die es dem Beklagten nach Treu und Glauben verwehrten, sich auf den Formverstoß zu berufen, lagen nicht vor.

Autor*in: Werner Plaggemeier (Werner Plaggemeier ist Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“. )